Die Geburt unseres ersten Kindes war scheiße. Körperlich und psychisch anstrengend, streckenweise sogar traumatisch. Auch für meinen Mann war diese Nacht eine sehr schlimme Erfahrung. Wenn ich jemandem davon erzähle, denken manche, dass wir deshalb noch kein zweites Kind möchten. Wahrscheinlich ist das auch Teil der Wahrheit, aber es gäbe Mittel und Wege, eine schwere Geburt zu umgehen. Wunschkaiserschnitt, PDA, usw.
Doch tatsächlich ist es nicht die Erinnerung an die Geburt, die uns abschreckt. Vielmehr war und ist der Rubbelbatz ein sehr anspruchsvolles Kind. Kürzlich habe ich einen Artikel gelesen über 12 Merkmale eines sog. "High-Need Kindes". Eines enorm bedürfnisstarken Kindes könnte man sagen. Unserer erfüllt 11 dieser 12 Kriterien.
In den ersten Lebensmonaten konnte ich ihn nie länger als zwei Minuten ablegen. Tagsüber habe ich ihn ununterbrochen im Tragetuch am Körper getragen oder gestillt. Geschlafen hat er nur, wenn er ununterbrochen Hautkontakt hatte, ich lag nachts die ersten Monate wie ein C um ihn herumgeschlungen. Immer auf derselben Seite. Ihm den Rücken zudrehen kann ich heute noch selten, dafür hat er unsichtbare Sensoren. Auch im Schlaf. Durchschlafen war lang ein Problem, Einschlafen ist bis heute schwierig. Mittags wie abends "kämpfe" ich manchmal stundenlang mit meiner Ungeduld und Unverständnis dafür, warum das völlig übermüdete Kind nicht einfach die Augen zumachen kann. Morgens möchte er aufstehen, noch bevor er einigermaßen ausgeschlafen ist. Dann quengelt er manchmal den ganzen Vormittag, erst nach dem Mittagsschlaf wird es besser. Manchmal.
Versteht mich nicht falsch. Wir haben einen wunderbaren Sohn und ich würde keinen anderen haben wollen. Die vielen positiven Aspekte unseres Alltags möchte ich gegen nichts mehr eintauschen. Aber die letzten zwei Jahre waren anstrengend. Sehr anstrengend. Nach etwa 1,5 Jahren wurde es etwas besser, aber trotzdem benötigt er einen Großteil unserer Aufmerksamkeit. Was Abends oder zwischendurch noch an Energie übrig bleibt, möchte ich gerne für mich und unsere Beziehung aufbringen.
"Ein zweites Kind ist viel weniger anstrengend!"
Dieses Argument bekomme ich fast immer zu hören. Dass ein zweites Kind einfach so mitlaufen würde, das wäre in der Regel so. Dass ein zweites Kind ganz anders wäre, als das erste und niemals so anstrengend. Und diese Regel bestätigt sich auch häufig in meinem Umfeld. Doch gibt es daran für mich zwei "aber":
- Ich habe keine Garantie, dass das so ist. Ein zweites Kind könnte auch tatsächlich genauso anspruchsvoll sein oder sogar noch mehr fordern.
- Selbst wenn ein zweites Kind unfassbar selbstzufrieden, anspruchslos und ruhig wäre: Ein Baby braucht trotzdem Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe. Immer. Jedes Baby. Woher würden wir diese Zeit nehmen? Zunächst würde jedes Stück Freiheit, jede Minute, die wir mittlerweile wieder für uns haben können, draufgehen. Und gleichzeitig müsste auch immer unser Erstgeborener zurückstecken und einem zweiten Baby könnten wir trotzdem nicht annähernd genug geben.
In jedem Fall würde ein zweites Kind bedeuten, dass eine neue, anstrengende Zeit auf uns zukommt. Auch im günstigsten Fall. Dazu fühlen wir uns beide nicht bereit.
"Wir haben noch ein Kügelchen gemacht."
Diesen Satz, zusammen mit einem Bild von einem wunderschönen Schwangerschaftsbauch, habe ich heute von einer Freundin erhalten, die ich leider selten sehe. Die Entbindung ist im Dezember. Ihr erstes Kind ist dann noch keine zwei Jahre alt. Solche Nachrichten häufen sich gefühlt in letzter Zeit. Überall sind zweite Schwangerschaften, zweite Kinder. Der Erstgeborene dieser Freundin war immer ein ganz ruhiges Baby. Er hat schön regelmäßig gestillt, gut geschlafen und lag in der Zwischenzeit hauptsächlich friedlich im Kinderwagen rum. Als sie uns mal besuchen waren, hat sie die Zeit, in der ich im Büro war, im Museum verbracht. Mit einem Baby. Im Museum! Auch ihre Schwangerschaft und Geburt waren problemlos.
Natürlich macht es da Sinn, gleich ein zweites Kind zu bekommen, wenn man ein zweites haben möchte. Ich gönne meinen Freundinnen, dass sie so einfache Babys hatten. Doch gleichzeitig spüre ich in mir so etwas wie Neid. Und Frustration.
Ich selbst habe seit zwei Jahren das Gefühl, hauptsächlich "durchzuhalten" - und die anderen sind so zufrieden mit ihrem Familienleben, dass sie gleich nochmal wollen? Ich hatte mir früher auch immer vorgestellt, mindestens zwei oder vielleicht auch drei Kinder in recht geringem Abstand zu bekommen.
Das war, bevor ich ein eigenes Kind hatte. Ich für meinen Teil musste diesen Plan aufgeben bzw. aufschieben. Da schmerzt es schon, zu sehen, dass er für andere so problemlos in Erfüllung geht.