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Willkommen in der friesischen Karibik

„Hallo Tilda!“ begrüßt Sjirk Loogman unsere dreijährige Tochter, als wir den Feldweg entlang zum Hoftel laufen. Tilda ruft ein schnelles „Hallo“ zurück und rennt fröhlich quiekend an ihm vorbei direkt in die Tenne, das Herzstück des Hoftels, um direkt, wie sie sagt, „loszuspielen“. Dann kommt der Inhaber mit breitem Willkommensgrinsen auf uns zu und schüttelt uns die Hände: „Schön, dass ihr wieder da seid!“
Seit wir im Herbst das erste Mal auf Föhr und auch das erste Mal im Hoftel – einem ehemaligen Bauernhof, der 2014 zu einem wunderschönen Familienhotel im skandinavischen Stil umgebaut wurde – waren, steht fest: Wir kommen wieder. Zum einen, weil wir uns regelrecht ins Hoftel verliebt haben, zum anderen aber auch wegen Föhr selber: Die nordfriesische, gerade mal knapp 83 km² große Insel, die von Touristen liebevoll auch als friesische Karibik bezeichnet wird, macht ihrem Namen alle Ehre: Kilometerlange weiße Puderzuckersandstrände , umsäumt von seichten Dünen, die uns den Alltag im Nu vergessen lassen. Dazu die klare, salzhaltige (Nord-)Seeluft und eine himmlische Ruhe, die nur vom leichten Meeresrauschen unterbrochen wird. Perfekt, für unsere konstant von Lärm und Großstadtleben gestressten Seelen!
Mit der Fähre in Richtung Glück

Jetzt sind wir also wieder in Mission Entschleunigung unterwegs. Und die startete bereits auf der knapp einstündigen Fährfahrt, die vom nordfriesischen Örtchen Dagebüll nach Wyk auf Föhr führt: Während ich oben auf dem Sonnendeck stehe, summe ich leise das gleichnamige Lied von PeterLicht vor mich hin und schaue in die von Wasser umgebene Ferne. Dass der Himmel grau und die Sicht, nun ja, eher so geht so ist?
Egal. Ich bin bereit für die Auszeit. Als wir im Hoftel ankommen, klart der Himmel plötzlich auf. Ein Phänomen. Immer, wenn wir hier sind, scheint die Sonne. Das breite Lächeln von AnneClaire, der guten Seele des Hoftels, vertreibt einfach alle Wolken. „Kommt schnell rein, es gibt frischen Kuchen und Kaffee!“ lächelt die Ehefrau von Sjirk meinen Mann und mich an. Tilda ist längst drinnen und hat sich, wie ich durch die großen Fensterscheiben der Tenne beobachte, Kuchen und Fruchtschorle gegriffen. Wir begrüßen die anderen Gäste, alles Teilnehmer des Yoga-Retreats mitsamt Kindern, und lassen es uns schmecken.
Familienhotel mal anders

Bis zur ersten Yogastunde am Abend sitzen wir da, klönen, trinken Kaffee und schauen unseren Kindern dabei zu, wie sie wahlweise mit fröhlichen Gesichtern und ohne uns Eltern wahrzunehmen, durch die Tenne toben oder alternativ dank der wunderschönen und sorgsam von AnneClaire ausgewählten Spielsachen in eine Fantasiewelt abtauchen. Denn das Hoftel ist anders als klassische Familienhotels.
Anders als die Herbergen, die zumindest mich mit Schaudern an animierte, volle und überlaute Kinderclubs von Zimmerbunkern erinnern, in denen pausenlos die Glotze läuft und das absolute Highlight defekte, abgenutzte und schmierige Plastikspielsachen sind, an denen bruchstückenhaft Mahlzeiten der gesamten Feriensaison kleben, schaffen es in die Tenne des Hoftels ausschließlich sorgsam ausgesuchte Spielsachen. Fernseher gibt’s hier, by the way, nicht einen. Auch nicht auf den insgesamt 14 Doppel- und Familienzimmern. „Wir wünschen uns, dass die Familien ihre Zeit miteinander verbringen – statt nebeneinander.“ so AnneClaire. Finde ich gut, während ich Tilda eines der wunderschönen Bücher aus der kleinen Bibliothek vorlese und mir die ISBN notiere. Gründe, neue und tolle Bücher zu kaufen, gibt es schließlich immer und mehr als genug.
Namasté!

