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In Sachen Mutter-Sohn-Beziehung gibt es genau ein Extrem, das immer und immer wieder kritisiert wird: Eine Mutter, die eine tiefe, emotionale Bindung zu ihrem Jungen pflegt, verhindert, dass er zu einem starken, unabhängigen Mann heranwächst. Wenn sie sich gegen die Abnabelung ihres Sohnes stellt, schafft sie ein abhängiges, unangepasstes Muttersöhnchen. Das Problem an der ganzen Sache: Es ist nicht wahr. Verschiedene Studien und Beobachtungen haben dies im Laufe der letzten Jahrzehnte bewiesen.
Wie also sieht eine gesunde Mutter-Sohn-Beziehung aus? Warum ist sie so wichtig, wie gelingt sie und was sind die Folgen, wenn die Bindung zwischen Mutter und Sohn gestört ist?
Warum ist die Mutter-Sohn-Beziehung so wichtig?
Der Einfluss von Müttern auf ihre Söhne ist so groß, dass die Art und Weise, wie sich die Jungen später im Leben verhalten, auf die Beziehung zu ihrer Mutter zurückzuführen ist. Natürlich liegt nicht die komplette Verantwortung bei der Mama – auch der Papa oder andere Lebensumstände können die Entwicklung des Sohnes beeinflussen. Trotz allem ist die Beziehung zwischen Mutter und Sohn nicht zu unterschätzen. Von der Geburt an bis ins Erwachsenenalter pflegen Kinder eine tief verwurzelte Bindung zu ihrer Mutter – selbstverständlich also auch Jungen.
Wie prägen Mütter ihre Söhne?
Wenn Jungen dazu gedrängt werden, sich vorzeitig von ihren Müttern zu trennen und dazu ermutigt werden, "ein Mann zu sein", kann das negative Spätfolgen mit sich bringen. Eine enge Mutter-Sohn-Bindung hingegen hat viele Vorteile – und zwar nicht nur in der Kindheit, sondern ein Leben lang.
- Studien belegen, dass Jungen, die in den ersten Lebensjahren keine sichere Bindung zu ihren Müttern erfahren, im späteren Leben feindseliger und aggressiver handeln. Eine enge Bindung an ihre Mütter im Kleinkindalter trägt nachweislich dazu bei, Straftaten im Laufe des Lebens zu verhindern.
- Eine enge Mutter-Sohn-Beziehung wirkt sich positiv auf die psychische Gesundheit eines Jungen aus. Forschungen haben ergeben, dass Jungen, die ihren Müttern nahestehen, weniger dazu neigen, in übertriebene, männliche Stereotypen zu verfallen. Sie wissen, dass man nicht immer seine Männlichkeit unter Beweis stellen muss, wenn man herausgefordert wird und bleiben emotional offener. Dadurch entwickeln sie nicht nur bessere Freundschaften, sondern haben auch weniger Ängste und Depressionen.
- Mütter können die emotionale Intelligenz ihrer Söhne fördern, indem sie ihnen lehren, ihre eigenen Gefühle zu erkennen, sie auszudrücken und sich besser auf die Gefühle anderer einzustellen. Dadurch können sie sich nicht nur besser artikulieren, sondern haben auch eine bessere Selbstkontrolle.
- Im Teenageralter zeigen Söhne, die ihren Müttern nahestehen, ein weniger riskantes Verhalten. Generell kann eine gute Kommunikation zwischen Eltern und Kindern dazu beitragen, negativem Gruppenzwang auszuweichen. Laut Forschungsergebnissen kann der Einfluss der Mutter in Bezug auf Alkohol, Drogen und Sex, sehr prägend sein. In einer Studie wird die Kommunikation zwischen Mutter und Sohn als Grund dafür genannt. Mütter führen in der Regel nicht ein einziges großes "Drogengespräch" oder "Sexgespräch", sondern streuen das Thema in andere Gespräche oder Familienaktivitäten ein, was sich als wirksamer erweist.
- Mütter können ihre Söhne auf den späteren Erfolg in persönlichen Beziehungen und im Beruf vorbereiten, indem sie ihnen beibringen, emotional intelligent zu sein. So wachsen Jungen mit Kommunikationsfähigkeiten auf, die sie brauchen, um sich im Erwachsenenalter zurechtzufinden.
Wie entwickelt sich die Mutter-Sohn-Beziehung im Laufe der Jahre?
Der Sohn ist als Kind in fast allen Belangen von der Mutter abhängig. Diese Bindung bildet die Grundlage für das starke Verhältnis zwischen Mama und Sohn. Doch wie entwickelt sich diese Abhängigkeit in den verschiedenen Lebensphasen?
- Kleinkindalter: Die Bindung zwischen Mutter und Baby beginnt bereits im Mutterleib. Schon hier nimmt der Sohn erste Emotionen und eine Zuneigung von der Mutter auf. Wenn diese Fürsorge fortgesetzt wird, kann der Junge zu einem emotional intelligenten und starken Kind heranwachsen. Eine Studie belegt: Werden die Bedürfnisse des Sohnes von der Mutter erfüllt, lernt er, zu vertrauen und emotionale Sicherheit zu empfinden.
