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Kira und Maria Walkenhorst "Mit Drillingskinderwagen waren wir eine Sensation in unserer Gegend."

Interview: Kira Walkenhorst mit Familie
© Charlotte Schreiber
Kira Walkenhorst ist Olympiasiegerin im Beachvolleyball. Zusammen mit ihrer Frau Maria hat sie Drillinge. Im Interview sprachen die beiden mit Susanne Rohlfing über künstliche Befruchtung, den Alltag mit drei quirligen Kleinkindern und ihre Erfahrungen als homosexuelles Paar. 

ELTERN: Kira und Maria, eure Kinder wachsen mit zwei Müttern auf. Keine große Sache heutzutage, denkt man. Wie erlebt ihr das? 
Kira: Für uns ist das etwas ganz Normales. Wir haben bislang keine schlechten Erfahrungen gemacht. Eine Freundin, die von den Drillingen erzählte, wurde von einem größeren Kind gefragt: "Die haben zwei Mamas? Die Armen! Wer macht denn dann die Mathe-Hausaufgaben mit denen?"
Maria: Wenn wir als zwei Frauen mit den drei Kindern rumlaufen, werden wir oft nicht direkt als Familie erkannt, sondern als zwei Mütter mit ihren jeweiligen Kindern. Das ist aber gar nicht schlecht. Am Anfang hatten wir einen Drillings-Kinderwagen, damit waren wir eine Sensation hier in unserer Gegend in Hamburg. Ständig wollten die Leute gucken und anfassen. Wir sind dann auf einen Zwillingswagen und einen Einer umgestiegen. Und schon waren wir nicht mehr so eine Attraktion. Ansonsten müssen wir sagen: Überall da, wo wir als Ehepaar mit Drillingen auftreten, begegnen uns die Leute mit sehr viel Offenheit und Wohlwollen. 

Hattet ihr Sorge, dass das anders sein könnte?
Kira: Nein. Ich persönlich habe nie die Erfahrung gemacht, für meine Homosexualität angegangen oder beleidigt zu werden. Für mich ist das ganz normal. Ich denke, das strahle ich auch aus. Deshalb habe ich mir da nie Gedanken gemacht. 
Maria: Ich schon. Ich habe Kira erst spät kennengelernt, da war ich 30. Vorher waren für mich immer Männer interessant. Ich habe mich am Anfang schon gefragt: Mache ich es offiziell oder nicht? Wie wird die Außenwelt reagieren? Wirst du jetzt gemobbt? Irgendwann habe ich es offiziell gemacht, wir haben geheiratet, Kira ist als Spitzensportlerin und Olympiasiegerin eine Person des öffentlichen Lebens, also ist es ohnehin für alle offensichtlich – aber meine schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetreten. Es ist alles gut und entspannt. 

Sagen die Kinder zu euch beiden "Mama"? 
Kira: Nein, ich bin "Mama" und Maria ist "Mutti". Die Kinder kommen gut damit klar. Wir tun uns da manchmal schwerer. Oder unsere Eltern. 

Ihr nennt euch gegenseitig Mama und Mutti? 
Kira: Wenn die Kleinen dabei sind, ja. Klar. 

Ihr habt 2017 geheiratet, 2018 kamen die Drillinge zur Welt. Hört sich an, als sei alles nach Plan gelaufen. Ganz so war es aber nicht, oder? 
Kira: Nein, wir haben schon deutlich vor der Hochzeit probiert, das Thema Nachwuchs anzugehen. Damals war das in Deutschland noch kaum möglich, vor allem nicht, wenn man nicht verheiratet war. Wir haben dann mehrere Versuche mit Insemination an einer dänischen Klinik gestartet – es hat aber nie geklappt.
Maria: Da wurde mit Tests der Zeitpunkt meines Eisprungs festgestellt und mir dann der Samen eines Spenders eingeführt. Quasi wie beim Sex mit einem Mann – nur etwas steriler. Ich wurde aber nie schwanger. Ich leide an einer Endometriose, einer gutartigen Veränderung der Gebärmutterschleimhaut. Das beeinträchtigt meine Fruchtbarkeit. Selbst wenn ich mit einem Mann hätte schwanger werden wollen, hätte man uns wohl helfen müssen. 
Kira: Weil die Insemination immer wieder nicht geklappt hat und wir inzwischen geheiratet hatten, sind wir zu einer Klinik mit sehr guten Quoten in Hamburg gewechselt. Das ist noch nicht überall so, aber dort wird auch gleichgeschlechtlichen Paaren geholfen – wenn sie verheiratet sind. Da haben wir es mit künstlicher Befruchtung versucht, also Eier entnehmen, im Reagenzglas mit dem Samen eines Spenders zusammenbringen und wieder einsetzen. 