Dann ist es so weit: Diana, die herzliche Yogalehrerin von Makai Surfyoga, erwartet uns im Kursraum. Die Kids dürfen mit – müssen es aber natürlich nicht. Tilda beschließt nach den ersten zehn Minuten, dass sie lieber zurück in die Tenne möchte, spielen, während ich im herabschauenden Hund mit meiner Atmung kämpfe. Eigentlich bin ich gut in Form. Dachte ich zumindest im Vorfeld.
Täglich düse ich mit dem Rennrad durch den Hamburger Gegenwind in die Redaktion, bin viel unterwegs und eigentlich immer in Bewegung. Und trotzdem merke ich die positive Anstrengung. Die Tür zum Kursraum geht wieder auf, Frollein Mini-me kommt zurück, sieht mich und lacht laut: „Mama, du hast einen ganz roten Kopf. Schwitzt du etwa?“ Ich würde am liebsten losprusten, während meine linke Hand in der Katzenposition nach meinen linken Fuß greift. Aber das würde alles nur noch anstrengender machen. Also bleibe ich standfest, und wahrsten Sinne des Wortes, – und schwitze weiter vor mich hin. Und das tut gut. Verdammt gut. Tilda setzt sich hinter meine Yogamatte, knabbert Apfelchips und beobachtet mich wie ein seltenes Tier im Zoo.
Perfekt gelaunt auf die Matte

Als ich mich nach dem gemeinsamen Abendessen ins Bett kuschele – Mann und Kind sind längst ins Land der Träume gereist – greife ich nach einem Buch. Doch schon während der ersten Sätze schlummere ich im schummerigen Bettlampenlicht ebenfalls weg. Die Betten sind einfach zu gemütlich. Und dazu diese himmlische Ruhe... Von den Eltern in den Nachbarzimmern ist auch nicht ein Tönchen zu hören. Herrlich!
Wir drei schlafen wie Steine – und wachen erst am nächsten Morgen auf, als uns die Sonne durch die Jalousien ins Gesicht scheint. Ich öffne die Fenster und atme die kalte Landluft tief ein. Jetzt bin ich wach! Tilda springt aus dem Bett und will noch im Pyjama den Flur entlang in Richtung Tenne laufen, wo bereits das Frühstücksbuffet auf Groß und Klein wartet. Mit viel Überredungskunst schaffe ich es, sie doch noch zum Anziehen zu bewegen. Dann stärken wir uns an den langen Tafeln bei regionalen und vielen Bio-Leckereien, bevor es für mich zur nächsten Yogastunde geht. Wir Teilnehmerinnen starten bestens gelaunt in den sonnigen Tag – alle mit einem handfesten Muskelkater im Gepäck. Beruhigend zu wissen, dass nicht nur ich die Nachwirkungen vom gestrigen Tag zu spüren bekomme. Dabei war’s doch gar nicht sooo anstrengend?!
Fast wie in der Karibik

