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Die ersten Tritte gegen die Bauchdecke sind kleine Vorwarnungen. Als würde das Baby sagen: Ich werde hier alles durcheinanderbringen, stellt euch schon mal darauf ein! Und wir beginnen erstmals zu ahnen: Da ist nicht nur ein neuer, kleiner Mensch, der Platz findet in unserem Leben, er macht auch aus uns ganz neue Menschen. Wir werden Mütter und Väter — es sind die Rollen unseres Lebens. Und mit ihnen fangen wir das Leben noch mal von vorn an. Bis vor 20, 30 Jahren waren diese Rollen ziemlich klar: Der Vater verdiente das Geld, die Mutter blieb zu Hause, oft bis das jüngste Kind in die weiterführende Schule kam. Heute möchten viele Paare die Familienarbeit anders verteilen: Mütter hätten gern mehr Zeit für den Job, Väter wünschen sich mehr Zeit mit den Kindern. Dazu eine gleichberechtigte Aufteilung der Hausarbeit. Doch längst nicht immer kriegen wir das hin. Selbst Paare, die in kinderlosen Zeiten die meisten Alltagsaufgaben paritätisch aufgeteilt haben, machen oft eine Rolle rückwärts, wenn ein Baby kommt.

Auch moderne Paare rutschen schnell in alte Rollenmuster ab
„Traditionalisierungseffekt“ nennen das Wissenschaftler wie Dr. Sabine Buchebner-Ferstl vom Österreichischen Institut für Familienforschung. Und gemeint ist damit: Am Ende machen wir es doch wieder so ähnlich wie unsere Eltern – und reiben uns zwei, drei Jahre nach der Geburt des ersten Kindes verwundert die Augen: Wie sind wir da bloß reingerutscht? Wer nach den Gründen sucht, stößt zuallererst auf den Gender Pay Gap: Weil Frauen in unserem Land immer noch 21 Prozent weniger verdienen als Männer, ist die Frage, wer wegen des Babys erst mal weniger arbeitet, oft ziemlich schnell beantwortet. Dazu kommen Gewohnheit und Pragmatismus: Rollen und Zuständigkeiten neu und anders zu verteilen, ist mühsam. Wenn er sich plötzlich mit dem Unterschied von 40- und 60-Grad-Wäsche beschäftigen soll und sie zum ersten Mal die Stromtarife checken will, kostet das Kraft und Zeit. In einem vollgepackten Alltag mit kleinen Kindern haben wir oft beides nicht. Und so machen wir es lieber so wie bisher: Jeder erledigt, worin er Routine hat und was er gut und schnell wegschafft.
Dabei steckt die Tücke im Detail: Denn in einem Familienalltag verstecken sich viele kleine und große Aufgaben, die fast unsichtbar scheinen, die aber trotzdem erledigt werden müssen. Windeln zum Beispiel sollten nicht nur gewechselt, sondern auch entsorgt und neu gekauft werden. Und ein Paket davon muss spätestens morgen in die Kita, die haben schon zweimal angemahnt. Zum Kinderarzt müssen wir nicht nur gehen, wir müssen uns auch übers Impfen informieren, einen Termin ausmachen und wissen, wann der nächste ansteht. Mental Load, gedankliche Last, heißt der Begriff, der für all diese sichtbaren und unsichtbaren Orga Aufgaben, für die inneren To-do-Listen im Familienalltag steht. Und für die fühlen Mütter sich immer noch mehr verantwortlich als Väter.
Neue Väter bekommen Lob und die Mütter machen sich weiter Sorgen

Warum? Weil wir die alten Rollenbilder in uns tragen. Genauso wie die Menschen um uns herum, die uns verantwortlich machen für die To-do-Listen: U-Untersuchung verschlampt? Da hätte Mama doch dran denken müssen. Der Kuchen für die Adventsfeier in der Kita ist gekauft? „Super, dass du überhaupt kommen konntest“, sagt die Erzieherin zum Papa. Und Mama steht daneben und hat ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht selbst gebacken hat.
Das wiederum hat etwas mit tief verankerten Routinen zu tun. „Dass Frauen zum Beispiel Kindererziehung, Fürsorge und Pflegetätigkeiten übernehmen, sind Zuständigkeiten, die seit Jahrhunderten eingeübt sind. So fallen Mütter manchmal in Verhaltensmuster, die sie selbst eigentlich gar nicht wollen“, sagt Professor Michael Meuser, Soziologe an der TU Dortmund. Und wer in der Kleinkindphase erst einmal bestimmte Aufgaben übernommen hat, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft erledigen. Stereotype Verhaltensmuster und Rollenzuschreibungen setzen sich damit fort. Auch zur Zeit unserer Eltern und Großeltern passten diese Stereotype nicht zu jeder Mutter und jedem Vater. Allerdings waren sie wenigstens eindeutig, und es gab einen gesellschaftlichen Konsens. Heute hingegen werden wir durch doppelte Botschaften zusätzlich verwirrt: Wir Mütter sollen uns für unsere Kinder aufopfern, aber bitte keine Hausmütterchen sein. Väter sollen sich um ihre Kinder kümmern, tragen sie das Baby dann im Tuch vor der Brust, finden das viele aber doch irgendwie unmännlich … Was bleibt, ist das Gefühl, es niemandem recht machen zu können – und die mentale Last wird noch schwerer.
Bewusst hinterfragen ist der erste Schritt
Wie gehen wir damit um? Es ist unmöglich, sich von Rollenerwartungen komplett zu befreien. Ein erster Schritt ist aber, sich diese bewusst zu machen und zu hinterfragen. Darüber zu sprechen, mit dem Partner, aber auch öffentlich. Welche Rollen passen zu uns, wie wollen wir die Arbeit verteilen, wer soll sich um was kümmern? Um bei diesen Fragen frei entscheiden zu können, brauchen Eltern die richtigen Rahmenbedingungen: die gleiche Bezahlung für Mann und Frau zum Beispiel. Eine Unternehmenskultur, die Männern und Frauen gleichermaßen Angebote zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf macht. Dazu qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und die Aufwertung von Arbeiten, die mit Fürsorge und Care zu tun haben. Denn: Nicht zuletzt geht es beim Thema Mental Load auch ums Gesehen werden, um das Aussprechen von Ärgernissen, vor allem aber auch um Wertschätzung für all die Dinge, die wir im Familienalltag vermeintlich nebenbei erledigen: Danke, dass du das Hemd aus der Reinigung geholt, neue Schnürsenkel besorgt, ans Geschenk für Oma gedacht, das Mobile an die Decke montiert, die Matschhose gefunden, die Steuer gemacht hast … Danke!
Schöne Momente für Papa und Kind

