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Später, nachher, morgen, nie? Wie ich ständig meine Kinder vertröste

Kolumne: Lieber echt als perfekt / Wie ich meine Kinder vertröste
© BIGANDT.COM/shutterstock
In dieser Woche plagt sich unsere Autorin Lea Kästner mit ihrem schlechten Gewissen herum. Immer wieder vertröstet sie ihre Kinder, wenn diese etwas mit ihr machen möchten. Kann das gut sein? Und vor allem: Muss das wirklich so sein?

0 Uhr 49, ich liege immer noch wach und meine Gedanken beginnen zu kreisen. Was liegt morgen früh an? Die Tochter muss ihre neuen Hausschuhe mit in die Schule nehmen und der Sohn darf seine Schwimmsachen nicht vergessen. Seine Badehose hängt noch im Keller zum Trocknen. Ach ja, und da wäre noch das Geschenk, das er morgens schon mitnehmen muss, weil sein Freund direkt nach der Schule Geburtstag feiert. Mist, heute am Nachmittag wollte er mit mir doch noch eine Tüte für das Geschenk basteln! Genau an dieser Stelle krampft sich mein Magen zusammen und ein schwerer Stein scheint sich auf meiner Brust breitzumachen. Ich hatte nur „jetzt nicht, das machen wir später“ gebrummelt, weil ich gerade dabei war, mich durch einen Wäscheberg zu kämpfen. Danach hatte ich seinen Wunsch wohl einfach vergessen. Er auch? Oder hatte er sich nur nicht mehr getraut, mich zu fragen? Er war doch so enthusiastisch und hatte sich gefreut, mir seine Ideen für die Geschenkverpackung zu zeigen. War er enttäuscht und traurig? Puuuhhh, jetzt kriege ich kein Auge mehr zu. Ich habe ein schlechtes Gewissen und mein Herz wird schwer.

Nachher, ok?!

Dass ich so nachts wach liege, ist keine Seltenheit. Vorgestern Nacht fiel mir ein, dass meine Tochter mit mir eine Führung durch ihre Playmobil-Villa machen wollte. Alles war von ihr vorbereitet. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass sie sogar die Wände mit gemalten, bunten Minibildchen tapeziert hatte und die Playmo-Familie offensichtlich gerade eine coole Pool-Party mit vielen Gästen schmiss. „Nachher, ok?!“ war meine Antwort. Ich sortierte gerade Altkleider aus und wuchtete einen schweren Sack durch den Flur. Später war die Villa vergessen. Und auch das Batik-Set, das ich eigentlich für einen Sommerferien-Tag besorgt hatte, liegt seit Wochen auf dem Küchentisch. „Mama, wann machen wir das denn nun eigentlich endlich?“

Mir ist klar, dass kaum eine Mutter ununterbrochen mit ihren Kindern auf dem Boden herumrobben und spielen kann. Wir haben so viel, um das wir uns kümmern müssen. Doch dass es mir auch zwischendurch oft so schwerfällt, mich mal spontan von meinen Pflichten loszureißen, um meinen Kindern ein paar Minuten ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, wurmt mich schrecklich.

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Welche Priorität haben meine Kinder?

Natürlich müssen Kinder auch lernen, dass sich die Welt nicht nur um sie dreht. Dass Mama und Papa arbeiten müssen, dass gekocht, Wäsche gewaschen, die Klospülung repariert oder die Betten gemacht werden müssen. Doch was sollen sie aus meinem Verhalten und der Tatsache, dass ich oft nicht auf ihre Wünsche und Anfragen zurückkomme, lernen? Etwa dass sie in meiner Prioritätenliste ganz unten stehen? Dass sie unwichtiger sind als vermeintlich superdringende Hausarbeiten? Oder – ganz schlimm –, dass man sich auf mich oder Erwachsene im Allgemeinen nicht verlassen kann? Wenn ich „später“, „nachher“ oder „morgen“ sage, hören sie inzwischen vielleicht nur noch „nein“ oder "nie"?

Und wenn ich dann so daliege, denke ich oft daran, dass sich alles verändern wird. Es werden Zeiten kommen, in denen die Kinder lieber für sich sein wollen und Mamas Aufmerksamkeit vielleicht sogar unangenehm oder nervig ist. Zeiten, in denen sie nicht mehr morgens zu uns ins Bett kriechen und nicht mehr wollen, dass wir neben ihnen sitzen, wenn sie ein Bild malen. Und ich weiß jetzt schon, dass ich es vermissen werde, meinen Kindern so nah zu sein und ihre kindlichen Bedürfnisse so unkompliziert und einfach befriedigen zu können. Dann werde ich mit Sicherheit bereuen, dass ich sie so oft vertröstet habe. Wäscheberge, ungemachte Betten oder kaputte Klospülungen wird es dagegen, man muss der schlimmen Tatsache ins Auge blicken, vermutlich bis an mein Lebensende geben. Diese Dinge sind geduldig, werden nicht erwachsen und selbstständig (schade!).

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Es muss anders werden

Und mal wieder schwöre ich mir: Morgen werde ich eine Pause einlegen, wenn meine Tochter fragt, ob wir kurz kuscheln können. Und wenn ich gerade bis zum Hals in irgendwelchem Papierkram stecke – egal. Der wird auch zehn Minuten später noch da sein und sich nicht enttäuscht fragen, warum ich das Abheften auf nachher verschiebe. Dann werde ich kuscheln was das Zeug hält und lieber diesen Moment in meiner Erinnerung abheften – für später, wenn ich kuscheln möchte, aber sie nicht. So als eine Art Eltern-Altersvorsorge vielleicht und auch als ein gutes Rezept, wieder besser schlafen zu können.

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