Damit ich selbst auch nur einigermaßen zur Ruhe kommen, meiner Arbeit nachgehen oder den Küchenfußboden von Brei und angelutschten Dinkel-Nudeln befreien konnte, galt es immer, so viel synchrone Schlafenszeit wie möglich herauszuschlagen. Jetzt kann man annehmen, dass mit dem Gelingen dieses ehrenhaften mütterlichen Ansinnen alles geritzt ist.
Die Kinder schlafen anderthalb bis zwei Stunden und wachen danach stimmungsmäßig wie aus dem Ei gepellt wieder auf. Wir ziehen uns an und sind bereit für neue Abenteuer. An dieser Stelle sind meine Gebete bei all' den Eltern, die den Aufprall auf den ungepolsterten Boden der Realität mit eben solcher Wucht erfahren haben wie ich. Ich weiß wie weh es tut, wenn das Leben mit Kindern so ziemlich allem entspricht, aber nicht dem, was man sich zuvor darunter vorgestellt hat. Aber nicht verzagen, wenn man die Herrschaft des Chaos' erstmal akzeptiert hat, ist es umso schöner.
Was die kindliche Mittagsruhe, deren Abläufe und Begleiterscheinungen angeht, kann ich die folgenden Szenarien zu meinem Stamm-Erlebenisrepertoire zählen:
Ich bette nach dem Essen zwei über den Vormittag ziemlich unleidlich gewordene Zwillingsjungs zur Ruhe. Wenn der große Showdown mit Windeln wechseln, Schlafsack anziehen, Buch anschauen und Schlaflied summen einigermaßen unfallfrei über die Bühne gegangen ist, bleibt mir einige Zeit, um störungsfrei den Dingen nachzugehen, die gerade anliegen. Da die Kinder – willkommen in meiner mit Weichzeichner versehenen Idealwelt – einigermaßen zeitgleich ihr Ticket ins Traumland gestempelt haben und wir jeglicher Form von Restenergie beim Spielen den Garaus gemacht haben, liegen sie die nächsten zwei Stunden in ihren Betten und sind so ruhig, dass ich fast vergessen könnte, dass ich Mutter bin.
Zum Glück besitzen die Wäscheberge die Freundlichkeit, mich daran zu erinnern. In der Tat trägt es sich in meinem Leben zuweilen genau so zu. Die Male, die ich es erleben durfte, waren großartig, und wenn ich angeben möchte, erzähle ich anderen Eltern gerne in den schillerndsten Farben davon. Doch wahrscheinlicher ist, dass es sich anders zuträgt. Zum Beispiel so:
Weil die Söhne zu völlig unterschiedlichen Zeiten den Tag begonnen haben, habe ich es am späten Vormittag mit zwei Kindern zu tun, von denen eines recht guter Stimmung ist und noch ausreichend Energie hat, um am Klettergerüst oder Bücherregal schwindelerregende Höhen zu erklimmen. Denn wenn die Zwillinge eines schon lange konnten, bevor sie liefen, dann war es das Überwinden von Höhenmetern.
Während ich also eigentlich dauerhaft den einen Zögling vor lebensgefährlichen Verletzungen oder die Wohnung vor existenziell bedrohlichen kindlichen Übergriffen schützen muss, habe ich es auf der anderen Seite mit einem Zwilling zu tun, der dauerhaft auf meinem Arm oder an einem meiner Beine hängt und dort lautstark seinen Unmut über die immer stärker werdende Müdigkeit kundtut. Wie man sich vorstellen kann, ist man in einer solchen Situationen verhältnismäßig bewegungseingeschränkt.
Kind und Wohnung retten für Fortgeschrittene.
Als wäre ein solche Theater nicht anstrengend genug, versuche ich, den einen Sohn noch möglichst lange wach zu halten und den anderen im Schnellverfahren zu ermüden. Obacht, jetzt bloß nicht den Fehler machen, den ermatteten Quengler unbedacht an einem zu lauschigen Ort abzusetzen und drei Minuten unbeobachtet zu lassen! Denn auch wenn kleine Kinder niemals ohne mütterliches Geleit einschlafen, dann wenn sie es nicht sollen, tun sie es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.
Vielleicht habe ich an so einem Tag Glück, und die Kinder schlafen nur mit einem Zeitunterschied von 20 Minuten ein. Die gehen dann höchstwahrscheinlich von meiner nachwuchsfreien Zeit ab, aber immerhin bleibt dann vermutlich eine synchrone Schlafzeit von mindestens einer Stunde.
