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Mama geht online Schichtarbeit und Kinderbetreuung = unmöglich?

Blog Mama geht online Schichtarbeit
© Anke Landleitner
Neulich meldete sich wieder einmal mein schlechtes Gewissen bei mir. Es war ein ganz normaler Tag. Ich hatte Junior in den Kindergarten gebracht und saß nun auf dem Sofa und sah ein wenig fern. Mitten am Tag. Ich hatte alles erledigt, was ich mir für diesen Tag vorgenommen hatte und saß nun mit der Fernbedienung in der Hand einfach so da und guckte fern.

 Ich hatte noch eine Stunde Zeit, ehe ich zur Arbeit fahren musste. Ich saß also dort und guckte. Und dann war da auf einmal mein schlechtes Gewissen. Ich saß rum und langweilte mich, während mein Sohn im Kindergarten war und vielleicht viel lieber zu Hause bei mir gewesen wäre. Ich fühlte mich schlecht.

Gleich nach dem schlechten Gewissen kam dann jedoch die Wut in mir hoch. Die Wut auf das  starre Betreuungssystem in Deutschland. Und ich ärgerte mich (wieder einmal) tierisch still und leise zuhause auf meinem Sofa.

Glaubt man den Nachrichten, bin ich eine unter Millionen Schichtarbeitern in Deutschland. Jeder sechste Arbeitnehmer in unserem Land arbeitet im Schichtdienst, jeder Vierte am Wochenende. So wie ich. Das sind Ärzte, Busfahrer, Moderatoren, Krankenschwestern, Altenpfleger, Pförtner, Bäcker, Justizvollzugsbeamte, Redakteure und viele andere. Oder wie ich Schichtarbeiter in der Industrie. Leute so wie ich arbeiten zu unregelmäßigen Arbeitszeiten und an unregelmäßigen Wochentagen. Das ist eben so und mir macht meine Arbeit trotz allem Freude.

Wenn das Problem mit der Kinderbetreuung nicht wäre. Denn der Kindergarten richtet sich nicht nach mir und meinen Arbeitszeiten. Ich wurde auch nie gefragt, was und wann oder ob ich arbeite. Das interessiert den Kindergarten nicht. Denn die Öffnungszeiten der Kindertagesstätte sind klar geregelt. Jeden Tag von 7 bis 17 Uhr und freitags nur bis 16 Uhr. An diesen Zeiten hat sich vermutlich in den letzten Jahrzehnten nicht viel geändert. Dabei können wir schon froh sein, dass unser Kindergarten erst um 17 Uhr schließt. Andere (vor allem kirchliche) Einrichtungen schließen oft schon viel früher. Trotzdem macht unserer kleinen Familie dieses doch große Zeitfenster viele Probleme. Und das liegt an den Arbeitszeiten von Papa und mir.

Ja, ich kann jetzt schon die Kommentare vor mir sehen, die da sagen, dann arbeitet halt weniger oder etwas anderes. Wobei das „wie viel“ arbeiten gar nicht die Frage ist. Das Problem ist vielmehr das „wann“. Ich arbeite Vollzeit 35 Stunden die Woche. Wenn ich sonntags arbeiten muss, dann habe ich unter der Woche einen Tag frei. Klingt super und ist es auch. Denn am Sonntag ist Papa immer zuhause. Das heißt, die Betreuung unseres Vierjährigen ist gesichert und es ist Papa-Exklusivzeit. An meinem freien Tag unter der Woche gibt es ebenfalls keine Probleme. Da hole ich Junior schon sehr früh aus dem Kindergarten und dann machen wir nur, was uns Spaß macht.

Doch zurück zum Anfangsproblem. Ich sitze mittags auf dem Sofa und hätte Zeit. Eine Menge Zeit sogar. Doch ich muss mein Kind bereits um 8.30 Uhr (spätmöglichste Bringzeit) in den Kindergarten geben, auch wenn ich erst am Nachmittag das Arbeiten anfange. An diesen Tagen meldet sich dann eben (oft) mein schlechtes Gewissen und die Wut kommt. Eigentlich könnte ich als Mama in dieser Zeit für mein Kind da sein, ich habe ja Zeit. Ärgerlich ist an diesen Tagen auch, dass ich mein Kind den ganzen Tag über nicht sehe und abends nur am Telefon Gute Nacht sagen kann. Wenn ich Feierabend habe, liegt der kleine Knirps bereits im Bett und schläft.

Als wir vor über einem Jahr den Kindergarten für Junior ausgesucht haben, hatte ich mit der Kindergartenleitung auch ein Gespräch über meine Arbeitszeiten. Ich fragte auch, ob ich meinen Sohn an manchen Tagen (vielleicht 1 oder 2 mal die Woche) einfach auch später in die Gruppe bringen könnte. Das Gesicht der älteren Dame sehe ich heute noch genau vor mir. Sonderwünsche unerwünscht. Sie erzählte etwas von Kernzeiten und vom Freunde finden … Nicht falsch verstehen. Die Argumente verstehe ich ja. Aber sie muss bitte auch verstehen, dass ich mir in der Mama-Seele weh tut, meinen Sohn ein paar Tage am Stück immer nur morgens kurz zu sehen. Ich wollte meinen Sohn ja auch nicht jeden Tag später bringen, sondern nur ein, zweimal die Woche und auch nur dann, wenn ich eben Spätschicht hatte.

Und dann denke ich mir … Ich bin doch in unserem Land beiweiten nicht die einzige berufstätige Mutter mit anormalen Arbeitszeiten? Oder gibt es um mich herum wirklich nur Teilzeitmütter oder Hausfrauen? Das kann ich mir nicht vorstellen? Und wer hat denn heute noch Nine-to-Five-Arbeitszeiten oder gar Gleitzeit? Es muss doch eine praktikable Möglichkeit geben, die Bring- und Abholzeiten einer Einrichtung flexibler zu gestalten? Für alle Krankenschwestern und Polizistinnen dieser Welt.

Dafür bezahle ich dann auch liebend gern höhere Gebühren, wenn ich dafür mehr von meinem Kind habe und mein Kind mehr Zeit mit mir.

 

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