Wer einer eine Reise nach Tallinn tut, dann kann er was erzählen
"Es waren einmal eine mächtige Stadt an der Ostsee, am finnischen Meerbusen. Sie wurde Hansestadt Reval genannt. Wie reich diese Stadt einst war, sieht man noch heute an den prächtigen Gildehäusern und der imposanten Wehranlage ... "
Wer mit Kindern Tallinn, das frühere Reval, besucht, kann eine Geschichte nach der anderen erzählen, denn eine Reise in die Hauptstadt Estlands ist wie ein Ausflug ins Mittelalter, in die Sowjetzeit und ins Internetzeitalter zugleich. Unsere Kinder Kilian (acht Jahre) und Norah (drei Jahre) wollen zuerst "ganz, ganz alte Sachen" sehen. Also spazieren wir durch die wunderschön renovierte Altstadt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.
Entlang der fast zwei Kilometer langen Stadtmauer kommen wir immer wieder an mächtigen Wehrtürmen vorbei. Im dicksten Turm, der "Dicken Margarethe", ist heute das Schifffahrtsmuseum untergebracht. Auf vier Stockwerken schauen wir uns Schiffsmodelle, alte Taucherausrüstungen und Steuerräder an.
Fast noch spannender findet Kilian das Museum im Turm "Kiek in de Kök", übersetzt "Guck in die Kirche". Der ehemalige Kanonenturm ist so hoch, dass die Wächter von oben den Bewohnern in die Küche schauen konnten. Was unseren Sohn allerdings wenig interessiert. Er hat nur Blicke für die alten Waffen, Kanonen und Ritterrüstungen.
Es waren einmal Bauern, die ganz einfach gelebt haben und keine Traktoren, Mähdrescher und Melkmaschinen hatten ... " Wie hart das Leben vor über 100 Jahren auf Bauernhöfen war, sehen wir im Freilichtmuseum Rocca al Mare. In dem 84 Hektar großen Waldgelände, das bis ans Meer reicht, stehen Dutzende uralter Gutshöfe, Ställe, eine Schmiede, ein Spritzenhaus, Brunnen, eine Kirche, Windmühlen, Fischerhütten - und alte Saunen(!). In den kleinen Hütten haben die Bauersleute nicht nur geschwitzt, sondern auch ihre Kinder zur Welt gebracht. Zum Abschluss stärken wir uns in der alten Dorfschänke mit Gurkensuppe, Fisch und Kartoffelbrei mit Schinken. Köstlich!
Es war einmal ein freches, rothaariges Mädchen, das wohnte in der Villa Kunterbunt ...", erzähle ich in Rumme am Meer. Das stimmt nicht ganz, denn Pippi Langstrumpfs Haus steht ja in Schweden. Aber das alte, grün gestrichene Holzhaus sieht fast wie die Film-Villa aus. Und in der ganzen Stadt stehen noch etliche mehr davon.
Es war einmal eine Stadt, die war von der Außenwelt abgeriegelt, und obwohl die Menschen am Meer wohnten, durfte nicht jeder, der wollte, einfach ans Meer gehen ..." Ich versuche, meinem Sohn zu erklären, wie die Sowjets die Stadt einst kontrollierten. Was das für die Menschen im Alltag bedeutet hat, kann man im Sokos Hotel Viru erfahren. Der Hotelkomplex aus den 70ern beherbergte schon immer viele ausländische Gäste und wurde deshalb vom KGB bis in den letzten Winkel überwacht. Im 22. Stock - hier saßen einst die Geheimagenten - können Besucher in einem kleinen Museum Abhörmikrofone, Wanzen und Geheimdokumente besichtigen.
