VG-Wort Pixel

Familienministerin im Dialog mit ELTERN Manuela Schwesig: „Eine perfekte Familie ist die unperfekte Familie“

Manuela Schwesig und Marie-Luise Lewicki
© Gruner + Jahr
Berlin / Hamburg, 12. Oktober 2016 – Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig war gestern Abend zu Gast bei ELTERN im Dialog. ELTERN feierte sein 50. Jubiläum und hatte in die Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin eingeladen. Auf dem Podium sprach ELTERN-Chefredakteurin Marie-Luise Lewicki mit Manuela Schwesig darüber, wie ein gutes Familienleben in Deutschland heute und in Zukunft aussieht.

Artikelinhalt

„Zeit mit der Familie zu verbringen ohne berufliche oder private Verpflichtungen ist für mich das Schönste und Wichtigste, der einfache, schlichte Familienalltag,“ verriet die Ministerin. Den normalen Alltagswahnsinn kennt Schwesig jedoch wie alle berufstätigen Mütter: „Mit dem Glück ist oft der Stress verbunden und dieser Spagat lässt sich nicht auflösen. Aber neben finanzieller Unterstützung brauchen wir mehr gesellschaftliche Akzeptanz, wenn man sein Kind in die Kita gibt.“ In der gesellschaftlichen Debatte würden Frauen da sehr schnell in Schubladen gesteckt: „Statt sich und andere Familien zu vergleichen und einander zu bewerten, wünsche ich mir mehr Offenheit für die individuelle Art und Weise, in der Mütter und Väter ihr Familienleben gestalten.“

"Wer sagt eigentlich, dass nichts schief gehen darf?"

Nach dem Grund gefragt, warum junge Eltern heute oft so gestresst sind, plädierte die Bundesfamilienministerin für mehr Bereitschaft zu weniger Perfektionismus: „Die Eltern heute haben häufig den Anspruch, dass alles perfekt laufen muss und setzen sich damit enorm unter Druck. Aber wer sagt eigentlich, dass nichts schief gehen darf und man immer gut gelaunt sein muss? Die perfekte Familie ist doch die unperfekte Familie!“
 

"Es muss möglich sein, Arbeitszeit zu reduzieren ohne Nachteil für die teilzeittätigen Eltern.“

Druck erzeuge auch, wenn in Deutschland immer über Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie debattiert werde, als gäbe es nur ein Entweder/Oder: „Warum muss ich mich zwischen Beruf und Familie entscheiden? Warum geht nicht beides?" Das fragten sich Mütter und zunehmend auch Väter. ”Sie wollen beides, aber nicht mehr in Vollzeit arbeiten. Es muss möglich sein, Arbeitszeit zu reduzieren ohne Nachteil für die teilzeittätigen Eltern“. Dazu sei ein neues Bewusstsein nötig: „Unsere Arbeitswelt ist noch sehr starr, verlangt ständige Präsenz der Arbeitnehmer.” Ziel der Familienpolitik müsse es sein, das zu durchbrechen und auch andere Modelle als das herkömmliche zu unterstützen. „Zudem muss die Lohnlücke zwischen den Gehältern von Männern und Frauen geschlossen werden,“ so die Bundesministerin weiter, „damit nicht immer die Frauen diejenigen sind, die beruflich zurückstecken.“

„Für die Zukunft brauchen wir ein Steuerrecht, das Familien begünstigt."

Insgesamt sei dies auch eine Generationenfrage, die Väter von heute müssten ihren Kindern neue Familienmodelle vorleben. Die Politik wolle das durch die von Ministerin Schwesig vorgeschlagene Familienarbeitszeit, die mehr Gerechtigkeit in den Familien schaffen soll, unterstützen. Außerdem solle es bald mehr Unterstützung für Alleinerziehende geben, durch die Senkung des steuerlichen Entlastungsbetrags und die Zahlung des Unterhaltsvorschusses bis zum 18. Lebensjahr eines Kindes. „Für die Zukunft brauchen wir ein Steuerrecht, das Familien begünstigt. Dort, wo Kinder sind, muss die steuerliche Entlastung greifen”, sagte die Ministerin. Anders als die Koalitionspartner von der Union, sei sie auch für eine Abschaffung des Ehegattensplittings, das nur Verheiratete begünstigt – allerdings mit Vertrauensschutz für alle Paare, die heute davon profitieren.

Neu in Familie