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Laut Statistischem Bundesamt waren 63 Prozent der 3.744 Adoptionen in Deutschland im Jahr 2019 (Stand Mai 2021) Stiefkindadoptionen.
Die Lebenssituationen, in denen Paare über eine Stiefkindadoption nachdenken, können aber sehr unterschiedlich sein. Oft handelt es sich um Familien, in denen ein:e neue:r Lebenspartner:in die Mutter oder Vaterrolle übernehmen möchte und der andere leibliche Elternteil die Elternrolle nicht ausfüllen kann oder möchte. Aber auch Regenbogenfamilien sind betroffen.
Kein Wunder also, dass die aktuelle Gesetzeslage immer öfter überprüft wird. Denn bisher deckt sie nicht alle Lebenswelten gleichberechtigt ab. So ist die Stiefkindadoption bei Regenbogenfamilien beispielsweise oftmals noch der einzige Weg, eine gleichberechtigte Elternschaft zu ermöglichen. Aber dazu weiter unten mehr.
Stiefkindadoption: Was ist damit gemeint?
Wenn eine Person in Deutschland das leibliche oder adoptierte Kind seine:r Partner:in adoptieren möchte, kann er oder sie einen Antrag auf Stiefkindadoption stellen. Erst nach einer erfolgreichen Adoption hat diese Person schließlich die gleichen Rechte und Pflichten wie sein:e beziehungsweise ihr:e Partner:in. Dazu zählen dann zum Beispiel das elterliche Sorgerecht, die Unterhaltspflicht und das Erbrecht. Gleichzeitig ist die Stiefkindadoption für die meisten Familien nicht nur ein bürokratischer Schritt, der Rechte und Pflichten regelt, sondern eben auch ein emotionaler!
Welche Voraussetzungen müssen für eine Stiefkindadoption erfüllt sein?
Um überhaupt einen Antrag stellen zu können, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Was allerdings auffällt: Trotz gewisser Vorgaben spielt auch die individuelle Situation und das Ermessen der zuständigen Sachbearbeiter:innen eine Rolle. Im Vordergrund sollte laut Bundesfamilienministerium aber immer das Wohl des Kindes stehen.
- Das Mindestalter, um einen Antrag stellen zu können, liegt bei 21 Jahren.
- Der Altersunterschied zwischen minderjährigem Kind und adoptierenden Elternteil sollte 40 Jahre nicht überschreiten. Diese Empfehlung ist allerdings schon etwas veraltet und wird öfters ausgesetzt – solange der Altersunterschied nach Einschätzung des Jugendamtes dem Kindeswohl nicht entgegensteht.
- Der adoptierende Elternteil befindet sich in einer Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft mit dem gesetzlichen Elternteil des Kindes – und diese besteht seit mindestens einem Jahr.
- Das zu adoptierende Kind lebt seit etwa einem Jahr mit beiden Antragsteller:innen zusammen.
Wie läuft eine Stiefkindadoption normalerweise ab?
Zuständig für den Antrag auf Stiefkindadoption ist dein lokales Jugendamt. Es lohnt sich aber, zuvor ein Notariat mit dem Schwerpunkt Familienrecht aufzusuchen.
Damit der Antrag Aussicht auf Erfolg hat, müssen bei einer Stiefkindadoption grundsätzlich das Kind selbst (altersbedingt natürlich nicht immer zutreffend, zum Beispiel bei Babys und Kleinkindern) und seine derzeitigen leiblichen Eltern (falls zutreffend) einwilligen. Allerdings kann beispielsweise das Familiengericht eine verweigerte Einwilligung eines Elternteils in bestimmten Fällen ersetzen.
