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Rabenmutter 2.0 Ich diskutier doch nicht mit 2-jährigen! Oder?

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© LÄCHELN UND WINKEN

Bevor ich selbst Mutter wurde, wusste ich – wenig überraschend – ALLES über Kindererziehung! Außerdem hatte ich eine (möglicherweise etwas) selbstherrliche Vorstellung davon, wie unerschütterlich konsequent ich die Liste meiner Ideale umsetzen würde. Und das natürlich ganz unabhängig davon, ob es sich um die positiven (was mache ich auf JEDEN Fall) oder die negativen (was mache ich NIEMALS!) handelte. Ganz oben auf meiner Liste der Dinge, die ich definitiv NIEMALS machen würde, stand: Diskutieren mit einem Kleinkind. DAS würde es bei mir definitiv nicht geben, sagte ich mir immer, wenn ich dabei zusehen musste, wie Mamis aus meinem Freundeskreis an ihren 2-jährigen zu scheitern drohten, weil sie den kleinen Frechdachsen doch tatsächlich Mitspracherechte einräumten, wo meiner Meinung nach keine hingehörten, oder weil sie sich von ihrem Nachwuchs regelrecht zum Affen machen ließen, weil sie einfach nicht konsequent durchgriffen. „Ich werde doch nicht mit meinem Kleinkind darüber diskutieren, ob es jetzt Schuhe anzieht oder nicht. Wenn wir rausgehen wollen, entscheide ICH als Mutter, dass das Kind Schuhe anzieht und dann wird es auch so gemacht. Sofort. Und ohne langes Gequatsche. Basta!“ erklärte ich damals einer ebenfalls noch kinderlosen Freundin und wurde dafür mit zustimmendem Nicken belohnt.

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Wenn ich heute an diesen Moment der felsenfesten Überzeugung meinerseits denke, muss ich über mein früheres Ich lächeln ... na gut, schallend lachen trifft es vielleicht besser. :D
 
Vorweg sei gesagt: Grundsätzlich finde ich die Idee, sich (bzw. mich) NICHT ständig mit Mini-Menschen auf Diskussionen einzulassen, immernoch so richtig spitze. Schon allein deshalb, weil 2-jährige doch eigentlich noch nicht einmal über einen ausreichend großen Wortschatz verfügen, um als ernstzunehmender „Gegner“ (geschweige denn als GEWINNER) einer Diskussion in Frage zu kommen. (Mein Ego schüttelt schon allein bei dem Gedanken den Kopf!) Nichtsdestotrotz finde ich mich aktuell immer öfter in dieser auf meiner Erziehungs-No-Go’s-Liste ganz oben stehenden Situation wieder. Und – das gebe ich besonders ungern zu – ich ziehe bei weitem nicht so oft als Sieger von dannen, wie ich meiner Meinung nach sollte. Woran das liegt? Im Gegensatz zu meinem früheren Ich, dass sich so irre gut mit Kindern auskannte und zu jedem Thema eine Kiste voller brillanter, pädagogisch wertvoller Ratschläge parat hatte, habe ich jetzt TATSÄCHLICH ein Kleinkind, dass mich jeden Tag (heraus-)fordert, sich seine niedlichen Milch-Teufels-Hörnchen an mir und meinen Idealen abstoßen will und zudem täglich ungefähr eine Trillion mal so viel Energie zur Verfügung hat, wie ich – selbst wenn ich mal mehr als 6 Stunden am Stück geschlafen haben sollte. (Echt jetzt: Die Natur ist ein Monster! Voll ungerecht manchmal!!!)
 
Dabei hat die kleine Madam eigentlich ja nur einen Vorteil auf ihrer Seite: Selbstvertrauen! Irgendwer (ich schaue jetzt niemanden an ... weil ich keinen Spiegel zur Hand habe) hat diesem putzig aussehenden Gewitterzwerg ein aktuell kaum zu erschütterndes Selbstvertrauen eingepflanzt. Eigentlich finde ich das ja auch gut und völlig richtig! Ich liebe es abgöttisch, meine kleine Madam mit dem ihr eigenen Stechschritt über einen Spielplatz marschieren zu sehen, ihr Ziel (eine Rutsche oder ein Klettergerüst für Große) fest im Blick und die Sicherheit ausstrahlend, dass sie alles schaffen kann ... notfalls mit Mamis Hilfe. ;) Etwas weniger bezaubernd finde ich es allerdings, wenn sie mit diesem Selbstvertrauen gegen mich antritt. Sooooo haben wir nicht gewettet, junge Dame!
 