- Teenager: Die Pubertät ist keine leichte Phase. Kinder müssen in dieser Zeit mit vielen inneren und äußeren Veränderungen sowie Stimmungsschwankungen zurechtkommen. In dieser Phase können Jungen dem Druck von Gleichaltrigen erliegen und mit Rauchen, Drogen und Alkohol experimentieren. Dabei kannst du deinen Sohn aber unterstützen, indem du mit ihm kommunizierst und ihm erklärst, wie es in der Welt zugeht. Du kannst ihm helfen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Eine liebevolle und einfühlsame Mutter kann für Stabilität sorgen und dem Jungen moralische Orientierung geben. Teenager möchten in der Regel wie Erwachsene behandelt werden. Wenn du dir allgemein die Anregungen und Gedanken deines Sohnes einholst und ihn in Familiendiskussionen mit einbeziehst, fühlt er sich respektiert. Das trägt auch dazu bei, dass sein Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen gestärkt wird.
- Erwachsenenalter: In dieser Lebensphase kannst du als Mutter deinen Sohn in Sachen Karriere, Liebe und Paarbeziehung beraten. Du kannst ihm dabei helfen, sich auf seine Karriere zu konzentrieren und ihn dazu anhalten, seiner Leidenschaft und seinen Träumen zu folgen.
In allen Lebensphasen ist es wichtig, dass du deinen Sohn liebst und unterstützt ohne übermäßig beschützend oder besitzergreifend auf ihn zu wirken. Doch wie nah ist nah genug und was ist Überfürsorglichkeit?
Was macht die Mutter-Sohn-Beziehung aus?
Die richtige Balance in einer Eltern-Kind-Beziehung zu finden, ist nicht immer leicht. Während die körperliche Berührung zwischen Mutter und Sohn in der frühen Kindheit notwendig ist, ändert sich dies, wenn der Junge heranwächst. Irgendwann ist ihm der Abschiedskuss vielleicht "zu peinlich". Versuche, dies nicht als Zurückweisung wahrzunehmen und respektiere seine Gefühle – auch wenn es dir sicher schwerfällt. Dieser Abnabelungsprozess ist für beide Parteien nicht immer leicht.
Stattdessen kannst du dich auf eure emotionale Bindung konzentrieren – auch sie kann dir sowie deinem Sohn sehr viel geben. In den Teenagerjahren deines Sohnes wird eure Bindung vielleicht etwas strapaziert, aber sobald er den Adrenalinrausch überwunden hat, wird er erkennen, dass er eine emotionale Bindung zu dir braucht. Er wird dann verstehen, dass du eine Person bist, die immer für ihn da ist und ihn unterstützt.
Spätestens, wenn dein Sohn seinen eigenen Weg geht, ändert sich nochmal einiges. Er wird sich beruflich weiterentwickeln und vielleicht selbst eine Familie gründen, um die er sich kümmert. Wenn du diesen Paradigmenwechsel verstehst, wird eure Bindung trotzdem gedeihen. Vor allem, wenn du ihm nahestehende Personen in die Familie aufnimmst, wird er dir mit Respekt und Dankbarkeit entgegentreten.
Was tun bei einer gestörten Mutter-Sohn-Beziehung?
Nicht immer im Leben läuft alles so, wie wir uns das wünschen. Insbesondere Beziehungen durchlaufen Hochs und Tiefs, mit denen wir lernen müssen, umzugehen. Vielleicht befinden wir uns in einer schwierigen Situation und können für andere nicht so da sein, wie wir es gerne wären oder aber wir müssen akzeptieren, dass sich andere von uns abwenden. So ist es keine Ausnahme, wenn sich dein Sohn von dir abwendet.
Der erste Schritt der Heilung ist, dich selbst zu reflektieren und dich zu fragen, welche Fehler bei dir liegen und welche an anderer Stelle. Förderlich ist zudem, die Hilfe eines Therapeuten oder einer Therapeutin anzunehmen. Sorgen mit einer dritten Person zu teilen, kann dabei helfen, eine unvoreingenommene Lösung für das Problem zu finden. Versuche dann, Verantwortung zu übernehmen, für das, was geschehen ist. Lass die Vergangenheit hinter dir und deinen Sohn, beziehungsweise deine Mutter wissen, dass er:sie keine Schuld trägt und du ihm:ihr nichts übel nimmst.
Egal ob du Mutter oder Sohn bist – teile deine Gefühle und Emotionen mit und lass dein Gegenüber wissen, dass du sie:ihn liebst. Versichere ihr:ihm, dass du immer für ihn:sie da sein wirst. Vor allem aber: Übe dich in Geduld.
Auch interessant: Bindungstheorie und Vater-Kind-Beziehung
Anmerkung: Nicht alle Kinder wachsen in heterosexuellen Zwei-Eltern-Haushalten auf. Es ist nicht die Absicht, zu behaupten, dass es diesen Kindern zwangsläufig besser geht. Es gibt jedoch interessante Forschungsergebnisse zu den Eltern-Kind-Beziehungen nach Geschlecht, die wir hier vorstellen möchten. Hier liest du mehr über die Vater-Tochter-Beziehung.
Verwendete Quellen:
- "Mother-son relationship key to emotional development", sciencedaily.com, 2010
- "The Mama's Boy Myth: Why Keeping Our Sons Close Makes Them Stronger", Kate Stone Lombardi, 2012
- "Perceptions of Childhood Relationships with Mother and Father: Daily Emotional and Stressor Experiences in Adulthood", National Library of Medicine, 2010