Von dieser dunklen Zeit ist heute nichts mehr zu spüren, Tallinn hat den mausgrauen Sowjet-Look längst abgelegt: Die alten, einst verfallenen Speicher in der Nähe des Hafens sind modern renoviert, mit viel Stahl und Glas. Es gibt schicke Cafés und Restaurants, hippe Clubs und moderne Boutiquen. In Parks und Shoppingcentern sitzen junge Leute mit Laptop. Denn in der ganzen Stadt kann jeder jederzeit kostenlos im Internet surfen. Und am Flughafen steht seit kurzem sogar die weltweit erste Skype-Video-Telefonzelle. Die Technik dafür wurde in Estland entwickelt.
Es war einmal eine Prinzessin ...", so geht die Geschichte später beim Schloss Katharinental im Stadtteil Kadriorg weiter. Zar Peter I. ließ den Sommerpalast im 18. Jahrhundert für seine Gattin Katharina I. bauen. Heute ist in dem barocken Anwesen die ausländische Kunstsammlung des Estnischen Kunstmuseums untergebracht.
Nur wenige Hundert Meter weiter befindet sich das Miia-Milla-Manda-Kindermuseum (L. Koidula 21C). Norah kann ihr Glück kaum fassen. In dem bonbonfarbenen, fast 100 Jahre alten Spielhaus aus Holz, in dem man alles anfassen darf, gibt es einen altmodischen Kaufladen, viel Holzspielzeug und eine tolle Rutsche für Kleine.
Nach so viel Geschichte und so vielen Geschichten sitzen wir erschöpft im Caf am Schlossteich. Norah füttert Schwäne, ich schaue mir den "Schaulauf" der Bräute an, die im Zehnminutentakt für ihr Hochzeitsfoto im Schlosspark vorfahren, und Kilian bestaunt mit "Boahs" und "Wows" die Stretchlimos, Cabrios und Oldtimer der Brautleute.
Die Gute-Nacht-Geschichte fiel an diesem Tag übrigens recht kurz aus: "Es waren einmal zwei müde Kinder und eine müde, aber sehr zufriedene Mama ..."
Städtereise nach Tallinn: Infos und Tipps
Hin- und Rumkommen
Günstige Flüge nach Tallinn gibt es zum Beispiel mit Air Baltic mit Zwischenstopp in Riga (www.airbaltic.com).
Vor der Ankunftshalle des Flughafens (www.tallinn-airport.ee) fährt der Bus Nummer 2 Besucher ins Zentrum (zum Shoppingcenter Viru Keskus). Da es nur vier Kilometer zur Stadtmitte sind, ist auch ein Taxi erschwinglich. Allerdings variieren die Preise, deshalb vorher danach fragen.
Geld sparen hilft auch die Tallinn Card, die es mit einer Gültigkeit von sechs, 24, 48 und 72 Stunden gibt. Infos: www.tourism.tallinn.ee
Wohnen
Park Inn by Radisson Meriton Tallin: modernes und sehr familienfreundliches Hotel direkt an der Altstadt, mit Wasser- und Saunawelt. Familienzimmer (mit Verbindungstür) für zwei Erwachsene und zwei Kinder (bis zwölf Jahre). www.parkinn.com
Preisklasse: €€€
Hotel St. Barbara: Die Zimmer in dem historischen, zentral gelegenen Kalksteingebäude sind schlicht gehalten. Roosikrantsi 2 a, www.stbarbara.ee
Preisklasse: €€€
Ites Old Town Uus Apartment: Ferienwohnung mit zwei Schlafzimmern (für maximal vier Personen) und eigener Sauna in der Altstadt. Über www.e-domizile.de
Preisklasse: €€
Essen
Café Josephine: In dem gemütlichen Café (Vene Tanav 16) gibt es köstliche Kuchen, Schokoladenspezialitäten, Kaffee und Tee. Ein paar Häuser weiter, in der Vene Tanav 6, befindet sich die zum Unternehmen gehörende Pierre Chocolaterie. www.pierre.ee
Kehrwieder: gehört zu einer Cafékette in Tallinn. Besonders urig sitzt man in den Gewölben am Saiakang 1. Neben süßen Köstlichkeiten gibt es auch Snacks (zum Beispiel Wraps, Sandwiches oder kleine Salate). www.kohvik.ee
Park Café: Nach einem Besuch des Schlosses und der Museen in Kadriorg sollte man sich im Park Café und seinem schönen Garten (A. Weizenbergi 22) oder im Café Nop (Kleri 1, Bio-Essen) eine Pause gönnen.