Zum Beispiel bei dem Thema, dass für mich FRÜHER so easy zu Händeln war – also zumindest theoretisch: Schuhe.
 
Ich (mit den Winterstiefelchen wedelnd): „Komm, wir ziehen Schuhe an und gehen raus!“
Kind (vor dem Schuregal stehend und auf die warum auch immer heißgeliebten Gummistiefel zeigend): „Nein, die!“
Ich: „Schatz, es regnet doch gar nicht. Die Sonne scheint sogar. Du brauchst jetzt keine Gummistiefel. Wir ziehen die warmen Schuhe an.“
Kind (schüttelt wie irre den Kopf und brüllt): „NEIN! DIE! HABEN WILL!“
Zu diesem Zeitpunkt startet in meinem Kopf automatisch mein Mami-Mantra: DU bist hier der Boss! DU entscheidest. Bleib STARK!
*Durchatmen*
Und weiter...
Ich: „Süße, du ziehst jetzt die warmen Schuhe an. Ich diskutier das nicht.“ Kurz bin ich stolz auf mich ;) .
Ihrem Gesichtsausdruck, dem ausgestrecktem Arm und dem Finger, der immernoch auf die Gummistiefel zeigt nach zu urteilen, ist sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt von meiner festen Stimme. Damit zwingt sie mich, meine Ich-bin-aber-Stärker-als-du-Karte auszuspielen und ihr trotz heftiger Gegenwehr das von mir gewählte Schuhwerk anzuziehen. Ich gewinne, aber ich fühle mich mies dabei. Ist doch Mist!
 
Beim Zähneputzen gewinne ich aktuell etwas angenehmer – zumindest in Runde 1:

Ich: „So, Süße, wir putzen jetzt die Zähne. Mama auch. Los geht’s.“
Sie: „Nein!“ Lacht und rennt weg.
Früher bin ich ihr gefolgt, jetzt warte ich – aus Cleverness oder Faulheit oder einer Mischung aus beidem – einfach ab. Denn dass Mama OHNE sie Zähne putzt, will Madam auch nicht. Also kommt sie irgendwann freiwillig wieder angeschlichen, klettert auf ihren Hocker und nimmt wortlos ihre Zahnbürste entgegen. Runde 1 geht damit – ziemlich locker gespielt – an... *trommelwirbel* ... MAMAAAA :D

Runde 2 macht dann allerdings schon wieder weniger Freude:
 
Ich: „Das hast du schon total super gemacht! Nur zur Sicherheit putze ich jetzt noch schnell etwas nach!“
Sie brüllt: „Nein! Fertisch!“ und versucht wieder auszubüchsen.
Ab hier hilft bei uns – wie in den meisten anderen Familien, die ich dazu befragt habe – gutes Zureden leider gar nicht mehr. Die „Diskussion“ muss wieder durch ein körperliches Kräftemessen an der Kinderzahnbürste entschieden werden und endet damit unangenehm für beide Parteien, wenn auch erfolgreich für die Zähne.
 
Ach, ich wusste schon, warum ich das früher so verabscheut habe und mich auf derlei Spielchen nie einlassen wollte. Das Ding ist nur: Kinder entwickeln UNGEFRAGT einen eigenen Willen. Und der passt offenbar gerade in der (Selbst-)Findungsphase nur sehr selten (NIE!) zu Muttis „Vorschlägen“!
 
