
Ich bin mit den Kindern auf dem Rodelberg. Ich sehe eine andere Mutter, wie sie sich suchend umschaut. Von Hinten stapfe ich zu ihr und meine: "Suchst Du Deine Tochter? Sie spielt dort hinten mit Wirbelwind, hinter dem schreienden Kleinkind." Erleichtert schaut sie erst mich an und blickt dann in die von mir gezeigte Richtung. Ihr Blick bleibt auf Wölkchen haften, die auf dem Weg stehen geblieben ist und sich nun keinen Millimeter mehr weiter bewegt. Ihr Mund ist anklagend geöffnet, die Augen halb geschlossen und ein protestierendes, jammerndes Gejaule strömt aus ihrem kleinen Mund. Die andere Mutter lacht kurz auf. Ob der Grund mein Wölkchen oder die Freude über ihre wiederentdeckte Tochter ist, weiß ich jedoch nicht.
Aber es ist schon ein ungewöhnlicher Anblick, wie Wölkchen dort steht und weint. Um sie herum wuseln hunderte von Kindern umher. Sie haben Spaß. So richtig Spaß. Sie bauen Schneemänner, machen Schneeballschlachten und rodeln den Berg hinunter. Auch Wirbelwind mischt ordentlich mit auf. "Oh mein Wunsch wurde erhört. Das habe ich mir so lange gewünscht", hatte sie gestern früh gemeint. Wölkchens Wunsch war es scheinbar nicht.
Hilfe, mein Kind mag kein Schlittenfahren?
Aber im Ernst: kann es sein, dass mein Kind, mein Wölkchen, keinen Schnee und noch spezieller kein Schlittenfahren mag? Warum reagiert sie so? Ich bin wirklich ratlos. Vier Tage haben wir nun bereits Schnee und Wölkchens Reaktion fiel zunächst ganz positiv aus. Doch dann wendete sich das Blatt...
Tag 1: Das Kind fährt gerne Schlitten - noch
Am Montag war die Große, Wirbelwind, bei einer Geburtstagsfeier. Es hatte geschneit und ich holte den Schlitten heraus. Ich beschloss Wölkchen die Erfahrung des Schnees und Schlittenfahrens dennoch zu gewähren. Vielleicht war es sogar ganz gut, dass Wirbelwind noch nicht mit dabei war. Dann gab es wenigstens auch keinen Streit um den Schlitten. Nun denn. Der Vollständigkeit halber muss man noch erwähnen, dass ich am Montag Wölkchen nicht in den Kindergarten gebracht habe, weil sie sehr verrotzt, sonst aber ganz gut drauf war.
Am Nachmittag war es dann so weit. Wir gingen nach draußen. Ich setzte Wölkchen auf den Schlitten, fuhr ein paar Meter, und sie war begeistert. Ich zog sie bis zum Rodelberg, von welchem wir dann auch gleich zu zweit hinuntersausten. Sie juchzte und lachte. Es war ein riesiger Spaß für sie. Ja sie versuchte auf ebener Strecke sogar schon selber voranzukommen, wie auf einem Rutscher-Auto. Ich war begeistert, schließlich brauchte es bei Wirbelwind damals deutlich mehr Anläufe, ehe sie mit dem Schlitten grün wurde.
Tag 2: Sie mag den Schlitten nicht mehr
Und dann kam der Dienstag. Ich holte die Kinder aus dem Kindergarten ab, hiefte den Schlitten raus und wir gingen wieder zum Rodelberg. Wirbelwind und Wölkchen mussten sich nun den Schlitten teilen, und das gefiel Wölkchen überhaupt nicht. Erst fuhr Wirbelwind, dann Wölkchen mit mir, dann wieder Wirbelwind, dann wieder das Wölkchen mit mir... Nach nicht sonderlich langer Zeit stand Wölkchen einfach nur noch da und heulte. Ich musste sie hochnehmen, doch auch da weinte sie weiter. Ihre Hände waren kalt, das sah ich. Ich steckte sie ihr in die Tasche, doch sie jammerte unaufhörlich weiter. Sicherlich gefiel ihr auch der Schnee nicht, der in recht starker Windstärke gegen unsere Gesichter geblasen wurde. Nach einer dreiviertel Stunde - zum Glück wurde es langsam dunkel - brachen wir ab und gingen nach Hause. Zu Hause war Wölkchen wieder fröhlich.
