Das fing beim "Hallo" und "Tschüss" sagen an, ging bei der Kontaktaufnahme und Kommunikation und seine eigener Spielweise weiter und hörte beim "Danke" und "Entschuldigung" sagen auf (mehr dazu hier).
Ich habe immer wieder festgestellt, wie andere Erwachsene dadurch getriggert wurden, manchmal mehr, manchmal weniger, und wie die Kommentare von außen nur so auf ihn einprasselten:
“Bist du zu schüchtern?
Oh, du bist aber schüchtern.
Du musst lauter sprechen!
Du bist aber ernst...
Ein ganz zarter Junge...
Ist er immer so still?”
Natürlich stellte ich fest, dass seine Reaktion schon ziemlich auf das Gegenüber ankam, dass sich also seine Intuition und sein Bauchgefühl meldeten und das finde ich ganz ganz wichtig und richtig, auch und besonders bei Kindern.
Der Witz bei der Sache ist aber auch, dass er eine ganz andere Seite hat. Eine selbst-bewusste, starke, führende und wilde Seite. Aber mir wurde durch seine sporadischen Aussagen über sich selbst langsam klar, dass er von sich glaubte, was die anderen über ihn sagten. “Schüchtern, ich bin einfach schüchtern.”
So sind sie, die Kinder. Darum ist es so wichtig und nicht übertrieben, sich selbst abzuchecken, was man kommunikativ und emotional eigentlich so an Ballast aus der eigenen Kindheit mit sich herumschleppt. Es überträgt sich schon ziemlich schnell, vor allem auch unbewusst.
Anyways, Jungs in unserer Gesellschaft haben echt ganz schön viele Erwartungen zu erfüllen, die sie oft direkt von ihren Gefühlen wegführen, oder?
Jedenfalls kommt es mir oft so vor. Ich bin bei den besagten Kommentaren dann etwas relativierend eingeschritten und habe einfach so was gesagt wie: "Du hast grad keine Lust zu sprechen, oder? Ist ok, geht mir auch oft so." Oder: "Du siehst aber glücklich aus, freust du dich sehr über dieses Geschenk?" Worauf immer eine authentische und zutiefst empfundene Reaktion kam.
Lange Rede, kurzer Sinn, wir haben ihn einfach so sein lassen, wie er ist. Ihn nicht gezwungen, Dinge zu sagen, mehr zu lachen, weniger zu weinen, anders zu sein, damit er Erwartungen (unsere und die der anderen Menschen) erfüllt.
Wir haben ihm vertraut. Wir haben darauf vertraut, dass er diesen Dingen, die nicht unwichtig sind im Leben, Ausdruck verleiht, wenn ER dazu in der Lage ist. Darauf, dass er aus sich heraus tritt, wenn er sich sicher fühlt und dies in seinem Herzen spürt. Wir haben ihm vertraut.
So... und heute, da gab es hier bei uns im Park ein Willkommensfest für syrische Familien und dazu auch gleich eine super coole Puppentheater-Show. Ich weiß noch, dass man ihm mit sowas vor 2 Jahren noch gar nicht hätte kommen brauchen. Das fand er alles kurios und wollte viel lieber auf den nächsten Baum klettern.
Heute wie auch immer, ging er selbstbewusst nach vorn in die erste Reihe, setze sich hin, quatsche und interagierte mit dem Künstler, als hätte er nie etwas anderes gemacht.
Sogar, als der Mann nach einem besonders “starken Kind” fragte, schoss sein Arm direkt in die Luft und er "half" dem Mann bei seinem Kunststück – vor allen Leuten! Mein Mann und ich standen nur noch mit offenem Mund da. Konnten es nicht glauben.
Fazit: Vertraut euren Kindern. Ich fand sein introvertiertes Verhalten gar nie so schlimm. Ich konnte sehen, wie er alles aufnahm und aufmerksam beobachtete, aber eben oft nicht gern interagierte oder etwas Zeit dazu brauchte. Oder halt einfach auf sein Bauchgefühl hörte.
Ich merkte aber, dass andere Leute immer verstärkt darauf reagierten, was mich wiederum reagieren ließ. Wir haben ihm immer vermittelt "Du bist ok so wie du bist." Wir haben immer die Stempel, die einem gesellschaftlich so schnell aufgedrückt werden, versucht zu relativieren.
Nicht, dass ich ein Problem damit gehabt hätte, wenn er wirklich soooo schüchtern wäre, ich war selbst manchmal so als Kind und finde das echt in Ordnung. Oft sind es die ruhigen Kinder, die sehr in sich ruhen und mit sich verbunden sind – und nicht unbedingt die lauten, extrovertierten Kinder. Auch dies weiß ich aus eigener Erfahrung.
Nur gibt es eben einen Unterschied zwischen "so sein" und "glauben so zu sein, weil es alle sagen".
Wenn mir andauernd gesagt wird, dass ich hübsch bin, dann glaube ich es irgendwann. Wenn mir andauernd gesagt wird, ich bin blöd, dann glaube ich es irgendwann. Wenn mir andauernd gesagt wird, ich bin schüchtern, dann glaube ich das auch irgendwann. Vor allem dann, wenn ich gerade mal 5 Jahre alt bin.
Heute war er nicht schüchtern, sondern einfach er. Weil er so sein wollte. Weil ihm danach war. Es hat sich in der menschlichen Interaktion eine neue Dimension für ihn eröffnet, in der er sich frei bewegen und entdecken kann. Selbstbestimmt, nicht fremdbestimmt. Wie großartig. Wie pur. Wie schön. Vertraut. Immer. Peace!
Eltern-Evolution Na, du bist aber schüchtern!
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Hey ihr Lieben, heute überraschte mich mein Kind mal wieder aus heiterem Himmel. Mein Sohn (gerade 5) hat in der Vergangenheit immer sein eigenes Ding gemacht und auch machen dürfen.