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Intergeschlechtlichkeit Was steckt hinter dem dritten Geschlecht?

Intergeschlechtlichkeit: Was bedeutet das eigentlich?
© Fabián Montaño / Adobe Stock
Bei der Frage nach dem Geschlecht gab es lange Zeit nur eine Meinung: männlich oder weiblich. Doch was bedeutet es eigentlich, intergeschlechtlich zu sein?

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Über das dritte Geschlecht wird in Deutschland viel gesprochen. Ausschreibungen für Stellen werden mit männlich (m), weiblich (w) und divers (d) bei den Geschlechtern angegeben. Doch was verbirgt sich dahinter?

Intergeschlechtlichkeit: Was steckt dahinter?

  • In erster Linie sind es inter Menschen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie von Geburt an mit angeborenen Genitalien/Geschlechtermerkmalen leben, die eine eindeutige Zuordnung in männlich und weiblich nicht zulassen.
  • Oft bezeichnen sich diese Menschen selbst als intergeschlechtlich. Aber auch negative Begriffe wie Zwitter (häufig als Schimpfwort empfunden) werden von manchen als positive Selbstbezeichnung verwendet. Manche inter Menschen stellen auch erst während der Pubertät oder der finalen Geschlechtsentwicklung fest, dass ihr Körper und ihre Geschlechtsorgane nicht dem Geschlecht entsprechen, das sie eigentlich leben oder fühlen. Es kann also auch nach der Geburt noch körperliche Transformationen geben.
  • In der Praxis kann sich Intergeschlechtlichkeit so ausdrücken, dass zum Beispiel sowohl Eierstöcke als auch Hoden vorhanden sind (eher selten). Die Genitalien sind meistens in einer Mischform zwischen männlich und weiblich ausgeprägt.

Transgeschlechtlichkeit: Abgrenzung zu nicht-binär

  • Transgeschlechtlich/nicht-binär: Sind Begriffe, die viele Geschlechtsidentitäten beschreiben. Zum Beispiel Menschen, die sich mit dem ihnen zugewiesenen Geschlecht nicht gut fühlen bzw. eine eindeutige Einteilung ablehnen. Manche inter Menschen fallen in diese Kategorie.
  • Transident: Transidente Menschen sind von Geburt aus klar als männlich oder weiblich beschrieben, fühlen sich jedoch dem jeweils gegenteiligen Geschlecht zugehörig.

Intergeschlechtlich: Begriffe und Syndrome

Für die Bestimmung der Intergeschlechtlichkeit müssen Hormone und Gene mittels Blutuntersuchungen überprüft werden. Meist sind es Gendefekte, die eine klare Einteilung der Chromosomen in XX (Frau) oder XY (Mann) verhindern. Da diese bei unauffälligem Aussehen nicht routinemäßig nach der Geburt festgestellt werden, kommt es oft vor, dass bei manchen Menschen Intergeschlechtlichkeit erst viel später festgestellt wird.

Insgesamt gibt es sehr viele Ausprägungen und Syndrome von Intergeschlechtlichkeit, daher stellen wir in Kürze nur zwei bekannte Merkmale vor.

  • AGS: Das Adrenogenitale-Syndrom ist am weitesten verbreitet. Dabei weisen die Babys zwar weibliche Chromosomen auf, gleichzeitig kommt es aber zu einer verstärkten Produktion von Adrogenen, wie etwa Testosteron. Wenn keine Behandlung erfolgt, kommt es mit der Zeit zu einem Vermännlichen der äußeren Geschlechtsmerkmale.
  • AIS: Das Androgenresistenz-Syndrom zeichnet sich dadurch aus, dass Betroffene mit männlichen Chromosomen geboren werden, jedoch der Körper die ausgeschütteten Androgene zumindest teilweise nicht annimmt. In der Folge können die Genitalien weiblich erscheinen und da sich die Hoden im Inneren befinden, werden die "Mädchen“ oft erst in der Pubertät überrascht, wenn die Menstruation ausbleibt.

Intergeschlechtliche Menschen möchten mit Begrifflichkeiten wie "Syndrom" oder "Defekt" nicht als krank angesehen werden, da sie nicht in jedem Fall behandelt werden müssen. Vielmehr kann von einem natürlichen Charakteristikum gesprochen werden. Inter bedeutet zwischen zwei oder mehreren Merkmalen und ermöglicht schlichtweg neue Informationen – keine Krankheiten.

Häufigkeit der Intergeschlechtlichkeit

Bei Intergeschlechtlichkeit handelt es sich nicht um eine medizinische Diagnose, da es sehr viele verschiedene Ausprägungen und Ursachen gibt. Es ist daher auch schwer messbar, wie viele inter Menschen es ungefähr gibt. Laut Schätzungen des Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalts ist von 1.000 Kindern etwa eine halbe bis eine Person betroffen. Das Bundesverfassungsgericht führt dagegen eine Ratio von 500:1 an.

Intergeschlechtlichkeit: Umgang und Geschlechtereintragung

  • Gerade für Eltern kann der Umgang mit einem intergeschlechtlichen Kind eine Herausforderung sein. Für eine lange Zeit haben Ärzt:innen den Eltern empfohlen, sich frühzeitig im Kindesalter für Operationen und Eingriffe und damit auch für die klare Festlegung auf ein Geschlecht zu entscheiden. Das hing natürlich auch damit zusammen, dass gesetzlich bereits in der ersten Woche nach der Geburt mit dem Geschlechtseintrag eine Einteilung in männlich oder weiblich verlangt wurde.
  • Seit 2019 ist das sogenannte dritte Geschlecht laut Personenstandsgesetz akzeptiert und inter Menschen können sich unter der Bezeichnung "divers" eintragen lassen. Demzufolge ist auch der Druck nicht mehr so hoch, die viel kritisierten Operationen verfrüht durchzuführen. So können die Kinder später selber entscheiden, ob sie sich einem Geschlecht zugehörig fühlen oder ihre Rolle als inter Person in der Gesellschaft und im Alltag leben möchten. 

Auch bei der sexuellen Orientierung gibt es viele Formen. Hast du dich schon mal gefragt: Was ist pansexuell? Oder was ist Sapiosexualität? Zu guter Letzt verraten wir dir auch noch den Unterschied zu demisexuell.

Verwendete Quellen:

  • Intersexualität/Intergeschlechtlichkeit, uni-paderborn.de, Stand April 2022
  • Intersexualität, ethikrat.org, Stand März 2022

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei Brigitte.de

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