Wieso habt ihr euch für einen anonymen Samenspender entschieden?
Maria: Wir haben am Anfang ein bisschen rumgesponnen: ob wir uns vorstellen können, Bekannte zu fragen. Oder sogar eine innerfamiliäre Lösung finden – wir haben beide einen Bruder. Aber Vater und Onkel gleichzeitig? Das war uns zu spooky. Dann tanzen wir alle zusammen unterm Weihnachtsbaum? Irgendwie beklemmend. Deshalb war uns relativ schnell klar, dass es mit einem anonymen Spender für alle Beteiligten am einfachsten ist. Man weiß einfach nicht, was das Vatersein mit jemandem macht. Ob der biologische Vater dann vielleicht doch Ansprüche stellt.
Kira: Finanziell macht es natürlich einen großen Unterschied, ob du dir über eine Samenbank Sperma kaufst oder ob du es dir privat besorgen kannst. Deshalb ist der private Weg für viele Paare die einzige Lösung. Da es finanziell bei uns passte, haben wir entschieden, alle anderen Risiken nicht eingehen zu wollen. Deshalb also ein anonymer Spender – der aber natürlich alle Daten hinterlegt hat. Sobald die Kinder 18 Jahre alt sind, können sie ihn ausfindig machen. Wenn sie wollen. So bestimmt es in Deutschland das Samenspenderregistergesetz. Und wir werden mit der Situation immer offen und ehrlich umgehen. 

Darf ich fragen, was es euch am Ende gekostet hat, schwanger zu werden?

Maria: Die künstliche Befruchtung hat zum Glück beim ersten Versuch geklappt: Das war gut, finanziell und für den Kopf.

Kira: Etwas mehr als 10 000 Euro für alle Versuche zusammen. Wenn Maria mit ihrer Endometriose mit einem Mann in einem Kinderwunschzentrum aufgetaucht wäre, dann hätte die Krankenkasse drei Versuche übernommen.
Maria: Da ist Deutschland bei seinen Gesetzen in Sachen Gleichbehandlung noch nicht so weit wie andere Länder. Es gibt ja immer wieder Homosexuelle, die für ihre Rechte auf die Straße gehen – und man denkt: wieso das? Wir sind doch hier im aufgeklärten Deutschland. Aber da geht es eben um genau solche Dinge. Man merkt, dass auch Deutschland noch nicht wirklich offen ist für gleichgeschlechtliche Paare. 

Interview: Kira Walkenhorst und Familie
© Charlotte Schreiber

Nun wisst ihr nicht, was für ein Mann hinter dem Samen steckt. Was er genetisch an eure Kinder weitergegeben haben könnte. Beschäftigt euch das?
Maria: Bei der dänischen Samenbank haben wir sehr viele Auskünfte über den Spender bekommen. Da konnte man sich den fast backen. Von Äußerlichkeiten über Charaktereigenschaften bis hin zu Schulnoten und Größe sowie Aussehen der Geschwister. Wahrscheinlich hätte man den googlen können und hätte den Namen gefunden. Interessanter für uns war natürlich die Frage, was der Spender genetisch mitbringt, ob es irgendwelche Krankheiten in seiner Familie gibt. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn wir uns verlieben, informieren wir uns auch nicht vorab, ob die Oma Brustkrebs hat oder der Papa Herzschäden. 

Aber wenn man die Wahl hat? 
Maria: Dann nutzt man sie natürlich. Bei der deutschen Samenbank gab es aber nicht mehr so viele Informationen. Da haben wir nur noch so Dinge wie Größe, Haarfarbe, Augenfarbe, Gewicht, Nationalität und Schul- oder Berufsabschluss erfahren. Für mögliche Krankheiten, die da kommen könnten, wäre es natürlich schön, wenn man einen Ansprechpartner hätte. Haben wir aber erst in 18 Jahren. Also hoffen wir, dass alles gutgeht. 

