Schwierigkeiten gibt es in den besten Familien, aber sollten Eltern ihre Probleme vor ihren Kindern verheimlichen? Gibt es einem Kind Sicherheit, wenn es alles weiß, oder könnte es eher zu Verunsicherung führen, wenn Kinder merken, dass Mama oder Papa etwas belastet. Eine Frage, die sich bestimmt viele stellen, die wir beantworten möchten.
Dazu haben wir uns mit Ulrike Döpfner, einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin ausgetauscht. Die studierte Psychologin ist selbst Mutter von drei Söhnen und Autorin. Sie hat unter anderem die Bücher "Der Zauber guter Gespräche" und "Der Schatz des Selbstwerts" (Beltz Verlag) geschrieben.
ELTERN: Liebe Frau Döpfner, woran erkennen Eltern, welches Problem eine zu große Belastung für ein Kind sein könnte?
Ulrike Döpfner: Kinder sollten in typische Erwachsenenprobleme (Steuernachzahlungen, hohe Versicherungsraten, Ärger mit dem Chef) nicht einbezogen werden, da diese sie überfordern und somit verunsichern würden. Probleme sollten Eltern tatsächlich dann mit den Kindern teilen, wenn sie unmittelbar davon betroffen sind – etwa, wenn nicht genug Geld da ist, um das Kind auf Klassenfahrt gehen zu lassen oder wenn die Eltern entschieden haben, dass sie sich trennen werden.
Wann und warum sollten Eltern offen und ehrlich mit ihrem Nachwuchs über Probleme sprechen?
Eltern sollten nicht lügen, wenn ihr Kind spürt, dass es ihnen nicht gut geht und es fragt: 'Bist du traurig?' Oder 'Geht es dir nicht gut?' Wenn Eltern sich dann verstellen und so tun, als ob es ihnen gut geht, verunsichert das die Kinder umso mehr. Eltern müssen die Kinder dann aber nicht unbedingt in die Details ihrer Sorgen einbeziehen.
Gibt es akute Familiensorgen, die auch die Kinder betreffen, sollten die Eltern mit den Kindern darüber sprechen, da Unsicherheit die Kinder manchmal mehr belasten kann als eine kindgerechte Erklärung.
Über welche Problemthemen sollten Eltern nicht mit ihren Kindern offen sprechen?
Einerseits ist es so, dass alle Probleme Kinder belasten und auch überfordern können. Andererseits ist es auch schwierig, eine massive elterliche Belastung (wie, etwa eine Krankheit) vor dem Kind zu verheimlichen, da Kinder spüren, wenn ihre Eltern belastet sind. Wenn das Kind direkt von dem elterlichen Problem betroffen ist, die Mutter muss etwa ins Krankenhaus, sollten Eltern mit ihrem Kind darüber sprechen und sich nicht irgendwelche Ausreden (Mama verreist) ausdenken. Die Gefahr, dass Lügen ans Tageslicht kommen und das Vertrauen der Kinder in ihre Eltern dadurch massiv beschädigt wird, ist zu groß.
Was könnten mögliche Folgen sein, wenn Eltern Probleme vor ihren Kindern verheimlichen?
Kinder haben sehr feine Antennen für die Stimmungen und Gefühle ihrer Eltern. Wenn Eltern sehr belastet wirken, aber vor ihrem Kind so tun, als ob alles in Ordnung sei, kann zweierlei passieren.
- Das Kind vertraut seinen eigenen Gefühlen nicht mehr, da die Eltern abstreiten, dass der Eindruck des Kindes richtig ist.
- Das Kind fängt an, sich alles Mögliche auszumalen, was Schlimmes los sein könnte und seine Sorgen werden verstärkt, da es denkt: Da muss ja etwas ganz Furchtbares los sein, über das meine Eltern nicht mit mir sprechen wollen.
Beides verunsichert das Kind massiv und erschüttert auch das Vertrauen in seine Eltern.
5 Tipps, wie Eltern am besten mit ihren Kindern über "Erwachsenen-Probleme" sprechen können

Welche Problemfelder kommen in vielen Familien häufig vor, die vor Kindern verheimlicht werden?
Erwachsene verheimlichen ihren Kindern Dinge meist aus zwei Gründen – entweder wollen sie ihre Kinder schützen, weil sie denken, sie würden ihre Kinder mit der Wahrheit zu sehr belasten oder sie wollen sich selbst schützen, weil ihnen die Wahrheit unangenehm oder peinlich ist und sie Sorge haben, vor ihren Kindern schlecht dazustehen, käme diese ans Tageslicht. Insofern werden etwa frühere Eheschließungen, Affären oder Halbgeschwister verheimlicht oder auch Gesetzesübertretungen oder allgemein Dinge, die gesellschaftlich als unmoralisch angesehen werden. Erfahren Kinder diese Familiengeheimnisse dann irgendwann, manchmal erst als Erwachsene – meist durch Zufall oder Bemerkungen von Verwandten, die sich verplappern – können Welten zusammenbrechen, nicht nur aufgrund der Geheimnisse an sich, sondern weil sie sich von den Menschen, die ihnen am nächsten sein sollten, so getäuscht fühlen.
Was raten Sie in Sachen Beziehungsproblemen? Wie offen sollten Eltern hiermit umgehen?
Eltern sollten aufpassen, ihre Kinder nicht als Vertraute in Beziehungsproblemen zu missbrauchen.
Insofern tut es ihnen nicht gut, wenn sich ihre Eltern ihnen anvertrauen bei Beziehungsproblemen, sie überfordern Kinder damit und lösen Loyalitätskonflikte bei ihnen aus, da sie ja beide Eltern lieben. Eltern sollten sich also bemühen, auch bei Konflikten einen respektvollen Umgang miteinander zu pflegen und ihre Kinder nicht unter eheliche Feindseligkeiten leiden zu lassen. Konflikte gehören zum Leben dazu und wenn Kinder erleben, dass sie fair und in respektvoller Art ausgetragen werden, ist das ein positives Vorbild.
Was ist Ihr Rat, wenn Eltern mit ihren Kindern ehrlich über Probleme gesprochen haben und diese zu Ängsten führen?
Eltern sollten, nachdem sie mit ihren Kindern über Probleme gesprochen haben, besonders ansprechbar sein, um den Sorgen der Kinder begegnen zu können. Sie sollten sich mit den Ängsten der Kinder auseinandersetzen, ihnen gut zuhören und versuchen, ihnen die Zuversicht zu vermitteln, dass sie eine Lösung finden werden und dass dies die Aufgabe der Eltern und nicht die Verantwortung der Kinder ist. Liebevolle elterliche Zuwendung ist in solchen Phasen besonders wichtig, das Kind sollte mit seinen Ängsten nicht allein gelassen werden. Sollten die Ängste anhalten und das Kind stark belasten, so sollten die Eltern therapeutische Unterstützung für ihr Kind suchen.
Vielen Dank für das Gespräch!