Kaerajaan: In diesem Restaurant genießt man estnische Küche in modernem Ambiente. Raekoja Plats 17.
F-Hoone: Entspannt mit Kindern ist auch dieses Restaurant in einem umgestalteten Fabrikkomplex im Viertel Kalamaja. Telliskivi 60 a, Gebäude F.
Ansehen
Nuku: Ein beliebtes Theater für Kinder und Erwachsene, aber auch ein Puppenmuseum, in dem unter anderem Marionetten, Mitschnitte von Aufführungen und Kostüme gezeigt werden. Um die Ecke vom Museumseingang ist in einem Schaufenster ein Steampunk-Theater untergebracht. Jeweils zur halben und zur vollen Stunde bewegen sich die Puppen in dem Schaufenster zu Musik. Lai 1, www.nuku.ee
Science Center Ahhaa: Hier macht Lernen Spaß. Wie entsteht ein Tornado? Wie viel Strom erzeugt ein Fahrrad? Wie lange kann ich die Balance halten? Vabaduse vljak 9, www.ahhaa.ee
Seaplane Harbour: In dem neuen Meeresmuseum im Stadtteil Kalamaja ist vom U-Boot über das älteste Schiffswrack bis zum größten Eisbrecher der Welt viel Spanndes zu sehen. www.lennusadam.eu
Schloss Katharinental: Nur wenige Meter vom Meeresmuseum entfernt liegt das Schloss Katharinental. Es beherbergt die ausländische Sammlung des Estnischen Kunstmuseums. Die beiden Museen sind durch den herrlichen Schlosspark verbunden. A. Weizenbergi 37.
Shoppen
Wollmarkt: Mützen, Schals, Pullover, Handschuhe etc. (ab circa 15 Euro) im skandinavischen und estnischen Stil kann man auf dem traditionellen Wollmarkt bei der Stadtmauer (Viru) kaufen.
Icon-Kristiine Center: Hier gibt es ausgefallene estnische Mode (Endla 45, 2. Stock), aber auch in den Shops von Bastion und Monton (unter anderem im Viru Shoppingcenter, 2. Stock).
Kalev Marzipan Museum Room: Ein Ein-Zimmer-Museum, in dem Besucher zusehen können, wie Marzipan in Handarbeit bemalt wird. Selbstverständlich gibt es die süßen Leckereien auch zu kaufen. Pikk tn 16. www.kalev.eu
Ausflüge
Ans Meer: Wer sich zwischendurch eine frische Brise um die Nase wehen lassen will, sollte vom Busbahnhof im Viru Shoppingcenter die Busse 1, 8, 34 oder 38 bis nach Rumme (circa 15 Minuten Fahrt) nehmen. Von dort kann man am Meer zurück Richtung Stadt schlendern.
Rocca al Mare: In dem Freilichtmuseum zeigen Frauen und Männer in Originaltrachten, wie das Leben auf dem Land früher war. Bus Nr. 21 fährt circa zweimal pro Stunde vom Bahnhof aus dorthin. Vabahumuuseumi tee 12, www.evm.ee
Weitere Infos für die Städtereise nach Tallinn
Weitere Infos:www.tourism.tallinn.ee und www.visitestonia.com
Tipp: Wer den Tallinn-Trip mit einem Estland-Aufenthalt verbinden möchte, findet reizvolle Familienurlaubsangebote unter www.baltikum-exklusiv.com
Preiskategorien
€€€€ Luxusklasse €€€ Mittleres Preisniveau €€ Preiswert € Sehr günstig