Sie sind selbst Mütter von insgesamt sechs Kindern. Denken Sie nicht, der Alltag ist für Kinder schon gefährlich genug?
Anke Leitzgen: Im Alltag ist man zumindest ständig mit den eigenen Ängsten konfrontiert. Passieren kann schließlich jede Menge. Trotzdem dürfen wir unsere Kinder nicht in Watte packen und müssen ihnen die Chance geben, gefährliche Dinge auszuprobieren.
Gesine Grotrian: Gleichzeitig wissen wir, wie wenig Zeit wir alle haben, um mal mutig etwas miteinander ausprobieren. Mir fiel zum Beispiel während der Arbeit am Buch auf, dass meine Kinder noch nie Nudelwasser abgeschüttet haben. Ich hatte tatsächlich Angst davor. Da habe ich erst verstanden, warum meine Kinder bislang nicht Spaghetti kochen können, obwohl ich das eigentlich schon seit Jahren will. Meine Angst hatte es verhindert.
Warum gibt es gerade 60 Gefahren und Mutproben in ihrem Buch?
Gesine Grotrian: Weil wir für "BÄNG! 60 gefährliche Dinge, die mutig machen" einen Kanon mit den typischen gefährlichen Situationen aufgestellt haben, die vermutlich jedes Kind irgendwann erlebt. Da kommen schnell 60 zusammen. Hinzu kommt, dass jeder andere Dinge fürchtet. Der eine hat Angst vor Spinnen, der andere vor dem Sprung von einer hohen Mauer und der nächste traut sich nicht, vor einer größeren Gruppe zu sprechen. Und wer weiß schon, wie man sich richtig verhält, wenn es brennt? Oder wie man sich gegen Mobbing wehrt?
Anke Leitzgen: Uns geht es nicht darum, Kinder unnötigen Risiken auszusetzen. Die Idee hinter "BÄNG!" ist, ihnen bewusst einen geschützten Raum zu schenken, in dem sie lernen, Schritt für Schritt sicherer zu werden. Denn was kann man ihnen besseres wünschen, als krisenfest und alltagstauglich zu werden? Ich wünsche mir für meine Kinder zum Beispiel, dass sie souverän reagieren, wenn man etwas passiert. Das gelingt aber nur, wenn gefährliche Situationen vorher mal diskutiert und ausprobiert hat.
Ist Ihr Buch also für Kinder und Eltern?
Gesine Grotrian: Unbedingt! Es Ist ein Familienbuch. Gemeinsam erlebte Abenteuer sind Schätze für die Familie. Das kennt ja jeder, der mal in ein Unwetter gekommen ist: Drin stecken ist schrecklich, aber später ist es eine großartige Geschichte, die alle verbindet, die dabei waren.
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Und wie kann man besonders besorgte Eltern ermutigen, ihrem Kind mehr Freiraum zu schenken?
Anke Leitzgen: Mir hilft der Gedanke, dass Kinder nichts so klug macht, wie sich frei zu bewegen, mit Dingen zu experimentieren und etwas zu wagen. Das alles legt ein solides Fundament fürs Denken. Und wenn dieses Fundament in den ersten Jahren zu schwach gerät, weil es an Bewegungs- und Handlungsspielräumen fehlt, wird man darauf später nichts bauen können.