Es ist absurd. Wir horten Berge an Klamotten, die Spielzeugkisten quellen über, wir kaufen hier eine hübsche Kommode, dort ein neues Tablet – und lesen dann in Ratgebern nach, wie wir unser Leben entrümpeln können. Unser Konsum hat Ausmaße erreicht, die weit über das hinausgehen, was wir wirklich brauchen. „Was gestern noch als Luxus galt, wird heute als normal gesehen“, schreibt die Nachhaltigkeitsforscherin Maja Göpel in ihrem Buch „Unsere Welt neu denken“ (Ullstein, 17,99 Euro) und zählt auf: ein Auto pro Kopf, frische Erdbeeren auch im Winter, Flugreisen mehrmals im Jahr.
Doch damit leben wir deutlich über unsere Verhältnisse: Am 22. August ist Earth Overshoot Day. An diesem Tag wird die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht haben, die die Erde innerhalb eines Jahres wiederherstellen kann. Was wir danach einkaufen, essen, konsumieren, geht an die Substanz. „Wir konsumieren und wirtschaften, als gäbe es kein Morgen. Die Zeche dafür zahlen unsere Kinder und Enkelkinder“, sagt Eberhard Brandes von der Naturschutzorganisation WWF.
Dieses Problem ist auch im Bewusstsein junger Eltern angekommen – das zeigen die Ergebnisse der großen Umfrage, die ELTERN gemeinsam mit PAMPERS bei dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos in Auftrag gegeben hat: 95 Prozent der befragten Eltern finden, dass eine intakte Umwelt wichtig für die Zukunft ihrer Kinder ist. Mehr als 90 Prozent sind bereit, sparsamer mit Wasser und Strom umzugehen, umweltfreundlich zu heizen, vor allem Lebensmittel aus der Region und mehr Produkte aus nachhaltigen Materialien zu kaufen. Immerhin 80 Prozent wollen künftig häufiger auf das Auto und Urlaubsflüge verzichten. Umweltschutz ist zu einem Mainstream-Thema geworden.
Fakt ist aber auch: Bei der Umsetzung hapert es noch. Denn tatsächlich kaufen nur 19 Prozent der Eltern häufig nachhaltig hergestellte Produkte, nur 23 Prozent lassen das Auto oft stehen, und nur ein Drittel verzichtet auf Urlaubsflüge. Zwischen Wollen und Tun klafft eine gewaltige Lücke.
Eine Durchschnittsfrau in Deutschland hat 118 Kleidungsstücke im Schrank liegen, jedes Jahr kommen 60 neue dazu. Smartphones werden im Schnitt nach 22 Monaten ausgetauscht. Diese Routinen lohnt es sich zu hinterfragen. Wäre unsere Lebensqualität wirklich so viel schlechter, wenn wir auf einige Optionen und Käufe verzichten würden?
Wenn alle Smartphones in der EU ein Jahr länger genutzt würden, könnten 2,1 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden – das ist in etwa so viel, wie alle 190 000 Einwohner Kassels jährlich verursachen.
Unser Handeln im Alltag macht einen Unterschied. „Wir alle können jeden Tag Teil der Veränderung sein, die wir uns für die Welt wünschen, auch wenn sich diese Veränderung erst mal klein und wenig anfühlt“, schreibt Maja Göpel. „Zukunft ist nichts, was bloß vom Himmel fällt. Sie ist in vielen Teilen das Ergebnis unserer Entscheidungen.“ Dabei geht es nicht um Totalverzicht, sondern um Schritte, die im Familienalltag auch machbar sind.
Damit ihr eure Kraft nicht auf Nebenschauplätzen verschwendet, zeigen wir euch, welche Verhaltensänderungen wirklich einen Unterschied machen. Das Öko-Institut in Freiburg hat sie aus einer Vielzahl an Studien herausgearbeitet. Hier etwas zu ändern, lohnt sich also besonders.
ESSEN
Das bringt viel: mehr pflanzliche und weniger tierische Produkte essen, eingeflogene Waren wie Heidelbeeren im Winter meiden, ebenso Gewächshausgemüse – und möglichst wenig Lebensmittel wegwerfen.
Nachhaltig ist auch gesund. Das sagt Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung:
Mandelmilch statt Kuhmilch, Tofuwürstchen statt Huhn. Ist das der richtige Weg, um mein Kind gesund und nachhaltig zu ernähren?