Tag 3: Geschrei, Geschrei, Geschrei
Es hatte in der Nacht erneut geschneit. Ich hegte den romantischen Traum, meine Kinder mit dem Schlitten in den Kindergarten zu fahren. Beide würden auf dem Schlitten sitzen, freudig quiekend in der Gegend herumschauen und ich würde den Schlitten über die schneeverschneiten Fußwege schieben. In Null Komma Nichts würden wir im Kindergarten sein. Jepp, das dachte ich wirklich.
Und dann? Dann kam alles anders. Ich setzte den Schlitten vor der Tür ab, Wirbelwind nahm Platz und ich platzierte das Wölkchen davor. Sie schrie augenblicklich los. Sie wollte partout nicht auf dem Schlitten sitzen. Ein paar Meter zog ich sie dennoch, sie wurde auch ruhiger und ich schöpfte Hoffnung. Doch dann kamen wir an der großen Straße an. Ich versuchte den Schlitten über die zermatschte Kreuzung zu ziehen, doch der Schlitten ruckelte und Wirbelwind und Wölkchen kullerten rücklings vom Schlitten. Wirbelwind und ich lachten. Wölkchen heulte auf. Von da an war es vorbei. Ich durfte sie im linken Arm tragen, während ich Wirbelwind im Schlitten mit der rechten Hand weiter zog. Völlig verschwitzt kam ich im Kindergarten an. Der Anblick der anderen Schlitten zeigte mir, dass auch andere Eltern auf die Idee gekommen waren, die Kinder - höchstwahrscheinlich überglücklich - durch den Schnee zu ziehen. Ob ihre Kinder auch geweint hatten? Sicherlich nicht.
Auf dem Rückweg hatten wir mehr Zeit. Hier konnte Wölkchen durch den Schnee tapsen, oder sie ließ sich wieder von mir tragen. Das war nicht sonderlich spaßig, bei 11 Kilogramm, die Wölkchen inzwischen wiegt. Wirbelwind zog derweil ihren eigenen Schlitten. Das hatte sie sich sicherlich auch anders vorgestellt. Am Rodelberg angekommen, entstand dann die eingangs erläuterte Szene. Ich bat die Mutter, auf Wirbelwind aufzupassen, während ich mit Wölkchen nach oben ging. Sie brachte mir einen Stunde später meinen ausgepowerten, verschneiten, durchgeweichten aber überglücklichen Wirbelwind nach Hause. Ob Wölkchen in ein paar Jahren auch so glücklich vom Schneespielen nach Hause kommen würde?
Tag 4: Im Osten nichts Neues
In der Nacht hatte es erneut geschneit. Mit dem Buggy würde ich nicht durch den Schnee kommen und ehe wir beim Auto wären und ich selbiges frei geräumt hätte, wären wir auch bereits da. Also meinte ich zuversichtlich zu Wirbelwind: "Wir nehmen heute wieder den Schlitten. Und diesmal schiebe ich Euch die ganze Zeit!". "Haha, das kannst Du Dir so denken, Mama", dachte sich da wohl mein kleines dickköpfiges Wölkchen und die Szene vom Vortag wiederholte sich. Ich bot Wölkchen nun an, den Schlitten ganz alleine zu nehmen. Doch auch das wollte sie nicht. Sie wollte lieber laufen oder gleich von mir getragen werden. Viel zu spät kamen wir mal wieder im Kindergarten an.
Ratlosigkeit
So, und nun frage ich Euch: woran liegt es, dass Wölkchen so partout nicht mehr auf dem Schlitten sitzen möchte und am Rodelberg IMMER heult? Am ersten Tag ging es doch auch.
Schnee an sich findet sie interessant, fasst ihn gerne an und wirft Schneebälle. Das ist es also nicht. Allerdings wird ihr schnell kalt und das mag sie so überhaupt nicht. Oder ist es die Überforderung durch den Kindergarten, der nach einer langen Weihnachtspause nun wieder auf sie einprasselte, gepaart mit der doch noch sehr ungewohnten Materie des Schnees? Ich bin wirklich ratlos. Ich weiß es nicht. Da freut man sich, dass es endlich schneit und man mit den Kindern tolle Dinge erleben kann, und dann wird genau dies zu einer einzigen Katastrophe. Es ist wirklich zum verrückt werden!
Hattet Ihr das auch bei Euren Kindern?