Richtig ätzend wird es aber ja erst, wenn sich derlei „Meinungsverschiedenheiten“ in der Öffentlichkeit abspielen – vor den Augen von möglichst vielen selbsternannten Profi-Pädagogen. ICH HASSE DAS!!! Ganz besonders, weil ich es so ungeheuer schwierig finde, wie eine einigermaßen kompetente Mutter zu wirken, wenn mein Kind (aus Ermangelung von Alternativen) in erster Linie die Worte ja, nein und AUAAA zu seiner verbalen Verteidigung einsetzt. Das hat schon oft zu sehr unschönen Momenten geführt, die ich daher natürlich gerne zu vermeiden versuche. Eine Schwachstelle, die meine Tochter riecht und nutzt:
 
Ella (deutet auf eine bunte Schoko-Eule): „Ohhhh, schöööön!“
Ich: „Nein, Schatz, wir haben noch so viel Schokolade zuhause, da brauchen wir nicht noch mehr. Komm wir gehen.“
Ella (bewegt sich keinen Zentimeter, zeigt wieder auf die Schokolade und lächelt zuckersüß): „Eule für Ella?“
Ich: „Nein, echt nicht. Komm, wir gehen jetzt!“
Ella (lächelt immernoch): „Eins?“
Aha, sie will verhandelt. Cleveres Kind! Trotzdem will ich die verdammte Eule nicht kaufen. Eigentlich. Doch wenn ich jetzt wieder ablehne, wird sie sich schneller auf den Boden werfen, schreien und weinen, als hätte ich ihr den Arm ausgerissen, als ich bis drei zählen kann. Und schon jetzt spüre ich die auf mich gerichtete Augenpaare von mindestens 5 älteren Damen (die definitiv bereits in ihren Erinnerungen nach unschlagbaren Erziehungs-Tipps aus den 50ern kramen) und einem Mitarbeiter (der meinem Kind motivierende Blicke und ein unmerkliches Nicken schenkt. Würd wohl gern mehr als eine Eule in meinem Einkaufswagen sehen! Penner!). Daher ...
Ich (tief seufzend): „Na gut, aber echt nur eine!“
FUCK! Verloren! Und nicht nur eine „Runde“, sondern unzählige! Denn es geht nie um nur EINE Eule! Kleinkinder sind schließlich nichts anderes als Miniatur-Anwälte in Windeln, die aus jedem Moment der Mutti-Schwäche einen Präzedenzfall machen, den sie ständig wieder aus dem Ärmel schütteln. Ich weiß das so genau, weil mir exakt DIESES Vorgehen mein gemütliches Wickeln am Wickeltisch versaut hat!
(Ich erinnere mich nur nicht immer rechtzeitig daran L )
 
Ein einziges Mal habe ich nachgegeben und sie ihrem Wunsch entsprechend auf dem Spielteppich gewickelt, weil ich zu müde und erschöpft war, um noch weitere 20 Minuten Ja/Nein-Diskussion zum Thema Pupu-Windel wechseln über mich ergehen zu lassen. Auf Kräftemessen hatte ich auch keinen Bock mehr. Also ...
Tja, und seit dem ist es Aus mit dem gemütlichen Wickeln auf dem dafür vorgesehenen Möbelstück. Die kleine Madam rennt so lange weg, brüllt rum, weint oder lacht mich einfach aus, bis ich sie sonst wo wickle. Nur eben der Tisch darf’s nicht mehr sein. (Hoffentlich mache ich solche Fehler nicht mehr, wenn sie bereits aufs Klo geht!!!!)
 
Ja, ich weiß. Ich bin es größtenteils selber schuld. Ich sollte strenger sein. Konsequenter. Mir nicht von der Mausemaus auf der Nase rumtanzen lassen. Grenzen ziehen. Weil Kinder Grenzen brauchen. Usw. Bla bla bla. JA, ICH WEIß!
ABER ... während eines normalen 24 Std Tages mit einem Kleinkind gibt es so endlos viele Situationen, die großes Potenzial für Auseinandersetzungen bzw. Diskussionen bergen (z.B.: Matschhose an- oder ausziehen, links abbiegen anstatt rechts, Straße überqueren oder nicht, Spielsachen von ANDEREN Kindern, Essen im Allgemeinen, in den Kinderwagen setzen, aus dem Kinderwagen aussteigen etc. – die Liste lässt sich unendlich weiterführen), dass man als Mutter – mir geht’s jedenfalls so – einfach irgendwann keine Kraft mehr hat. Naja, kack drauf. Kinder müssen ja auch lernen zu gewinnen, oder? Ist pädagogisch gesehen sicher genauso wichtig, wie die Nummer mit den Grenzen. Oder? ODER???
 
PS: Für Ellas Pubertät such’ ich mir eine Selbsthilfegruppe und einen Personal-Pädagogik-Trainer – das steht schon mal fest! :D

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