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Väter berichten Ich würde sofort in Elternzeit gehen!

Väter berichten: Ich würde sofort in Elternzeit gehen!
© Miguel Ferraz
Drei Papa-Generationen berichten über Babykontakt durch die Glasscheibe, weniger Skat, mehr Leben in der Bude und weiche Vaterherzen.

Vater wird man ja schon, bevor das Kind da ist. Wie habt ihr die neun Monate erlebt?
Papa Thimo: Das war bei Mathea, meiner ersten Tochter, eine sehr intensive Zeit. Wir haben viel gelesen und stundenlang in Babyläden verbracht. Es gab einiges zu entscheiden, vom Kinderwagen bis zur passenden Kinderzimmereinrichtung. Natürlich habe ich mit meiner Frau auch einen Geburtsvorbereitungskurs besucht.
Opa Michael: Diese Kurse waren in den 80er-Jahren, als ich zum ersten Mal Vater wurde, noch kein großes Thema, schon gar nicht für Väter. Natürlich habe ich mich auf die Kinder gefreut, aber meine Frau hat sich doch deutlich intensiver mit dem Thema beschäftigt.
Uropa Dieter:Schwangerschaft und Geburt waren in den 50ern eher Frauensache.
 
Wart ihr bei der Geburt eurer Kinder dabei?
Dieter: Ich habe im Vorraum des Kreißsaals gewartet. Das war ziemlich aufregend. Ich wusste ja nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Nach einigen Stunden kam die Hebamme mit einem Baby auf dem Arm und sagte: "Das ist Ihr Sohn." Dann fuhr ich wieder nach Hause. Es gab auch noch keine Familienzimmer, die Kinder wurden den Verwandten bei Besuchen nur durch eine Glasscheibe gezeigt.
Michael: Meine Töchter kamen per Kaiserschnitt. Deshalb war ich nicht direkt dabei. Ich habe aber viel Zeit im Krankenhaus verbracht, gerade bei meiner zweiten – sie war ein Frühchen. Sechs Wochen lang fuhr ich jeden Abend nach der Arbeit in die Klinik.
Thimo: Heute sind Väter im Kreißsaal zur Normalität geworden, da bin ich keine Ausnahme. Am Morgen von Matheas Geburt fuhr meine Frau mit ungutem Gefühl ins Krankenhaus. Wenig später bekam ich den Anruf, dass unser Kind per Kaiserschnitt geholt wird. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig. Obwohl sich die Nabelschnur acht Mal um ihren Hals gewickelt hatte, war mit Mathea zum Glück alles in Ordnung. Bei meiner zweiten verlief die Geburt reibungslos, ich war von Anfang an dabei.
 
Ein Baby stellt das Leben ordentlich auf den Kopf. Was waren für euch die größten Veränderungen?
Michael: Männer-Aktivitäten wie Skatspielen oder Fußballgucken wurden weniger, ein größeres Auto musste her, meine Freizeit verbrachte ich nun mit der Familie. Das habe ich aber eher als eine Bereicherung für mein Leben gesehen.
Dieter: Ich brauchte etwas Zeit, um die Bereicherung zu erkennen. Anfangs war ich sehr unsicher und ständig in Sorge, dass dem Kind was passiert. Irgendwann begann ich zu genießen, dass plötzlich mehr Leben in der Stube war.
Thimo: Wir versuchen, unseren Alltag so "normal" wie mÖglich weiterzuleben. Wir pflegen bewusst unsere alten, noch kinderlosen Freundschaften und hängen nicht nur auf dem Spielplatz ab. Zum Beispiel hat meine Frau früh Milch abgepumpt und konnte auch mal mit ihren Freundinnen ausgehen, während ich "gestillt" habe.
 
Wie sah beziehungsweise sieht die Arbeitsverteilung zu Hause aus?
Michael: Ich musste in der Woche oft lang arbeiten, deshalb hat sich meine Frau vornehmlich um Kinder und Haushalt gekümmert. Nach Feierabend und am Wochenende habe ich versucht, die Zeit nachzuholen, den Kinderwagen zu schieben, Windeln zu wechseln und mit den Mädchen auf den Spielplatz zu gehen.
Dieter: Erziehung war zu meiner Zeit noch stärker Frauensache, der Vater war eher Familienoberhaupt und Versorger. Am Anfang kamen die beiden Omas regelmäßig zu uns und halfen im Haushalt. Als Mann brauchte man keine Windeln zu wechseln oder die Flasche zu geben.
Thimo: Im Moment ist meine Frau vor allem für die Kleine da, auch nachts steht sie zum Stillen und Wickeln auf. Sonst teilen wir uns viel auf, ich wechsle Windeln, tröste, lese vor, bringe ins Bett oder fahre in die Kita.
 
