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Habt ihr manchmal das Gefühl, euer Kind ist egoistisch und undankbar? Wünscht ihr euch, es nicht ständig mit einem "Was sagt man da?" maßregeln zu müssen?
Ihr könnt viel dafür tun, damit das "Danke" mehr ist als eine Phrase. Die Mühe lohnt sich: Wenn euer Kind die Dankbarkeit im Inneren wirklich empfindet, hat das einen positiven Effekt auf das psychische Wohlbefinden. Es begreift das eigene Leben als wertvoll und fühlt sich anderen Menschen verbunden. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass eine dankbare Haltung mit einer höheren Lebenszufriedenheit, Glück, besserer Gesundheit und intensiveren sozialen Beziehungen einhergeht. Danke ist kein Wort, sondern eine Lebenskompetenz.
Sprecht über die guten Dinge
Je häufiger ihr mit eurem Kind über Dankbarkeit sprecht, desto besser kann es wahrnehmen, wofür es im Leben dankbar ist. Als Gesprächsrahmen könnt ihr euch vier Schritte merken: Übt mit eurem Kind zu bemerken, für welche Dinge im Leben es dankbar sein kann. Darüber nachzudenken, wie und warum es diese Dinge bekommen hat. Das Gute daran zu fühlen. Und etwas zu tun, um die Dankbarkeit dafür auszudrücken.
- Weißt es darauf hin, dass es gerade etwas Schönes bekommen hat und fragt, wie sich das anfühlt.
- Übt einen Perspektivwechsel und überlegt, warum es etwas bekommen hat, oder warum jemand etwas Nettes für es getan hat.
- Sensibilisiert für Privilegien. "Ist es nicht schön, dass wir an diesem verregneten Tag eine warme, trockene Wohnung haben, in die wir uns zurückziehen können?"
Forscher:innen, die Schüler:innen anhand eines speziellen Lehrplans beibrachten, dankbarer zu denken und zu handeln, wiesen nach, dass die verbesserte Stimmung noch fünf Monate später anhielt. Der Unterricht bestand aus drei Teilen: Verstehen, warum die andere Person etwas Freundliches getan hat. Verstehen, was es sie womöglich gekostet hat, etwas Freundliches zu tun. Verstehen, wie andere davon profitieren, wenn man ihnen hilft oder ihnen etwas gibt.
Ganz konkret übt ihr das, indem ihr eurem Kind eure eigene Dankbarkeit spiegelt: "Vielen Dank, dass du mir heute geholfen hast, die Küche aufzuräumen. Ich weiß, dass du eigentlich länger spielen wolltest, aber es ist so viel einfacher, wenn wir zusammen aufräumen. Dann habe ich mehr Energie zum Vorlesen übrig. Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen."
Macht Dankbarkeitslisten
Wenn ihr euch die guten Dinge vor Augen führt, sorgt das für positive Energie. Macht gerne mit eurem Kind eine Dankbarkeitsliste. Dort schreibt ihr regelmäßig alles auf, wofür ihr dankbar seid: Menschen, Ereignisse, Gegenstände. Ihr könnt euch auch ein schönes Glas aussuchen oder eine Box gestalten, in die ihr täglich kleine Zettel werft, auf die ihr etwas schreibt, für das ihr an dem Tag dankbar wart. Es kann ein wertvolles Ritual werden, am Monats- oder Jahresende gemeinsam die Zettel zu lesen und sich an die Fülle zu erinnern, die ihr erlebt habt.
Eine Studie mit Schüler:innen zwischen elf und 14 Jahren bestätigt die positive Wirkung dieser Art der Reflexion. Die Kinder wurden in drei Gruppen aufgeteilt. Die Kinder in der ersten Gruppe sollten zwei Wochen lang täglich fünf Dinge aufschreiben, für die sie dankbar waren. Die Kinder aus der zweiten Gruppe notierten hingegen fünf Dinge, die sie ärgerten. Die Kontrollgruppe tat nichts davon. Das Ergebnis: Die Kinder, die Dankbarkeitslisten schrieben, waren zufriedener mit der Schule als die beiden anderen Gruppen. Außerdem zeigten sie mehr Dankbarkeit, größeren Optimismus, höhere Lebenszufriedenheit und weniger negative Emotionen als die Gruppe, die ärgerliche Ereignisse auflistete. Die Konzentration auf positive Ereignisse erhöht also die Lebenszufriedenheit.
