
In Leichtathletik war ich zu Schulzeiten immer ganz gut, da kriege ich so ein bisschen rennen und springen ja wohl hin. Sogar mein Mann hat sich zwei Stündchen aus dem Laden verabschiedet, um mitzumachen.
Toll, ein Familienausflug!
Ein wenig unter Druck geriet ich, als mein Mann auf die Frage eines Prüfers, ob wir irgendwelche Ziele hätten, antwortete: „Ich sag es mal mit ….. Der olympische Gedanke ist nichts für uns. Dabei sein reicht uns nicht, wir sind da, um Gold zu holen.“
Ich war eigentlich da, um Geld von der Krankenkasse zurückzubekommen. Da hätte Bronze voll und ganz gereicht.
Das musste mir auch als Anreiz genügen. Es kann nämlich schon frustrierend sein, wenn die zehnjährige Tochter schneller läuft und sowohl weiter als auch höher springt als man selbst.
Zum Glück war da noch mein Sohn. Wie immer war ihm die Show wichtiger als die Leistung. Wie wenn er auf dem Hof die Fussball-WM-Spiele nachspielt. Die theatralischen Fouls kann er am besten. Aber er hat ja irgendwie auch recht. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht so weit gesprungen, weil ich nicht wie er vorher die Bahn sorgfältig gekehrt habe. Allerdings ist er auch nicht wirklich weit gesprungen. Was wiederum daran gelegen haben könnte, dass er beim Anlauf aussah, als hätte er höchstpersönlich die Superzeitlupe erfunden. Er eierte die Anlaufstrecke entlang und machte ein angestrengt verzweifeltes Gesicht wie Rocky Balboa wenn er nach Adrian ruft.
Da hat der kleine Kerl wohl etwas zu viel Leichtathletik-WM geguckt. Aber wie immer an den entscheidenden Stellen nicht richtig aufgepasst. Beim Hochsprung hat er den Anlauf gewissenhaft mit riesigen Schritten ausgemessen, die Hände zur Konzentration an den Kopf gelegt und dann über dem Kopf zu klatschen begonnen. Wie so n Rockstar. Oder halt wie so ein Hochspringer.
Vermutlich lag es daran, dass keiner der nichtanwesenden Zuschauer anfeuernd mitgeklatscht hat, dass er anschließend mit Karacho wie ein Ochse einen Zaun, die Stange mit vollem Körpereinsatz mitgerissen hat.
Ganz die Mama, der Junge.
Aber die Einweisung zum Hochsprung war wirklich etwas dürftig. Hätte man auch echt sagen können, dass man über die Stange und nicht auf die Stange springen soll. Dabei sehen die Prüfer beim Sportabzeichen aus, als hätten sie sehr viel Erfahrung. Ich glaube, manche haben die Sportarten vor langer Zeit miterfunden.
Aber der Rücken hat mir nicht so lange weh getan wie meinem Mann der Muskelkater nach seinem Sportabzeichen-Einsatz. Wer nicht zählen kann, der muss halt 100 Seilsprünge absolvieren, bevor er aufhören kann. Wie damals, als er zum ersten Mal im Fitnessstudio war und einfach noch ein paar Gewichte mehr drauf gepackt hat. Naja. Nach einer Woche konnte er dann die Jacke auch wieder alleine anziehen.
Mein Sportabzeichen-Highlight war aber der 800 Meter-Lauf der Kinder.
„Geht es in der ersten Runde nicht so schnell an. Teilt Euch die Luft ein und gebt dann ab der Hälfte der zweiten Runde richtig Gas.“
Das war, was ich von der Einweisung durch den Prüfer verstanden habe. Bei den Kindern kam irgendwie an: „Rennt so schnell wie ihr könnt und zwar die ganze Zeit.“
Lina hat das dann auch durchgezogen und kam eine Minute unterhalb der Gold-Zeit an. Fritz hielt das Tempo immerhin knapp eine halbe Runde durch.
„Ich kann nicht mehr. Ich habe Seitenstechen. Ich mach den Scheiß nicht mehr mit! Ich höre jetzt auf.“
Eine und eine halbe Runde habe ich ihn motivierend durch den Lauf getrieben. Ich glaube, vor allem die Aussicht darauf, es bei Abbruch noch mal machen zu müssen, hat ihn durchhalten lassen.
Dabei steht das Kind sonst immer unter Strom. Nachlassende Akkuleistung: Fehlanzeige.
Wenn andere Kinder auf dem Spielplatz im Sand buddeln, musste ich mit meinem Sohn schon vor drei Jahren die Olympischen Spiele nachspielen. Runde um Runde ist er um den Spielplatz gerannt und ich musste ihm das Wasser reichen, damit er es sich über den Kopf gießen konnte wie die Marathonläufer aus dem Fernsehen.
Und davor hatten wir dann schon Beachvolleyball, Fußball und Handball gespielt. Ich musste dabei natürlich immer die „billische“ Mannschaft sein. Die kroatische Wettmafia kann sich bezüglich Spielausgangsgestaltung bei meinem Sohn noch eine dicke Scheibe abschneiden.
Aber nach der Erfahrung mit dem 800-Meter-Lauf konnte ich guten Gewissens drei Euro pro Runde beim Sponsorenlauf der Schule zwei Monate später ausloben. Mehr als drei Runden werden es schon nicht werde, habe ich gedacht. 9 Euro, kein Problem.
Gut, dass ich das Sportabzeichen bestanden habe und Geld von der Krankenkasse zurückbekomme.
Siebzehn Runden ist er beim Sponsorenlauf nämlich gerannt, der kleine Drecksack.