Wir empfehlen für Kinder keine vegane Ernährung. Milch und Milchprodukte sind die besten Lieferanten für Kalzium, das Kinder im Wachstum für den Knochenaufbau benötigen. Auch Fleisch ist ein hochwertiges Lebensmittel und liefert zum Beispiel gut verfügbares Eisen und Vitamin B12. Aber: Drei Fleischgerichte pro Woche und maximal 35 Gramm Fleisch oder Wurst am Tag reichen. Diese Menge ist gesundheitsförderlich und nachhaltig zugleich. Gemüse, Obst und Getreide sollten die Basis bilden und tierische Produkte nur eine Ergänzung sein.
Unterweg sein
Das bringt viel: Öffentlichen Nahverkehr nutzen, wenig bis gar nicht fliegen und statt dem eigenen Auto Car-Sharing nutzen – damit lassen sich mobilitätsbedingte Umweltsünden halbieren. Klar, mit Baby ist es ohne Auto oft schwierig. Aber wir können versuchen, weniger zu fahren, und private Flugreisen konsequent zu reduzieren.
Radbegeistert! Katharina Walbrodt ist aufs Fahrrad umgestiegen – nicht trotz, sondern wegen ihres Babys. Der Verein Fahrrad und Familie in Heidelberg hat ihr dabei geholfen. Hier kann sie verschiedene Anhänger und Lastenräder ausprobieren. Wir haben sie gefragt:
Warum nutzt du mit Baby und Kleinkind das Rad?
Mit Kindern ist das superpraktisch. Ich kann viel unmittelbarer auf sie reagieren als im Auto. Wenn ein Kind weint, halte ich eben kurz an und kümmere mich. Außerdem kann ich mit dem Fahrrad überall direkt vorfahren, das ist mit kleinen Kindern ein großer Wert. Beispiel Zoo: Mit dem Auto müsste ich auf den Parkplatz fahren, den Kinderwagen auspacken, das schlafende Baby rauszerren, es vielleicht dicker anziehen, weil es im Auto ja viel wärmer ist. Mit dem Fahrrad halte ich am Eingang, mache den Hänger ab und kann direkt reingehen. Außerdem ist der Entertainmentfaktor im Fahrrad viel größer. Meine große Tochter liebt es, rauszusehen. Sie erlebt viel mehr, als wenn sie im klobigen Kindersitz im Auto säße. Für uns ist das Fahrrad super. Dabei war ich keine passionierte Radfahrerin. Ich habe vorher in Berlin gelebt, da bin ich S- und U-Bahn gefahren. In Heidelberg sind die Wege kürzer, und die Tram fährt seltener. Da wurde das Fahrrad wichtiger.
Aber mit Baby?
Unsere Hebamme sagte, ab dem Alter von drei bis vier Monaten ist Radfahren okay, es kommt auf den Anhänger an. Wir haben ziemlich viel recherchiert. Es gibt ja zig Lastenräder und Anhänger. Zum Glück können wir über den Verein verschiedene Modelle testen. Das ist ein Riesenvorteil.
Ich kann nur raten: Probiert es aus. Fragt Freunde oder andere Eltern, welche Erfahrungen sie mit ihren Fahrradhängern oder Lastenrädern machen. Das sind Tipps, die hört man in keinem Geschäft. Vielleicht könnt ihr euch ein Modell für ein paar Tage ausleihen. Klar kosten Hänger und Lastenräder viel. Aber für die täglichen Wege – zum Einkaufen, zur Kita – ist das Fahrrad wirklich toll.
WOHNEN
Das bringt viel: Wohnraum verringern, sparsam heizen. Beides ist mit Kindern nicht besonders attraktiv. Doch es gibt andere Stellschrauben, an denen wir drehen können: unsere Einrichtung. Da vor allem die Produktion Ressourcen frisst, sollten wir sie lange, lange nutzen.
„Kindermöbel kaufe ich nur gebraucht“ Das sagt ELTERN-Autorin Carina Frey – und erklärt, warum sie auf Second-Hand- Möbel steht:
„Meine Tochter ist zehn. Im vergangenen Jahr bekam sie ein neues Bett und damit ihr erstes Möbelstück, das wir neu gekauft haben. Wir kaufen bewusst gebraucht. Ich möchte, dass Möbel, die meine Kinder umgeben, reichlich ausgelüftet sind. Denn viele neue Möbel riechen, und ich finde die Vorstellung fies, dass meine Kinder zwischen diesen Ausdünstungen spielen. Das ist der erste Grund.
