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Betreuungsgeld Karlsruhe kippt die "Herdprämie"

Für die einen war es eine Anerkennung von Eltern, die ihr Kind zuhause betreuen. Andere fürchteten Nachteile für die frühkindliche Entwicklung. Nun hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden: Das Betreuungsgeld ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Viele hatten damals wahrscheinlich schon nicht mehr daran geglaubt, doch trotz der Bedenken innerhalb der FDP und in Teilen der CDU, setzte sich 2013 schließlich die CSU durch: Seit dem 1. August 2013 erhielten Eltern im Anschluss an das Elterngeld und ab dem zweiten Lebensjahr ihres Kindes monatlich 100 Euro Betreuungsgeld, von den Gegener als "Herdprämie" kritisiert. Wie bereits im Gesetz verankert, wurde der Satz zum 1. August 2014 um 50 Euro erhöht. Voraussetzung dafür war, dass die Eltern ihren Nachwuchs entweder selbst betreuten oder die Betreuung innerhalb ihres Familien- oder Freundeskreises privat organisierten. Auch Väter und Mütter, die eine Tagesmutter oder eine ausschließlich privat finanzierte Krippe nutzten, konnten Betreuungsgeld beantragen. Sprich: Alle Eltern hatten Anspruch, die ihr Kind nicht in eine öffentlich geförderte Krippe gaben.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden: Das Betreuungsgeld ist verfassungswidrig. Wie es mit den rund 450 000 Eltern weitergeht, die derzeitig Betreuungsgeld beziehen, ist noch unklar.

 

Was es genau mit dem Betreuungsgeld auf sich hat, erfahren Sie hier:

Für wen gibt es Betreuungsgeld?

Es wird für alle Kinder gezahlt, die am oder nach dem 1. August 2012 geboren wurden beziehungsweise werden - eine Stichtagsregelung, von der es keine Ausnahme gibt. Zudem ist bereits juristisch geklärt, dass sie mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dagegen zu klagen ist also sinnlos.

Wie viel Betreuungsgeld bekommen wir?

Seit dem 1. August 2014 werden pro Kind monatlich 150 Euro gezahlt. Bei Zwillingen also 300 Euro im Monat, bei Drillingen 450 Euro.

Wann beginnt die Zahlung des Betreuungsgeldes?

Wenn das Elterngeld endet, also in der Regel mit Beginn des 15. Lebensmonats des Kindes. Allerdings gibt es Ausnahmen. Haben die Eltern das Elterngeld beispielsweise in den ersten sieben Monaten parallel bezogen, kann das Betreuungsgeld auch schon für Kinder gezahlt werden, die jünger sind.

Wie lange erhalten wir Betreuungsgeld?

Das Geld fließt für maximal 22 Monate, aber längstens bis zum dritten Geburtstag. Achtung: Wer zunächst Geld bekommt, aber während der laufenden Zahlungen sein Kind in eine öffentlich geförderte Einrichtung gibt, verliert ab genau diesem Zeitpunkt seinen Anspruch darauf.

Was ist mit dem Betreuungsgeld, wenn eine Mutter aufgrund von Krankheit oder Ähnlichem gezwungen ist, ihr ansonsten nicht fremdbetreutes Kind für ein paar Wochen in eine öffentlich geförderte Kita zu geben?

Das ist möglich, für solche Eventualitäten gibt es eine Härtefallregelung. Die greift auch, wenn etwa die Eltern zeitgleich Angehörige pflegen müssen: Auch dann können die Kinder bis zu 20 Stunden (im Monatsdurchschnitt) eine öffentlich geförderte U3-Kinderbetreuung ohne Einschränkungen beim Betreuungsgeld in Anspruch nehmen.

Wer kommt in den Genuss des Betreuungsgeldes?

Alle Eltern, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben, mit dem Kind gemeinsam in einem Haushalt leben und für dieses Kind keinen Platz in einer (wichtig!) "öffentlich geförderten" Tageseinrichtung oder Tagespflege in Anspruch nehmen. Anders gesagt: Städtische Kita und Betreuungsgeld schließen sich aus. Aber eine private Unterbringung bei einer Tagesmutter, einer Tante oder Oma sowie die Beaufsichtigung durch ein Au-pair sind okay.

Einen Anspruch haben ebenfalls alle Eltern, deren Kind eine private Krippe oder Eltern- Kind-Gruppe besucht. Voraussetzung natürlich: Diese Einrichtung finanziert sich ausschließlich (!) durch Eltern oder Spenden. Wer unsicher ist, ob eine ganz bestimmte Tagesmutter öffentliche Gelder bekommt, fragt beim Jugendamt nach. Und ob eine Einrichtung gefördert wird, weiß ihr Träger.

Muss ich für das Betreuungsgeld meinen Job oder Minijob aufgeben?

Nein. Es ist egal, ob ein Elternteil oder beide berufstätig sind oder wie hoch ihr Einkommen ist. Es sei denn, Sie haben gemeinsam mehr als 500.000 Euro im Jahr zu versteuern. Dann müssen Sie auf die 150 Euro im Monat verzichten.

Das gilt übrigens auch für all die Alleinerziehenden, die mehr als 250.000 Euro im Jahr nach Hause bringen - ein Problem, das die meisten Alleinerziehenden vermutlich gern hätten.

Wird das Betreuungsgeld auf andere Sozialleistungen angerechnet?