Unterschreibt man bei einer künstlichen Befruchtung, dass man das Risiko einer Drillingsschwangerschaft eingeht?
Maria: Unterschrieben haben wir nichts. Wegen meiner Schwierigkeiten, schwanger zu werden, hat uns die Ärztin bei der künstlichen Befruchtung empfohlen, zwei Eier einzusetzen. Einfach, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass es klappt. 
Kira: Sie hat uns das nicht aufgequatscht. Wir wollten einfach, dass es endlich funktioniert. Bei zwei eingesetzten Eiern ist die Chance größer, dass zumindest eins angenommen wird. 
Maria: Natürlich wurde uns gesagt, dass auch beide Eier angenommen werden könnten und wir mit Zwillingen rechnen müssten. Ich habe dann schon kurz nach dem Einsetzen extrem reagiert, ich hatte bereits in der ersten Woche Wassereinlagerungen und einen Baby-Bauch. Wir sind in Panik zur Ärztin – und die hat relativ früh gesehen, dass es Drillinge werden. Beide Eier waren angenommen worden und eines hatte sich dann noch geteilt. Ich war erst mal einen Tag lang schockiert. Am zweiten Tag haben wir gesagt: Wenn es so sein soll und wenn alle drei gesund sind, dann soll es so sein, dann ziehen wir eben drei kleine Kinder groß. 
Kira: Ich habe mich damals in erster Linie gefreut, dass es endlich geklappt hat. Und drei? Ich musste sie ja nicht austragen. Der Respekt kam nach und nach in den Gesprächen mit Maria. Da ging es aber weniger darum, wie wir drei Kinder großgezogen bekommen, sondern eher darum, wie sie die Drillings-Schwangerschaft übersteht. Wir haben bei jedem Arzttermin gezittert. 
Maria: Meine Hoffnung war, 34 Wochen zu schaffen. Wegen der Lungenreife. Aber dann war von einem Tag auf den anderen Schluss. Mir war schlecht, schwindelig, und ich kam nicht mehr klar. Wir sind abends ins Krankenhaus, und am nächsten Morgen wurden sie geholt. Das war in Woche 33+2. 
Kira: Sechseinhalb Wochen zu früh. Aber es war alles gut. Die Jungs wogen 2,5 Kilo, Emma knapp zwei Kilo – Maria hat da schon ordentlich was getragen im Bauch. Sie konnte den ganzen Tag nur auf dem Sofa liegen und an die Decke starren.
Maria: Für mich war das völlig okay. 

Wie habt ihr entschieden, wer von euch schwanger wird?
Kira: Das Alter hat entschieden. Maria ist sechs- einhalb Jahre älter. Eigentlich war der Plan, dass sie vorlegt und ich irgendwann nachziehe. Nach einer verletzungsbedingten Pause habe ich ja in diesem Jahr mein Comeback im Beachvolleyball gegeben und mit den Olympischen Spielen 2024 noch ein sportliches Ziel vor Augen. 

Ist es nicht schwer, selber Frau zu sein, selber schwanger werden zu können und dann nur Zuschauerin zu sein?
Kira: Ich habe schon den Wunsch, selber mal schwanger zu sein. Und dabei ja dann auch die eigenen Gene weiterzugeben. Wenn wir ein Kind bekommen hätten, wäre das auch überhaupt kein Thema gewesen. Jetzt müssen wir aber erst mal gucken. 

INSEMINATION …
... ist der medizinische Begriff für ein Verfahren, bei der befruchtungsfähige Samenzellen in die Gebärmutter der Frau eingebracht werden. So sollen sie die Eizelle schneller und in größerer Menge erreichen als nach dem Geschlechtsverkehr – weshalb mit dieser Methode auch heterosexuellen Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch geholfen werden kann. www. familienplanung.de 

IN-VITRO- FERTILISATION (IVF) ... 
... bedeutet, dass die Befruchtung der Eizelle nicht im Körper der Frau stattfindet, sondern im Labor. Die Behandlung erstreckt sich häufig über mehrere Wochen, und fast immer ist eine Hormonbehandlung der Frau notwendig. Entwickeln sich die befruchteten Eizellen weiter, werden ein bis höchstens drei Embryonen in die Gebärmutter übertragen. 

KIRA WALKENHORST ... 
... ist Beachvolleyball­spielerin und Sport­soldatin. Mit Laura Ludwig wurde sie 2016 Olympiasiegerin und 2017 Weltmeisterin. Maria Walkenhorst, geborene Kleefisch, ist Volleyball­-Trainerin und nutzt die Elternzeit, um ihr Lehramts-­Stu­dium für Berufsschulen zu forcieren. Die Drillinge Pepe, Mo und Emma kamen im Oktober 2018 zur Welt. 

ELTERN

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