Wenn es schlecht läuft, entgleitet mir das müde Kind in die Mittagsruhe, während sein Bruder noch über alle Tische und Bänke geht, um voller Erschöpfung zusammenzubrechen, wenn sein Zwilling schon wieder beginnt, sich zu recken und zu strecken. Allein schon wenn ich jetzt darüber schreibe treten mir die Tränen in die Augen, so anstrengend sind solche Tage.
Weil Kinder stets darum bemüht sind, den Alltag ihrer Eltern mit unvorhersehbarem Verhalten spannend zu gestalten, weiß man im Grunde genommen nie, wie sich die Mittagspause gestalten wird. Und ob sie überhaupt stattfindet. Denn man kann auch vermeintlich den elterlichen Olymp bezwungen und beide Kinder zeitgleich in den Schlaf gesummt haben und dennoch zieht die mittägliche Erholung freundlich winkend an einem Vorbei.
Es gibt Tage, da lege ich während des Mittagsschlaf so oft die Strecke ins Schlafzimmer zurück, dass ich mich über eine Furche im Laminat nicht wundern würde. Denn dann wird schlecht geträumt oder aufgeschreckt und dringend Mamas Hand benötigt. Oder besser noch die ganze Mama, um sich auf sie zu legen und dort weiter zu schlafen – natürlich nur so lange, bis der nächste Alptraum den Spross aufschreckt und Mama gestresst tröstet, damit der Zwilling nicht auch aufwacht und unausgeschlafen schlechte Stimmung verbreitet.
Apropos unausgeschlafen: Wenn es nicht aufgrund irgendwelcher Umstände, die aufgrund absoluter Dringlichkeit keinen Aufschub dulden – die Rettung der Welt etwa – erforderlich ist, wecke ich die Kinder niemals vorzeitig. Niemals. Denn dann bricht in Bezug auf die Stimmung tatsächlich die Hölle herein. Eigentlich kennt man das ja auch selbst, wenn einen der Nachwuchs mal wieder vorzeitig aus dem Schlaf gerissen hat – also an 99 von 99,5 Tagen – ist einem erstmal nach Heulen und Schreien zumute.
Allerdings reißen wir uns dann meist zusammen und tun, was getan werden muss. Für Kinder spielt es keine Rolle, was getan werden muss und ob es dazu friedlicher Laune bedarf, wenn sie unausgeschlafen sind hält besser jeder im Ort Fenster und Türen geschlossen, dann gnade uns Gott! Allerdings ist für ein solches Szenario bei Kindern – Überraschung – gar kein Mittagsschlaf interruptus vonnöten. Zumindest meine Söhne beherrschen die komplette Stimmungseskalation auch vollkommen ausgeschlafen: Ich lege mittags zwei völlig ausgeglichene und fröhliche kleine Menschen ins Bett und nehme zwei Stunden später zwei Personen entgegen, zu denen ich die unmittelbare Verwandtschaft am liebsten leugnen würde, so ungenießbar sind sie. Und ungenießbar ist wirklich noch milde ausgedrückt, denn eigentlich sind sie an solchen Tagen nur zu ertragen, weil die Mutter-Kind-Bindung gut ausgebildet ist.
Alles, aber auch wirklich alles gibt dann Anlass zur Empörung, zu Wut und zu Tränen: dass die Sonne scheint und wir auf den Spielplatz gehen könnten, dass die Banane abgebrochen ist, dass der Bruder geguckt hat, dass der Bruder nicht geguckt hat, dass da ein Vogel vor dem Fenster sitzt oder dass da kein Vogel sitzt – irgendwas ist
unter Garantie immer.
Dann fühlst du dich als Mutter um 16 Uhr schon so wie um 20.30 Uhr und wünscht dir eigentlich nichts sehnlicher als eine Zeitmaschine, die dich in bessere Tage schickt.
Aber hey, wenn wir Eltern doch in unserer Karriere eines gelernt haben, dann dass man auch sowas übersteht. Und schon morgen ist ein neuer Tag, eine neue Chance auf geruhsamen Mittagsschlaf
doppelkinder Die Sache mit dem Mittagsschlaf
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Als die Kinder noch nicht zur Tagesmutter gingen war er für mich existenziell: der Mittagsschlaf. Nicht meiner, sondern der meiner Söhne. Als Zwillingsmama trat ich täglich in der Königsdisziplin an.