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Fips & ich Mein Kind doch nicht!

Blog Der kleine Brandenburger, Trotz
© mofles / iStock
Hauen. Sand werfen. Nicht teilen wollen. „Können die Eltern nicht besser aufpassen? Soll das etwa Erziehung sein?! Das werde ich meinem Kind aber anders beibringen!“ So habe ich mir als naive Nichtmutter überlegt.

Und etwa 16 Monate lang hat das auch bestens geklappt. Fips hat weder gehauen noch mit Sand geworfen, und mit ein bisschen zureden hat auch das Teilen ganz gut geklappt.
Ich war stolz ziemlich auf mein freundliches, heiteres und entspanntes Kind (und auch ein bisschen auf mich). Denn mal ehrlich: Wie unsympathisch sind denn bitte diesen hyperaktiven kleinen Terrorblagen, die auf dem Spielplatz immer nur rumblöken, statt einfach zufrieden die Rutsche runter zu sausen und sich des Lebens zu freuen? Schlimmer geht’s nicht, möchte ich sagen.

Oh doch, es geht schlimmer. Und peinlicher auch. Hm ja. Denn mein Moment der Erkenntnis kam, als die Tagesmutter mir mitteilte, dass Fips den ganzen Tag über immer wieder eines der kleineren Krabbelmädchen gehauen habe. Bis die Kleine schon weinte, wenn Fips nur auf Armlänge in ihre Nähe kam.

Au Backe.
Ich wollte im Boden versinken: Mein! Kind! Tut! Doch! So was! Nicht! Und ob es das tut.
Zwei Tage später wurde auf dem Spielplatz ein Baby erst mit Sand beworfen (was man noch als Kollateralschaden werten kann, denn Fips hat gerade erst die Fähigkeit des Sand-in-die-Luft-beförderns erlernt, von gezieltem Werfen kann noch keine Rede sein) und dann mit flacher Hand gehauen. Mehrfach. Mit hinterhergehen und zusammengekniffenen Augen. Dass das Baby auch keines der gemeinschaftlich zu nutzenden Wippetiere anfassen durfte, ohne dass es Riesengebrüll gab, muss ich wohl nicht mehr dazusagen.

Ich musste erst mal tief durchatmen. Ich sage es nicht gern, aber in meinem Herzen kollidierte meine bedingungslose Mutterliebe mit einem Hauch objektiver Abneigung.
Und weil wir gerade bei den Geständnissen sind: Es ist nicht nur das Hauen und Nichtteilen, mit dem wir gerade kämpfen. Es ist auch das Jaulen und Jammern ohne greifbaren Grund, das Rumkreischen und das sich wie ein knochenloser Sack zu Boden fallen lassen.

Meine Mutterliebe ist das nicht gewohnt. Ich kenne mein Kind als offen und ausgeglichen. Als nicht unbedingt geduldig, aber optimistisch.
Ja, ich wusste, dass die Trotzphase sich irgendwann mit großen pampigen Trollschritten nähern würde ... doch irgendwie hatte ich doch gehofft, dass wir um diesen Entwicklungsschub herumkommen würden. Aber wie es aussieht, ist das wohl Wunschdenken.

Zum Glück, vermutlich. Denn die Natur wird sich ja etwas dabei gedacht haben als sie die Schreikrämpfe und die Tobsuchtsanfälle erfand. Wut gehört zur emotionalen Entwicklung dazu – genauso wie jedes andere Gefühl. Genau wie Freude, Vergnügen und Zuneigung.

Blog Der kleine Brandenburger, Trotz
© mofles / iStock

Und wenn ich überlege, dann gab es vor den Wutanfällen wenig andere bewusste Emotionen bei Fips. Sicher, es gab Wohlbefinden und Miesepetrigkeit, es gab Bei-Mama-sein-wollen und Freiheitsdrang.
Aber vor der Wut gab es nicht diese Momente, in denen Fips einen Scherz macht und Humor erkennen lässt. Oder das reine Freudestrahlen, wenn wir uns am Nachmittag bei der Tagesmama wiedersehen. Oder die Augenblicke, wenn sich kleine Arme um meinen Hals und kleine Beine um meine Taille schlingen und ich ganz fest umarmt werde.

Ja, mir ist das Hauen und Terrorisieren peinlich und unangenehm – zu gut weiß ich einfach noch, wie ich mich gefühlt habe, als Baby-Fips auf dem Spielplatz von anderen Kindern Kopfnüsse und Sandregen kassierte: Da wollte ich das andere Kind am liebsten kopfüber in der nächsten Sandburg versenken. Und die Eltern übrigens gleich mit.

Aber damals wusste ich einfach noch nichts. Ich wusste nichts von der Wut – aber auch nichts von der Liebe, die Fips nun gerade ebenfalls zu geben lernt. Die Liebe, die ich auf keinen Fall mehr missen möchte.
Also versuche ich für Fips da zu sein, wenn die Wut kommt.

Umarmen und Nähe helfen zum Glück fast immer (wenn das nicht zöge, wüsste ich nicht, welche Geheimwaffe ich noch zücken sollte – dann würde ich mich vermutlich manchmal heulend danebenschmeißen).
Manchmal muss Fips erst einen Moment abqualmen und Spannung abbauen, aber dann hilft Nähe trotzdem fast immer. Ruhe, Nähe, Atmen. Halten, erklären – ja, und ablenken.

Es bleibt trotzdem hart. Jedes Mal wieder.
„Graaaaa! Unsympathisch! Terrorkind!“, brüllt die objektive Abneigung.
„Na ja, schon“, sagt die Mutterliebe. „Aber komm her. Ich umarme dich jetzt erst recht.“

Und wenn sich dann das nächste Mal kleine Arme und Beine um mich wickeln und Fips sich ganz eng an mich drückt, denke ich: „Richtig gemacht.“ Und bin wieder stolz. Auf Fips, und auf die Wut. Die nicht nett ist und alles andere als angenehm, aber die mein Kind wieder ein bisschen wachsen lässt. Und mich auch.
 

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