Kindern muss es andauernd so gehen. Auf einmal fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen, der große AHA Moment. Ach so, das war das komische Ding, von dem die die ganze Zeit gesprochen haben. Oder: Ah, ich erinnere mich, das habe ich das schon oft gesehen, jetzt verstehe ich was das ist! Kannst du dich vielleicht noch selbst an diese Momente in deiner Kindheit erinnern? Ich schon. Das waren Momente der Stille und des In-Sich-Gehens. Momente der totalen Präsenz. Man morpht praktisch in eine größere Perspektive, in eine größere Realität.
Ich bin immer wieder so begeistert und inspiriert von den Kindern. Sie können uns so sehr beibringen im Hier und Jetzt zu bleiben und Dinge, auch wenn wir sie (noch) nicht so ganz verstehen (!!!!) einfach anzunehmen und die Wellen so gut es halt geht zu surfen. Oder auch nicht.
Angst ist ansteckend. Ähnlich wie Nervosität. Kennst du das auch? Wenn jemand Angst hat, dann kann man das schlecht aushalten. Besonders wenn es ein geliebter Mensch ist. Automatische Reaktionen sind zum Beispiel: “Du brauchst doch keine Angst zu haben…” oder “Was? Davor hast du Angst? … oder man fürchtet sich tatsächlich mit.
Besonders schwer ist es, wenn Kinder Angst haben. Ein ganz blödes Gefühl. Die Angst soll weggehen, und zwar sofort!
Welches Bedürfnis hast du eigentlich, wenn du Angst hast? Schutz, oder? Aber auch Verständnis? Die Bedürfnisse um die Angst herum haben viele verschiedene Dimensionen!
Hattest du schon einmal Angst und hast du dich bei einer Freundin oder einem Freund ausgesprochen? Natürlich mag man diesen “Quick-Fix” gern: “Ach, du brauchst doch keine Angst zu haben! Das (fill in the blank) ist nicht so schlimm! Du schaffst das schon” Oder so ähnlich. Aber oft ist es eben nur ein Quick Fix und die Angst kommt wieder. Meistens dann, wenn man allein ist und grad keinen Zugriff auf den nächsten “Fix” hat. Und dann? Dann kommt es halt auf einen Selbst an, nicht wahr?
Zurück also zum (kindlichen) Selbst, dass sich gerade so in seiner (inneren) Welt entdeckt. Dazu gehören tatsächlich ebenso Dinge wie die liebe Angst, die (auch wenn sie manchmal irrational wirkt) ja eine sehr wichtige Funktion hat – nämlich uns vor potentiellen Gefahren zu schützen.
Folgen wir automatischen Beschützerinstinkten und versuchen wir den Kindern ihre Angst auszureden, so helfen wir eher uns selbst und unserem unangenehmen Gefühl. Auch wenn man es nur gut meint. Die Angst bleibt abstrakt, das Kind erlebt keine Begleitung durch seine sichere Basis während es seine Angst haben und entdecken darf. Alles was abstrakt und unbewusst ist kontrolliert uns potentiell, da es eben unbewusst ist und wir so keine Wahl haben.
Was hilft? Bring die Angst ins Bewusstsein.
Schaut sie euch an wie ein Bild oder einen Film. Geht gemeinsam mit dem Kind auf Entdeckertour! Wie fühlt sich die Angst an? Weich oder hart? Leicht oder schwer? Welche Farbe hat sie? Wo genau fühlst du das in deinem Körper? Kannst du das aufmalen? Woran erinnert dich deine Angst? Was brauchst du in dem Moment? Wie kann ich dir helfen? Hilf deinem Kind, die Angst in allen Facetten gut kennenzulernen. Dann macht sie nämlich meistens gar nicht mehr so viel Angst. Dann ist sie nichts Fremdes, sondern etwas Bekanntes. Dann kann man sie besser zähmen, auch und vor allem wenn man allein ist. Bringe deinem Kind bei, seiner Angst “Hallo” zu sagen und neugierig zu sein. Dann könnt ihr gemeinsam überlegen, ob sie eigentlich gerade wirklich gebraucht wird (was regelmäßig der Fall ist) oder ob sie sich gerade mal entspannen kann. Tiefes Selbstverständnis, innere Dialoge und Achtsamkeit sind der Weg sich mit seiner Angst und seinen Gefühlen allgemein anzufreunden. Das gilt für Erwachsene und Kinder.
Sei ein unvoreingenommener, empathischer und neugieriger Spielgefährte – für dich UND dein Kind. Horch genau hin. Als mein Sohn Angst vor “bad guys” hatte, die man weder in der wirklichen noch virtuellen Welt vermeiden kann, so begann er ebenfalls “Gift” in unserer Matsch-Küche zu mixen und er legte viele Fallen. Er erzählte mir genau, was mit dem “bad guy” passieren wird. Er bastelte Pistolen und andere Waffen, um sich “notfalls” wehren zu können. Er arbeitete bewusst und intensiv mit seinen Angstvorstellungen, drehte und wendete sie, betrachtete sie von allen Winkeln und beschnupperte sie täglich…
Seine große Angst, abstrakte Angst verschwand nach einer Weile, ebenso wie seine Fixierung auf die “bad guys”. Er wusste nun aber auch genau, welche Situationen oder Filme/ Musik/ Bilder er unangenehm findet und deshalb vermeiden möchte. Mein Sohn hat sich praktisch selbst “therapiert”, seine eigenen Bewältigungsstrategien gefunden, indem ihm ein sicherer Entdeckungsraum entgegengebracht wurde. Er hat sozusagen die Bekanntschaft mit seiner Angst gemacht und sich sogar ein bisschen mit ihr angefreundet.
Annehmen was ist – und ich habe wieder mehr von einem Fünfjährigen gelernt.
Eltern-Evolution Du brauchst doch keine Angst haben
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Die Sache mit der Entdeckung des Selbsts und der Welt ist so eine Sache, oder? Es ist spannend und beängstigend. Besonders, wenn man auf einmal weiß, dass man gar nicht so viel weiß, wie man dachte.