Keine Lust mehr
Von Zeit zu Zeit halte ich inne, um zu bemerken, wie gut schon alles geworden ist. Und es ist gut geworden. Gut, oder doch zumindest: viel besser. Zweimal schon hatten wir im Laufe unserer Elternschaft den Punkt, an dem wir dachten: „Jetzt ist wieder Luft da. Endlich sind wir an der Oberfläche angekommen. Es ist deutlich leichter geworden. So langsam kommen wir in einem Alltag an.“
Als wir das erste Mal an diesen Punkt kamen, haben wir uns fürs zweite Kind entschieden. Kaum war die Entscheidung gefällt, gab es wieder Rückschläge, kein einzelner, sondern einige, bei denen nicht nur einer auf den anderen folgte, sondern auch mehrere, die sich teils überlappten, uns wieder in die Notautomatik zurückversetzten.
Irgendwann begann ich mich zaghaft an diesen Zustand zu „gewöhnen“. Nicht dass es mir leichter fiel, mit den Herausforderungen klarzukommen. Aber der Abstand zwischen dem, wie das wohl so normalerweise lief, und dem, wie es bei uns lief, war und blieb gewohnt groß. Wir richteten uns im ständigen Ausnahmezustand ein und reagierten eins ums andere Mal flexibel, um es überhaupt irgendwie hinzubekommen. Immer mit Sonderlösungen, immer mit Extrawürsten und ein Stück weit auch immer über unsere Grenzen. Bedürfnisausgleich wurde relativ, weil er schlicht nicht möglich war. Das Bewusstsein, was wir eigentlich gebraucht hätten oder gar uns wünschten, rückte in den Hintergrund, weil es ohnehin so absurd weit weg war.
Die Jahre zogen ins Land, und dann kam irgendwann der Punkt, vielleicht etwa vor einem halben Jahr, an dem wir zum zweiten Mal in unserer Elternschaft das Gefühl hatten, jetzt ist der Durchbruch.
Jetzt ist so vieles so viel leichter geworden. Neue Freiheiten entstanden, wir konnten erstmals zu zweit abends ausgehen. Die Kinder waren inzwischen beide im Kindergarten und dort auch einigermaßen (mit kreativen Sonderwegen) angekommen.
Vor uns lag die Vorfreude auf die Schule meiner großen Tochter. Die Kinder waren bei aller Emotionalität deutlich verständiger geworden, soziale Wesen, die Rücksicht nehmen, sich auseinandersetzen können und auch verstehen, dass wir ein Familiensystem sind und dass es uns dann gut geht, wenn wir alle aufeinander achten.
Meine Große hatte angefangen durchzuschlafen, was ein ungeheurer Meilenstein war im Alter von etwa fünf oder fünfeinhalb Jahren. Das erste Mal feierten wir hart, waren aber nicht enttäuscht, dass es ein Einzelfall blieb. Beim zweiten Mal feierten wir wieder, beim dritten Mal konnten wir unser Glück kaum fassen, und irgendwann bemerkten wir, dass das Durchschlafen zur Regel geworden war, die durch Ausnahmen bestätigt wurde. Es fiel nur deshalb nicht so extrem auf, weil die Kleine, die damals 3 war, nicht durchschlief, nicht eine Nacht.
Grosse Köpfe Keine Lust mehr – Keine Kraft mehr – wenn Eltern verzweifeln
© GROSSE KÖPFE
Immer wieder nehme ich Gastbeiträge an. Heute von Anja die über ihre Verzweiflung und Unlust schreibt und sich fragt: Wie soll ich das schaffen? Während noch alle über die Elternschule diskutieren schreibt hier eine Mutter nah am Abgrund.