Ja, Betreuungsgeld gilt als Einkommen. Und wird deshalb mit ALG II ("Hartz IV"), Sozialhilfe oder Kinderzuschlag verrechnet. Im Klartext: Eltern, die Hartz IV bekommen, können zwar Betreuungsgeld beantragen - es wird ihnen dann aber bei der Auszahlung von Hartz IV wieder abgezogen. Was bedeutet, dass sich ALG II-Empfänger den Antrag auf Betreuungsgeld sparen können. Wohngeld-, BAföG- oder ALG-I-Empfänger hingegen bekommen das Betreuungsgeld zusätzlich.

Wo beantragt man Betreuungsgeld?

Bei der Kindergeldkasse der Arbeitsagentur - oder bei der Gemeinde- beziehungsweise Stadtverwaltung. Die Formulare stehen seit Juli 2013 bereit.

Und wenn ich vergesse, Betreuungsgeld zu beantragen?

Bekommen Sie nichts. Betreuungsgeld gibt's nur auf Antrag. Übrigens: Wenn Sie keinen Cent verschenken wollen, dürfen Sie nicht länger als drei Monate schludern - rückwirkend gezahlt wird nur für maximal ein Vierteljahr.

Es heißt, man könne 15 Euro Betreuungsgeld zusätzlich beantragen. Wovon ist da genau die Rede?

Das Betreuungsgeld kann auch als zusätzliche Altersvorsorge oder für ein Bildungssparen eingesetzt werden. Eltern, die das Geld für ihr Kind anlegen werden - und zwar mindestens bis zum 14. Lebensjahr des Sprösslings -, bekommen einen sogenannten Bildungsbonus von weiteren 15 Euro im Monat. Den Bonus gibt's allerdings nur, wenn das gesamte Geld dann auch entsprechend angelegt wird.

Warum gab und gibt es um das Betreuungsgeld eigentlich so eine Kontroverse?

Gegner des Betreuungsgelds schmähen es als "Herdprämie". Sie glauben, es werde ärmere und bildungsferne Familien davon abhalten, ihren Nachwuchs in eine Kita zu schicken - wobei gerade diese Kinder nach Expertenmeinung von außerfamiliärer Förderung profitieren würden.

Zudem befürchten sie, dass dadurch vor allem Mütter mit niedriger Bildung den Arbeitsmarkt verlassen werden, da bei ihren geringen Gehältern das Betreuungsgeld eine Verlockung sein könnte, lieber zu Hause zu bleiben. Eine Studie im Auftrag des Sozialministeriums scheint diese Befürchtungen zu bestätigen. Das Betreuungsgeld erweist sich laut der Untersuchung der Universität Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts als besonders attraktiv für Familien, „die eine geringe Erwerbsbeteiligung aufweisen, durch eine gewisse Bildungsferne gekennzeichnet sind und einen Migrationshintergrund haben." Der Migrationsaspekt deckt sich jedoch nicht mit den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Von den 210.646 Leistungsbezieher, die seit der Einführung bis einschließlich 1. Quartal 2014 Betreuungsgeld bekommen, haben nur knapp 14 Prozent einen Migrationshintergrund. In der deutschen Gesamtbevölkerung trifft dies jedoch auf knapp 20 Prozent der Einwohner zu.

Dass sogar an Eltern Betreuungsgeld ausgezahlt wird, die ihr Kind von einer Nanny oder der Oma betreuen lassen und dann unter Umständen sogar Vollzeit arbeiten gehen, erbost die Kritiker besonders. Sie fragen sich, welchen Sinn diese Förderung dann noch haben soll - außer den, Eltern, die ihr Kind in einer Krippe oder Kita betreuen lassen, zu strafen beziehungsweise den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung zu verzögern.

Die Befürworter hingegen sagen, dass auch traditionell lebende Familien gefördert werden müssen. Nicht jede Frau wolle schließlich erwerbstätig sein. Die Zahlung sei eine Anerkennung der Arbeit, die Mütter und Väter leisten, wenn sie zu Hause bleiben.

Was halten die Deutschen vom Betreuungsgeld?

Die Mehrheit der Deutschen lehnt das Betreuungsgeld ab. Je nach Umfrageinstitut sind zwischen 54 (ARD-Deutschlandtrend) und 69 Prozent (Infratest Dimap) dagegen. 76 Prozent fänden es besser, das dafür vorgesehene Geld in den Kita-Ausbau zu investieren; nur 20 Prozent der Deutschen finden es sinnvoll (Emnid).

Und wie stehen Sie zum Betreuungsgeld?

Was halten Sie vom Betreuungsgeld? Lehnen Sie es grundsätzlich ab? Oder finden Sie es sinnvoll, wenn, wie einst von Kristina Schröder angeregt, auch Mütter in Teilzeit davon profitieren könnten? Kommen ihnen vielleicht auch mal wieder die Väter in der ganzen Debatte zu kurz - immerhin soll es auch Männer geben, die nach der Geburt ihres Kindes zu Hause bleiben oder nur noch Teilzeit arbeiten?

Machen Sie mit bei unserer Umfrage - wir sind sehr gespannt! Und wenn Sie noch etwas zum Betreuungsgeld oder auch zu dem stockenden Ausbau der Kinderbetreuung loswerden möchten, posten Sie es einfach in Form eines Kommentars unter diesen Artikel. Vielleicht möchten Sie auch von Ihren Erlebnissen berichten oder einfach Ihrem Ärger Luft machen? Wir freuen uns auf eine rege Diskussion!

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