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Was ist ein guter Vater? Geld oder Zeit? Ist oft immer noch die Frage.

Vater kuschelt mit Kind
© Georgijevic / iStock
Engagierte Väter wollen heute viel mehr mitmischen – aber können sich von alten Rollenbildern nur schwer lösen. Die Erfahrung macht auch ELTERN-Autor Dirk Weber.

Wenn man Vater ist, sagt einem keiner mehr, dass man seine Sache gut macht. Im Gegenteil. „Lässt sein Kind einfach weinen“, kommentierte eine ältere Frau neulich im Supermarkt – mein Sohn hatte sich schreiend auf den Boden geworfen, weil er die gewünschte Scheibe Gesichtswurst nicht bekam, und ich war einfach weitergegangen. Bevor unser Kind auf die Welt kam, hatte ich mir nur wenig Gedanken darüber gemacht, was für ein Vater ich sein wollte. Klar wollte ich kein Arschloch sein, keiner von der Sorte, die alle Verantwortung auf die Frau abwälzen. Ich freute mich aufs Vaterwerden, wollte, dass es meinem Kind gut geht – bei Mama und Papa. Und sah es als meine Aufgabe an, ihn auf seinem Weg zu begleiten. Mit gutem Beispiel voranzugehen. An unserer Liebe würde sich möglichst wenig ändern. Es hätte eigentlich alles weitergehen können wie bisher, nur halt mit Kind. Doch dann ist man zu dritt, und alles steht kopf. Die Nacht wird zum Tag. Im Kühlschrank stehen keine alkoholischen Getränke mehr, sondern Fläschchen mit abgepumpter Milch, im Bad riecht es nach Windeleimer statt nach guter Seife. Man hat das Gefühl, auf der Strecke zu bleiben, und wundert sich, wie lang es dauert, bis man in die neue Rolle hineingewachsen ist.
 

Vater spielt mit Kindern
© kate_sept2004 / iStock

Ich erinnere mich, dass ich meinen Vater nicht sehr oft zu Gesicht bekam. Es herrschte das klassische Familienmodell, bis in die 1960er-Jahre typisch deutsch. Die Väter brachten das Geld nach Hause, während sich die Mütter um Erziehung und Haushalt kümmerten. Erst seit zehn, 20 Jahren ist von den neuen Vätern die Rede, von den modernen, die zum Familienleben gehören. Von Vätern also, die stolz darauf sind, an allem beteiligt zu sein, Windeln zu wechseln, den Kinderwagen zu schieben, den Abwasch zu erledigen, die Zimmer zu saugen. Die International Labour Organization (ILO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, spricht von einer der wichtigsten gesellschaftlichen Veränderungen des 21. Jahrhunderts.
Fragt man Väter heute, was sie zu einem guten Papa macht, antworten die meisten: Zeit. Zeit im Dienste der Familie. Viele sind es leid, nur an Wochenenden und nach 19 Uhr für ihre Kinder da zu sein. Sie wollen nicht passiv zusehen, wie ihre Kinder aufwachsen, sondern mitmachen, miterziehen, mitversorgen.
So sehen es die meisten in unserem Land. Für einen guten Vater halten 82 Prozent der Bevölkerung denjenigen, der Elternzeit nimmt, fand das Institut für Demoskopie Allensbach heraus. Fragt man die Mütter nach ihren Wünschen, ist die Rede von gleichberechtigter Partnerschaft, von Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und: dass man sich gegenseitig hilft.
 

Schon während Danis Schwangerschaft war klar, dass ich Elternzeit nehmen würde. Und zwar nicht nur die üblichen zwei Väter-Monate, wie sie im vergangenen Jahr fast 80 Prozent der Elternzeit-Papas in Deutschland beansprucht haben, sondern vier. Meine Frau blieb zwei Jahre zu Hause. Sie sagte: "Wenn ich ein Kind habe, dann möchte ich mich auch darum kümmern."
Den ersten Monat nahm ich gleich nach Jonars Geburt und dann noch mal drei, als er ein Jahr alt war. Doch die unbezahlten Elternzeitmonate machten uns finanziell zu schaffen. Obwohl wir Anspruch auf 14 Monate Elterngeld hatten (meine Frau ließ sich ihren Anteil auf zwei Jahre ausbezahlen), mussten wir an unser Erspartes, um uns den nächsten Superpack Windeln leisten zu können.
Auf einmal verstand ich, dass mein Vater in den 1970er-Jahren nach meiner Geburt nicht alles stehen und liegen ließ. Und an staatliche Lohnersatzleistungen war damals noch gar nicht zu denken. Heute gibt es in Deutschland fast 1,8 Millionen Elterngeldbezieher, knapp ein Viertel davon männlich, Tendenz steigend. Also alles gut?
 

Vater kuschelt mit seinem Sohn
© Peopleimages / iStock

Nein, von Gleichberechtigung kann trotzdem keine Rede sein. Immer noch sind es die Frauen, die eher zu Hause bleiben, auch weil sie im Schnitt 21 Prozent weniger verdienen als die Männer – einer der Hauptgründe, weshalb neun von zehn Männern nach der Elternzeit wieder Vollzeit arbeiten gehen, die meisten Mütter dagegen in Teilzeit. Nur in zwei Prozent der Fälle arbeiten beide Eltern Teilzeit. Kaum ist das Kind da, fallen wir in alte Muster zurück.
Das gilt auch für mich und meine Frau. Dani hat nach der Elternzeit Stunden reduziert, ich arbeite nach wie vor voll. Anders können wir uns das finanziell nicht leisten. Was ich mir allerdings durchaus vorstellen konnte: Homeoffice zu machen – das hätte die Situation zu Hause deutlich entspannt. Aber das wollte mein Arbeitgeber nicht. Die hohe Vollzeitquote der Männer hat viele Gründe: unflexible Chefs, neidische Kollegen, aber manchmal auch Väter, die zu Unrecht fürchten, der Wunsch nach Teilzeit oder Homeoffice werde ihrer Karriere schaden. Viele Unternehmen sind heute aufgeschlossener, als ihre Mitarbeiter vermuten.
Klar ist: Zu Hause werden wir Männer nicht nur zum Staubsaugen gebraucht – sondern vor allem von unseren Kindern. Sie profitieren davon, dass Väter auf eine ganz besondere Art mit ihrem Nachwuchs umgehen, sagen Entwicklungspsychologen wie Professor Inge Seiffge-Krenke aus Mainz: "Im Kleinkind- und Schulalter fördern sie die Entwicklung von Motorik und Spielverhalten, Autonomie und Eigenständigkeit.“ Später geben Väter ein gutes Modell dafür ab, wie man voneinander entfernt und trotzdem verbunden sein kann. Außerdem, so die Psychologin, helfen sie ihren Kindern dabei, eine gesunde Geschlechtsidentität zu entwickeln.
Das ist doch eine gute Nachricht für alle Männer, die fürchten, sie müssten die bessere Mama werden. Müsst ihr nicht. Ihr dürft bleiben, wie ihr seid. Anders als Mama. Aber überlasst ihr nicht alles. Mischt mit!
 

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