Grundsätzlich sind folgende Unterlagen bei Antragstellung erforderlich:
- Geburtsurkunde des zu adoptierenden Kindes
- Personalausweis der Antragstellenden
- Eheurkunde/ Lebenspartnerschaftsurkunde
- Einkommensteuererklärung
- Gesundheitszeugnisse von Antragstellenden und Kind
- Nachweis über das bisherige Sorgerecht
- Notariell beglaubigte Einwilligung der leiblichen Eltern
- Aufenthaltsbescheinigung der Antragsstellenden
- Polizeiliches Führungszeugnis (wird von der ausstellenden Behörde direkt an das Jugendamt übermittelt)
Übrigens: Notwendige notariell zu beglaubigende Kopien macht sich dein:e Notar:in vor Ort.
Was verändert sich durch das Adoptionshilfe-Gesetz von 2021?
Das Adoptionshilfe-Gesetz macht speziell bei der Stiefkindadoption eine individuelle Beratung vor der Adoption verpflichtend. „Nicht zur Beratung verpflichtet sind lesbische Paare, deren Kind in ihre bestehende Ehe oder verfestigte Lebensgemeinschaft hineingeboren wird und bei denen die Partnerin der Geburtsmutter das Kind im Rahmen einer Stiefkindadoption adoptiert“, so die Erklärung des Ministeriums.
Viele lesbische Paare sind aber nicht besonders glücklich mit der Regelung zur Stiefkindadoption. Denn auch wenn sie wohlüberlegt gemeinsam ein Kind bekommen, dann liegt das Sorgerecht für dieses Kind automatisch nur bei der gebärenden Mutter. Die nicht gebärende Partnerin muss also, um als Co-Mutter anerkannt zu werden, einen Antrag auf Stiefkindadoption stellen. Ein oftmals entwürdigendes Verfahren.
Die Initiative nodoption (siehe Quellen) hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, mit individuellen Prozessen die verschiedenen gerichtlichen Instanzen zu durchlaufen, umso final die abstammungsrechtliche Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht neu verhandelt zu sehen. nodoption über ihre Beweggründe: „Wir sind Familien, die als solche anerkannt werden wollen. Unsere Kinder sind in Beziehungen hineingeborene Wunschkinder. Wir lieben und umsorgen diese Kinder gemeinsam als Eltern und übernehmen für sie Verantwortung. Mit oder ohne Trauschein und trotz „Ehe für alle“: Unsere Kinder werden im Vergleich zu Kindern aus heterosexuellen Familien benachteiligt, da der zweite Elternteil sie erst adoptieren muss, um so rechtliche Absicherung zu schaffen. [...] Wir verweigern daher die Stiefkindadoption, wo es keine Stiefkinder gibt und fordern die Anerkennung unserer Elternschaft ab Geburt.“
Übrigens: Schwule Paare, die gemeinsam ein Kind adoptieren wollen, können dies inzwischen über einen Adoptionsantrag tun (auch vollwertige Adoption genannt). Vorher war es so, dass nur ein Partner das Kind adoptieren konnte. Der andere Partner musste dann anschließend einen Antrag auf Stiefkindadoption stellen. Diese Regelung fällt mit der „Ehe für alle“ also weg.
Fazit: Eine Stiefkindadoption ist mit vielen Gefühlen und Erwartungen unterschiedlicher Menschen aus verschiedenen Lebenssituationen verbunden. Ob es nun am Begriff selbst oder an der Gesetzeslage liegt – das Konzept ist nicht immer passend. Wer aber plant, ein Kind über dieses Verfahren zu adoptieren, lässt sich am besten zuvor in einem Notariat für Familienrecht beraten.
Quellen:
- Adoptionen und Sorgerecht. Statistisches Bundesamt, aufgerufen am 25.05.2021.
- nodoption: Elternschaft anerkennen, aufgerufen am 25.05.2021.
- Stiefkindadoption bei lesbischen Regenbogenfamilien. Lesben- und Schwulenverband, aufgerufen am 25.05.2021.
- Adoption des Stiefkinds. Rose & Partner, Rechtsanwälte und Steuerberater, aufgerufen am 25.05.2021.
- Neue Regelungen für Adoptionen in Kraft getreten. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 01.04.2021.