Eine andere Studie wies nach, dass Student:innen, die Dankbarkeitslisten führten, enthusiastischer, zielgerichteter, aufmerksamer und energischer waren. Außerdem reagierten sie emphatischer, indem sie anderen mehr halfen und sie emotional unterstützten.
Wahrnehmung durch Tagebücher
Ähnlich funktionieren Tagebücher. Therapeut:innen berichten davon, dass Menschen, die täglich Dankbarkeitstagebücher führten, über ein höheres Maß an Zielstrebigkeit, Enthusiasmus, Achtsamkeit und Hilfsbereitschaft verfügten und ein geringeres Maß an Neid und Depression.
Kinder können auf verschiedene Weise täglich oder wöchentlich dokumentieren, wofür sie dankbar sind: mit Zeichnungen, Fotos oder Texten. Das Tagebuch schult die Wahrnehmungsfähigkeit für die eigenen positiven Emotionen, und ist ein schöner Anlass für gemeinsame Reflexionen und Gespräche.
Schreibt Briefchen
Forscher ließen Kinder zwischen acht und 19 Jahren Dankesbriefe schreiben und im Anschluss vorlesen. Es konnten kurze Notizen an Menschen sein, aber auch Ereignisse, für die sie dankbar waren. Die Schüler:innen, die zuvor ein niedriges Glücksniveau empfunden hatten, waren danach deutlich zufriedener.
Wie wäre es, wenn ihr euer Kind dazu anregt, Dankessätze an Lehrer:innen, Erzieher:innen, Freund:innen oder einfach an den Busfahrer oder die Frau an der Supermarktkasse zu schreiben? Es muss ja nicht gleich ein ganzer Brief sein. Ein Notizzettel zaubert auch Lächeln auf die Gesichter.
Lest Fabeln und Geschichten
Es gibt viele Geschichten, die Dankbarkeit, gegenseitige Wertschätzung und Hilfe thematisieren. Sucht euch passende Fabeln und Erzählungen und sprecht darüber. Ihr könnt das Gelesene durch kleine Rollenspiele oder Gespräche vertiefen. Fragt euch: Wie fühlt sich Dankbarkeit an? Wie fühlt sich jemand, dem du etwas Gutes tust? Wie sähe die Welt ohne ein "Danke" aus?
Gestaltet einen Dankbarkeitsbaum
Wenn ihr eure Dankbarkeit nicht in einem Glas oder Tagebuch verstecken wollt, könnt ihr mit eurem Kind auch einen Dankbarkeitsbaum gestalten, den ihr gut sichtbar in eurer Wohnung platziert. Malt einen Baum in einer passenden Größe auf und füllt seine Krone nach und nach mit Klebezetteln, auf denen ihr notiert, wofür ihr in eurer Familie dankbar seid.
Ideen für Gesprächsimpulse
- Über welche Dinge hast du dich heute gefreut?
- Welche Dinge möchtest du in deinem Leben nicht vermissen? Warum?
- Stell dir vor, du musst auf eine einsame Insel. Welche Dinge aus deinem bisherigen Leben würdest du mitnehmen? Warum?
- Überlege einmal, welche Wünsche dir schon erfüllt wurden. Haben andere Menschen zur Erfüllung dieser Wünsche beigetragen?
- Manche Menschen machen dich in deinem Leben besonders glücklich. Wie hast du ihnen gezeigt, dass sie dich froh gemacht haben? Welche Möglichkeiten gibt es noch?
- Sicher hast du schon jemandem etwas Gutes getan. Wie wurde dir gedankt? Was haben andere gemacht, um dir ihre Dankbarkeit zu zeigen?
Lebt Dankbarkeit vor
Wie immer im Elternleben: Seid Vorbilder. Euer Kind lernt am meisten von eurem Verhalten. Achtet also darauf, wo eure Aufmerksamkeit liegt. Sprecht wertschätzend über Menschen, Dinge und Ereignisse und drückt eure Dankbarkeit selbst aus. Vor allem auch eurem Kind gegenüber. Derjenige, dem Dankbarkeit entgegengebracht wird und der von dem sozialen Verhalten des anderen profitiert, wird motiviert, künftig selbst so zu handeln.
Verwendete Quellen: psychologytoday.com, Mirja Kekeritz/Ulrike Graf: "Lebenskompetenzen stärken: Dankbarkeit im Kindesalter"