Bloggerin-Tipp: So gelingt die faire Rollenverteilung
Mama-Bloggerin Patricia alias dasnuf gibt auf ihrem Blog Tipps zur faireren Rollenverteilung.
- Bestandsaufnahme: Beide schreiben auf, welche Aufgaben es bereits gibt, wie oft sie erledigt werden, wie lange sie dauern, wer sie übernimmt.
- Wöchentliches Meeting: Was steht kommende Woche an und wer macht was? So können Aufgaben besser vorhergesehen werden und Routinen entstehen, die Luft verschaffen
- Monatliche Analyse: Was hat geklappt? Was hat länger gedauert als gedacht? Was sollte umverteilt werden?
Fünf Väter, fünf Elternzeit-Modelle, fünf Einblicke

Warum hast Du Dich für die Elternzeit entschieden?
Die Frage hat sich mir gar nicht wirklich gestellt. Für mich war es irgendwie selbstverständlich, dass wir uns die Elternzeit möglichst gleich aufteilen.
Wie hast Du diese Zeit empfunden?
Anstrengend und bereichernd. Anstrengend, weil es einfach anstrengend ist, sich um kleine Kinder zu kümmern. Man schläft wenig beziehungsweise unregelmäßig, es gibt häufig Geschrei und volle Windeln. Bereichernd, weil es einfach toll ist, einem kleinen Menschen beim Wachsen zuzusehen. Das Schöne an der Elternzeit ist auch, dass man sich voll und ganz auf das Kind und die Familie konzentrieren kann und die Energie und Aufmerksamkeit nicht durch die Arbeit absorbiert werden.
Wie hat sich dadurch das Verhältnis zu Deinen Kindern und zu Deiner Partnerin verändert?
Als Mann ist es nicht ganz einfach, in den ersten Lebensmonaten des Babys eine enge Beziehung aufzubauen. Mutter und Kind haben – durch die Schwangerschaft, die Geburt und das Stillen – von Anfang an ein enges Band, das sie verbindet. Als Papa muss man sich dieses Band erst langsam aufbauen. Das gelingt nach meiner Erfahrung am besten, wenn man möglichst viel Zeit mit dem Kind verbringen kann. Noch intensiver wird das dann, wenn man sich als Papa auch ohne die Mama um das Kind kümmert. So kann man schon im ersten Jahr neben der stillenden Mutter zur wichtigsten Bezugsperson für das Baby werden. Und das alles dank der Elternzeit.
Was das Verhältnis zur Partnerin angeht: Ich finde, in unserer Generation sollte es normal sein, dass sich beide Partner alle Aufgaben eines gemeinsamen Lebens teilen. Dann wundert man sich nämlich nicht, dass das Essen nicht immer pünktlich auf dem Tisch steht, weil der Alltag mit Kindern einfach chaotisch ist.
Welche Rolle hat das Geld bei der Entscheidung gespielt?
Wenig. Ich finde es schade, wenn Väter nur aus finanziellen Gründen auf die Elternzeit verzichten oder sie nur kurz nehmen. Ich denke, die paar Monate kommt man auch mal mit ein bisschen weniger Geld aus. Geld verdienen kann man sich ein ganzes Arbeitsleben lang. Sich um die eigenen Kinder kümmern, wenn sie noch klein sind, kann man nur wenige Monate im Leben.
Wie hat Dein Arbeitsumfeld auf Deinen Entschluss reagiert?
Durchweg positiv. Auch wenn man einen grummeligen Chef hat, möchte ich alle Väter dazu ermutigen, sich trotz Widerstände für die Elternzeit zu entscheiden. Wir haben ein gutes Recht dazu.