Weil der Himmel absolut wolkenlos ist und die Sonne wirklich alles gibt, entscheiden Töchterchen, Mann und ich uns dazu, uns nach der Yogastunde und dem gemeinsamen Mittagessen eines des Lastenbikes vom Hoftel zu leihen und in Richtung Strand zu radeln. Gemütlich cruisen wir mit Tilda im E-Bike durch Nieblum über kleine Kopfsteinpflastergassen vorbei an pittoresken Reetdachhäusern.
Gefühlt halten wir an jeder einzelnen Weide mit gemütlich vor sich hin grasenden Pferden, schließlich "müssen" (O-Ton) diese gestreichelt werden, bis wir unser Ziel erreichen: den kilometerlangen, wunderschönen Strand. Wir suchen Muscheln, schauen auf die unendlichen Weiten des Meeres, denken an, ja, hm, eigentlich: nichts, und lassen uns nach einem laaangen Spaziergang lächelnd in den Sand plumpsen. Nie, wirklich nie, habe ich mich so schnell großstadtentschleunigt gefühlt wie in diesem Moment. Vor lauter Euphorie werde ich fast übermütig und will meine nackten Füße in den Sand halten.
Stoff für die Seele

Voll Sonne im Herzen schwingen wir uns schließlich wieder aufs Rad. Diana wartet schon im Kursraum auf uns Mütter zur allabendlichen Yogastunde. Heute im Mittelpunkt steht die Hüfte. Eine Körperregion, die definitiv nicht zu meinem persönlichen Highlights zählt, sondern einfach irgendwie nur da ist. Abends im Bett werde ich melancholisch und denke viel nach. Auch bzw. ganz besonders über Vergangenes.
Grübelnd schlafe ich ein und träume so wirres Zeug, dass ich mich am nächsten Morgen erst einmal kurz orientieren muss, wo ich bin. Und wer ich bin. Den anderen Müttern ging’s ähnlich. Diana lüftet das Geheimnis: Die Hüftregion steht im Yogischen für das Emotionale. Tiefe Gefühle können durch Asanas wie Taube, Schmetterling & Co. wie aus dem Nichts wieder hochkommen. Ah! Damit wir heute „wie auf Wolken durch den Tag schweben“, stehen jetzt die Faszien auf der Agenda. Schon als das Wörtchen „Dehnen“ fällt, läuft’s mir eiskalt den Rücken runter. Nach dem Training besiegelte die warme Dusche bei mir bis dato stets den Trainingsabschluss. Ums Dehnen habe ich mich immer erfolgreich gedrückt. Die Folgen merke ich jetzt: Meine Muskeln sind verkürzt. Ich fühle mich alt und ungelenkig. Macht aber nichts, jeder gibt so viel, wie er bereit ist, zu geben. Bei mir ist’s entsprechend wenig. Trotzdem (oder gerade deshalb?) fühle ich mich nach der Stunde wirklich leichter – und schwinge mich wohlig vor mich hin lächelnd aufs Rad, um zum Rest der Familie zu radeln, der gerade über den am wunderschön in Nieblum am Strand gelegenen Spielplatz tobt. Auch eine Art von Workout.
Time to say good bye...

Am Abend und nächsten Morgen warten die beiden letzten Yoga-Sessions auf uns Mütter. Und insbesondere am Sonntagmorgen, als Diana ein letztes Mal die Tür zum Kursraum aufschließt, überkommt uns alle ein wenig Wehmut. Es war doch so schön – und jetzt soll schon wieder alles vorbei sein? Zur Entschädigung frühstücken wir alle extralange. AnneClaire und Sjirk gesellen sich zu uns.
Gemeinsam trinken wir Kaffee und lassen die vergangenen vier Tage Revue passieren. Die beiden schaffen es immer wieder, eine perfekte Mischung aus Dasein und In-Ruhe-lassen zu schaffen: Immer wenn benötigt sind sie sofort zur Stelle – aber ohne dabei jedoch aufdringlich zu sein. Wehmütig packen wir unsere Sachen, genießen noch einmal, ein letztes Mal, die himmlische Ruhe und verabschieden uns. „Bis zum nächsten Mal!“ ruft Tilda. Sie weiß, dass wir wieder kommen werden. Recht hat sie. Denn zum Glück finden die Yoga Insel Retreats regelmäßig – aktuell zweimal im Jahr – statt. Und auch sonst ist das Hoftel immer eine Reise wert. Sagt auch Fräulein Mini-me!