Was sind für euch typische Papa-Kind-Aktivitäten?
Thimo: Toben, auf den Spielplatz gehen, Ausflüge machen. In solchen Momenten erlebt man die Welt wieder aus Kinderaugen. Das ist wunderbar.
Michael: Ja, das sind die Klassiker. Ich war auch für die Fernsehunterhaltung zuständig. Wir haben oft auf dem Sofa gekuschelt und Kinderfilme geschaut. Am Wochenende fuhren wir oft auf den Campingplatz. Dort war ich in meinem Element.
Dieter: Einen Fernseher hatten wir gar nicht, wir sind oft in den Harz oder zum Maschsee gefahren.
 
Habt ihr es manchmal genossen, ins Büro zu fahren und eine Auszeit von der Familie zu nehmen?
Michael: Nach turbulenten Wochenenden war das Büro fast wie Erholung für mich.
Thimo: Kenn ich. Ich will natürlich nicht weg von meiner Familie, aber gerade nach einem Urlaub genieße ich's in der Arbeit. Vor allem die Gespräche über andere Dinge als Peppa Wutz oder Windeln.
 
Thimo, warst du eigentlich in Elternzeit?
Thimo: Bei meiner ersten Tochter nicht – da hatte ich gerade meinen Job als Filialleiter angetreten. Bei meiner zweiten Tochter hole ich das nach und nehme zwei Monate.
 
Beneidet ihr die Väter von heute um diese Möglichkeit?
Michael: Ja, ich würde sofort in Elternzeit gehen. Die Chance, seine Kinder aufwachsen zu sehen, hat man nur einmal.
Dieter: Die Väter von heute sind viel engagierter. Das finde ich gut.
 
Beschreibt doch mal euren Erziehungsstil.
Thimo: Konsequent, aber nicht streng. Wir haben ein paar Erziehungsgrundsätze, auf die wir Wert legen. Aber sonst kann meine Tochter mit mir viel Blödsinn anstellen. Auch wenn es um noch ein zusätzliche Kugel Eis geht, bin ich schnell zu überreden.
Dieter: Ich war auch kein strenger Vater.
Michael: Das kann ich bestätigen. Meine Mutter war deutlich konsequenter.
Dieter: Sie hat mir manchmal vorgeworfen, dass die Kinder bei mir alles dürfen. Das war in 60 Jahren Ehe aber auch der einzige Streitpunkt in Sachen Erziehung.
Michael: Das hat abgefärbt. Ich war auch eher ein sanftmütiger Papa. Für Regeln war meine Frau zuständig. Wenn sie Nein sagte, kamen die Kinder oft zu mir und haben an mein weiches Vater-Herz appelliert. Das fand meine Frau manchmal nicht so gut. Verständlich. Sie musste schließlich den Alltag mit den Kindern stemmen, während ich am Wochenende für eitel Sonnenschein sorgen durfte.
 
Wie hat sich euer Verhältnis zum Vater durch die eigenen Kinder verändert?
 
Thimo: Mein Vater ist wieder präsenter in meinem Leben. Er hat sich für seine Enkelinnen einen neuen Job gesucht. Früher war er als Gastronom viel unterwegs, inzwischen arbeitet er in einer Kantine und hat geregelte Arbeitszeiten. Ansonsten ist unser Verhältnis ähnlich innig geblieben. Wir sprechen über ernste Dinge, manchmal auch über die Familie oder Beziehung.
Michael: Die Beziehung wird intensiver. Immerhin steht man nun auf gleicher Ebene und löst sich etwas von der Rolle als Sohn. Aber als Ratgeber an meiner Seite habe ich meinen Vater nicht gesehen.
Dieter: Für Tipps in Sachen Erziehung oder Haushalt war deine Mutter auch die deutlich bessere Ansprechpartnerin.
 
Was würdet ihr heute anders machen?
Michael: Ganz klar, im Job kürzertreten. Ich habe in der Kfz-Schadensregulierung einer Versicherung gearbeitet. Das Geld stimmte, aber ich war viel zu wenig zu Hause.
Thimo: Ich glaube, beim ersten Kind haben wir viel richtig gemacht und wollen bei Romy nur Kleinigkeiten ändern. Zum Beispiel werden wir versuchen, ohne Schnuller auszukommen, um Zahnfehlstellungen zu vermeiden. Natürlich würde ich mir manchmal auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wünschen. Wenn meine Schichten schlecht liegen, sehe ich die Kinder zwei Tage kaum. Andererseits habe ich auch oft mehr Freiräume als mit einem normalen Nine-to-five-Job.
 

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