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Zukunft.Leben.Jetzt „Nachhaltig zu leben ist im Alltag mit Kindern herausfordernd"

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© Soloviova Liudmyla, shutterstock
Dr. Katharina Beyerl ist Diplom-Psychologin und promovierte Geographin mit besonderem Fokus auf Umweltpsychologie am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung IASS in Potsdam. Wir treffen sie zum Gespräch über Umweltbewusstsein in Familien, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft.

Wenn ein Baby kommt, wird alles anders. Verändert sich auch die Einstellung dazu, was Nachhaltigkeit für die Zukunft bedeutet?

Dr. Katharina Beyerl
Interviewpartnerin Dr. Katharina Beyerl
© Annette Koroll

Die Ergebnisse der Studie bestätigen im Großen und Ganzen unsere Beobachtungen hier am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam. Gerade Schwangere und junge Eltern machen sich mehr Sorgen, besonders um die Gesundheit und eine sichere Umwelt. Allerdings wird die Flexibilität, die ja eine wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Verhalten ist, mit dem Elterndasein eher geringer. Es stehen einfach viele andere neue und herausfordernde Aufgaben an.

Das Umweltbewusstsein wird mit der Zeit träge?

Wer vor dem Elternwerden ein starkes Umweltbewusstsein hat, wird das durch den Umbruch nicht verlieren. Aber das nachhaltige Verhalten ist komplizierter umzusetzen und gestaltet sich mit Kindern tendenziell schwieriger. Kinder wachsen schnell und mit ihnen ihre Fähigkeiten und Interessen, die gefördert werden wollen. Der Bedarf an passender Kinderkleidung, Schuhen, Spielzeugen und allen möglichen Dingen ist groß, deshalb wird oft mehr konsumiert. Dabei scheitert der Anspruch, nachhaltig zu leben, nicht selten an rein praktischen, zeitlichen, logistischen oder finanziellen Hürden. Zudem stehen auch kurzfristige Bedürfnisse mit den langfristigen Idealen im Konflikt – egal, ob es um Wünsche der Kinder beim Einkaufen geht, den Familienurlaub oder ein neues Auto.

Hinweis auf die ELTERN X Pampers Studie
© PR

Kinder äußern Wünsche. Plastikeinhorn, Blinkturnschuhe, Quetschobst in Alutütchen. Sind kleine Konsumenten Nachhaltigkeitsbremsen?

Kinder so zu bezeichnen halte ich für fatal! Die wahren Nachhaltigkeitsbremsen sind doch diejenigen, die solche Waren produzieren und bei Kindern Konsumbedürfnisse schaffen. Es ist aber nicht ausreichend, mit dem Finger auf andere zu zeigen, denn in erster Linie müssen wir Erwachsenen unsere Konsummuster überprüfen und, wo nötig, ändern. Nur so können wir bessere Vorbilder sein und eine nachhaltigere Welt schaffen. Wir können von Kindern nicht erwarten, Werbung und kurzfristigen Trends zu widerstehen, denn das schaffen ja viele Erwachsene kaum. Für Eltern ist es schwer, sich den Konsumwünschen der Kinder zu entziehen. Es kann helfen, sich selber und Verwandten klare Regeln für Geschenke zu setzen. Vielleicht fällt einem dann ein, wie man mit etwas anderem als Blinkturnschuhen eine Freude machen kann. Ich halte es auch für wichtig, die Begeisterung von Kindern für die Natur und das Mitgefühl anderen Lebewesen gegenüber zu fördern, damit sie schrittweise ein Verständnis für Zusammenhänge in der Welt entwickeln. 

Kind lernt Fahrradfahren mit Papa
© Soloviova Liudmyla, Shutterstock

Nachhaltiges Leben ist nicht selten erst einmal teurer: E-Auto, einkaufen im Bioladen, hochwertige Kleidung. Wo können Familien an anderer Stelle sparen, um hier zu investieren?

Am nachhaltigsten ist am Ende immer die Reduktion von Konsum. Und wenn das nicht geht, sind eine geteilte Nutzung oder der Erwerb von möglichst lokalen, ökologisch und fair produzierten Produkten die nächstbeste Lösung. Besonders in Städten kann man Carsharing-Dienste nutzen. Es gibt Secondhand-Märkte für Kleidung und Spielzeug oder Online-Dienste und Läden, bei denen man hochwertiges Gebrauchtes kaufen, tauschen oder mieten kann. Immer mehr Bioläden bieten zudem kostenloses Food-Sharing an, also das Mitnehmen von nicht verkauften, aber völlig intakten Lebensmitteln. Familien können im Schrebergarten oder auf einem geteilten Feld selber Obst und Gemüse anbauen, in vielen Städten gibt es dazu Angebote. Das ist dann nicht nur preiswerter, sondern schmeckt auch besser. Und Kinder können spielerisch einbezogen werden. Fleischreduziert oder vegetarisch zu leben tut vor allem Erwachsenen auch gesundheitlich und finanziell gut. Nachhaltiges Leben ist nicht zwangsläufig teurer. 

Wie wichtig ist der persönliche Beitrag jedes Einzelnen für die Umwelt?

Nachhaltigkeit setzt sich aus vielen Komponenten zusammen. Am Ende sind alle wichtig – sowohl der Beitrag von Familien im Privaten, als auch der von Menschen in Unternehmen, Organisationen und politischen Institutionen. Es geht darum, dass möglichst alle von uns tun, was sie können, um die Artenvielfalt zu erhalten, den Klimawandel zu bekämpfen und ein gutes Leben für alle zu ermöglichen – ohne katastrophale ökologische und soziale Zusammenbrüche.

Vater pflanzt mit seinen Kindern einen Tomatenpflanze
© Monkey Business Images, Shutterstock

Glauben Sie, dass strengere Vorgaben in Sachen Nachhaltigkeit angenommen würden – ähnlich den derzeitigen Coronaverordnungen?

Ich finde, es wäre schon viel getan, wenn diejenigen, die aktuell Gewinne für ihre nicht-nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen verbuchen, gleichzeitig aber soziale und ökologische Folgekosten auf die Allgemeinheit abwälzen, zur Verantwortung gezogen würden. Dann müssten nämlich die Kosten für schlechte Umweltbilanzen, hohen CO2-Ausstoß, mangelnde Recyclebarkeit und schlechte Arbeitsbedingungen im Verkaufspreis enthalten sein. Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen wären dann automatisch preiswerter. Ebenso sollten nachhaltig produzierende Unternehmen bei der öffentlichen Vergabe von Aufträgen und bei Krediten bevorzugt werden. Firmen und Organisationen sollten Dienstreise-Regelungen orientiert am geringsten CO2-Ausstoß einführen und nachhaltige Anbieter beim Catering für Kantinen wählen. Auf diese Weise könnte man einen Umbau hin zu mehr Nachhaltigkeit gestalten und müsste Familien im Privatleben nicht extra Verordnungen auferlegen.

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