Und der zweite: Wir wollten von Anfang an möglichst wenig verbieten müssen. Unsere Tripp Trapps wurden von etlichen Stickern geziert, und meine Tochter hat immer mal wieder mit dem Messer am Holz herumgesäbelt. Juckt mich nicht, der Stuhl hatte schon etliche Macken, als wir ihn gekauft haben. Auf dem Kinderbett wurde herumgehämmert, der Kindertisch war überall bekleckst. Mir egal, es waren die Möbel der Kinder, und sie sollten mit ihnen anstellen können, was sie wollen.
Unsere Regel lautet: Mit euren Sachen dürft ihr, bei unseren nicht. Das hat gut funktioniert, und ich empfand es als große Freiheit, nicht ständig Nein sagen zu müssen.“
ANZIEHEN
Das bringt viel: Kleidung und andere Textilien sind Klimakiller. Die Herstellung verursacht fast doppelt so viel CO2 wie der Schiffs- und Flugverkehr zusammen. Deshalb: weniger kaufen, länger tragen, weitergeben.
„30 bis 40 Kleidungsstücke reichen“ Das meint Vreni Jackle vom Portal Fashion Changers, das sich für nachhaltige Mode einsetzt.
Die meisten von uns haben zu viele Klamotten. Wie geht es mit weniger?
Es hilft ungemein, sich zu überlegen: Wie sieht meine typische Woche aus. Wenn ich hauptsächlich Longsleeves trage, genügt eine gut sitzende Bluse im Schrank. Nach der Idee der „Capsule Wardrobe“ reichen zwischen 30 und 40 Kleidungsstücke, um den Look immer wieder zu verändern und für verschiedene Gelegenheiten passend gekleidet zu sein. Wichtig ist, dass sich die Kleidungsstücke gut miteinander kombinieren lassen. Was nicht heißt, dass man nur gedeckte Farben kaufen darf. Wenn ich es bunt mag, kann ich den Kleiderschrank auch so zusammenstellen.
Welche Basics sollte ich haben?
Ich finde neben Jeans eine gute Stoffhose wichtig. Außerdem einen Blazer und eine bequeme Bluse. Ein Rollkragenpulli lässt sich immer gut kombinieren, genauso wie ein locker sitzendes Kleid, bei dem man was drunter- oder drüberziehen kann. Es sollten Sachen sein, die wirklich zu mir passen, also gut sitzen und bequem sind. Guter Stil bedeutet auch, dass man sich in seiner Kleidung wohlfühlt.
Und wie schaffe ich es, nicht wieder mehr zu kaufen, als ich eigentlich brauche?
Indem ich mir die Frage stelle: Kann ich mir auf Anhieb vorstellen, dieses Teil mindestens 30-mal anzuziehen? Wenn ich bei der Vorstellung ins Schwitzen komme, sollte ich es liegen lassen. Dann kommt mein Bedürfnis wahrscheinlich von außen. Ich habe das Teil bei anderen gesehen und glaube deshalb, es haben zu müssen. Solche Sachen zieht man meistens nicht oft an.
Aber manchmal will man doch was Neues haben …
Dann kann man es sich auch leihen. Ich mache das oft mit Freundinnen. In einem fremden Kleiderschrank zu stöbern fühlt sich fast wie Shoppen an.
ÖKOSTROM NUTZEN
Das bringt viel: Wenn ihr ein Haus und Geld übrighabt, ist die Investition in eine Photovoltaikanlage ein echter Beitrag zum Klimaschutz. Alle anderen können zumindest Ökostrom beziehen.
Greenwashing bei Ökostrom erkennen. Ökostrom ist leider nicht immer so grün, wie er daherkommt. Etliche Anbieter verkaufen unter diesem Namen Strom aus Wasserkraftwerken, die seit Jahrzehnten im Einsatz sind – sie lassen sich also ihren herkömmlichen Strom besser bezahlen. Zu einem solchen Tarif zu wechseln bringt nichts für die Energiewende. Wenn ihr echten Ökostrom beziehen wollt, solltet ihr auf das „ok-Power-Label“ oder das „Grüner-Strom-Label“ achten. Sie garantieren zum Beispiel, dass der Anbieter nicht an Atom-, neuen Steinkohle- oder Kohlekraftwerken beteiligt ist, sondern in erneuerbare Energien oder neue Energietechnik investiert. In der Eco-Top-Ten-Liste für Ökostrom könnt ihr die Tarife direkt vergleichen. Und dann: Kündigungsfrist des alten Tarifs checken, neues Angebot raussuchen, Vertrag abschließen – das war’s.