Plötzlich ist Pauli ganz still. Er kuschelt sich in der Trage an meinen Rücken und macht unter seinem Sonnenhütchen große Augen. Ob er so glücklich ist, weil er dem Himmel noch nie so nah war? Immerhin sind wir auf der 2070 Meter hohen Schwarzseespitze. Die Bergbahn Rittnerhorn hat uns hier hingebracht. Fast könnte man ein schlechtes Gewissen bekommen, weil dieser Bergtraum so strapazenlos erreichbar ist. Und nur eine Stunde, so steht es auf den Schildern, führt ab der Bergbahnstation der „Panorama-Rundweg“ um die Schwarzseespitze herum. Immer im Blick: das 200 Meter höher gelegene Rittner Horn.
Beinahe kahl wirkt der Hausberg der Landeshauptstadt Bozen, im Winter fährt man hier Ski. Unterhalb davon: nichts als Latschen! Fast die ganze Bergkuppe ist von diesem satten, dunkelgrünen Nadelgehölz überzogen, durch das der Panoramaweg führt. Es riecht nach Mittelmeer-Urlaub mit einem Hauch Sonnencreme – bis sich schon nach ein paar Minuten Pauli bemerkbar macht: Das Kind braucht einen Wickelstopp. Also erst mal einkehren. Zum Glück liegt ein paar Minuten später der Gasthof Unterhorn am Wegesrand. Pauli riecht wieder nach Rosen – oder ist es das Blumenbeet neben uns? Beim Essen blinzeln wir in die Berge ringsum, Paul hat nur Augen für Papas Schnitzel. Nach meinen „Kaspressknödeln“ mache ich mich auf einem der Liegestühle lang. Hach, wenn unser Süßer etwas größer wäre, könnte er auf dem neuen Spielplatz toben und wir Eltern ein bisschen Wir-Zeit haben …
Aber nix da, weiter geht’s. Zurück auf dem Panorama-Weg wird der Blick hinüber zur Seiser Alm, der größten Hochalm Europas, immer schöner. Und dann stehen wir minutenlang einfach nur da und gucken: links, geradeaus, rechts – nichts als Gipfel bis fast ans Ende der Welt in immer heller werdenden Blauschattierungen. Gemalt wär’s kitschig. Besonders großartig ist die Aussicht an einer hölzernen Terrasse mit rundem Tisch, Drehstühlen und Metall-Panorama samt Gipfelnamen. Unter uns ein Miniaturwunderland aus tiefgrünen Tälern, Dörfern mit Holzscheunen, Kirchen und Bauernhäusern. Darüber die markantesten Gipfel der Dolomiten: Langkofel, Plattkofel, Schlern, Rosengarten. Und da links, was ist das Abgefahrenes? Eine weite Hochalm in bizarrer Schräglage mit zackiggrauem Überbau? Die Seceda im Grödnertal, auch Val Gardena genannt, verrät die Metallkarte. „Sicher der Hammer da“, sagt mein Mann. „Dann fahren wir morgen hin“, sage ich. Noch ein Mann mehr in der Familie glücklich.
Am nächsten Mittag sind wir in St. Ulrich, dem größten Ort des Grödner Tals. Eine Stunde lang geht es über Serpentinen durch grüne Natur, die wir am Tag zuvor von oben bestaunt hatten. Dann sind wir da – mal wieder viel später als geplant. Noch 500 Höhenmeter mehr als am Tag zuvor geht es mit der Seceda-Bahn auf den gleichnamigen Berg. Pauli nimmt’s wieder gelassen. Ein zünftiger Miniatur-Bergsteiger, sofern er sein Essen bekommt: Oben muss bitte sofort der Brei-Thermosbecher ausgepackt werden. Ein Kunststückchen bei der Schräglage, aber sicherlich das schönste Lunchpanorama seines Lebens: schräg abfallende Buckelwiesen, durch die schmale Wanderwege führen, Holzhütten. Und das Dolomiten-Panorama schlechthin: die gezackten Geisler-Spitzen, die wir von gegenüber gesehen hatten, der massive, breit gezogene Sella-Stock und der fein gezackte Langkofel.
Wandern mit Baby in Südtirol
„Eine Landschaft wie auf einem Puzzle“
Danach quakt Pauli vor sich hin, während ich ordentlich ins Ächzen komme. Ich hatte aus der Ferne unterschätzt, wie steil es hier ist. Daniel könnte das Kind natürlich auch tragen, macht aber so gern Fotos … 200 Höhenmeter geht es ziemlich steil bergab zu unserem nach Sicht ausgewählten Zwischenziel: der urgemütlichen Danielhütte mitten auf der Wiese. Das dunkle Hüttenholz riecht nach Sonne und Harz, auf der Terrasse ist es an diesem Tag so still wie lange nicht mehr in unserem Leben, und die Südtiroler Küche schmeckt superfein! Pauli beobachtet, vom Mittagsschlaf erwacht, den Papa andächtig beim Spaghetti-Essen, darf Schüttelbrot lutschen und bäuchlings auf dem Tisch liegend neben unserem Cappuccino in die Berge schauen.
Dann wollen wir noch auf den Höhenweg unterhalb der Geisler-Spitzen. Er führt so schön abenteuerlich schmal zu unserer Bergbahn zurück. Die 15 Minuten zur Troier Hütte, die auf dem Weg liegt, gehen prima. Doch die steilen 200 Höhenmeter zum Höhenweg muss ich gaaanz langsam angehen. „Respekt“, raunen mir zwei Wanderer ob meines Babygepäcks zu. Zu Recht. Die Zeit vergeht, und es wird knapp, um 17 Uhr geht die letzte Gondel. Wir können aber nicht schneller, es ist einfach zu schräg hier! 16.49 Uhr. Wir sind da. Panikknopf aus.
Am nächsten Tag braucht Paul Pause. Oder sind wir es? Die Nacht jedenfalls war anstrengend. Gut, dass unsere Juniorsuite im „Parkhotel Holzner“ zwei Türen hat – und wir an Tag 3 einfach nur chillen können: Unter der Trauerweide Pauli beim Grasrupfen zugucken, mit Vogelgezwitscher und Baby im Arm einschlummern (Papa), in die Sauna gehen (Mama), gemeinsam im Pool plantschen und abends glühende Bergspitzen am Horizont bewundern: Hat mal jemand gesagt, Urlaub mit Baby sei nicht erholsam?
Genug Energie getankt für den letzten Streich. Wir machen es dabei wie schon die besseren Herrschaften vor mehr als 100 Jahren: Wenn es unten im Bozner Talkessel unerträglich heiß war, fuhr man auf den Ritten, wo ein angenehmes Lüfterl weht, und wanderte auf einer der vielen Promenaden. Unsere Tour, die „Fenn-Promenade“, geht prima mit Kinderwagen. Direkt ab Klobenstein, dem Hauptort am Ritten, geht es erst durch Hänge mit duftendem Heu, dann in den erdig riechenden Wald hinein. Zwischen Buchen, Föhren und Fichten – Pauli will unbedingt die Rinde anfassen – erspähen wir den Schlern, dann führt der Weg in sanftem Auf und Ab bis zur Hauptattraktion: dem Aussichtspunkt Richtung Erdpyramiden. Ein Sandsteintürmchen neben dem anderen ragt in den Himmel, geschützt von einem flachen, aufliegenden Stein. Ganz schnell vorbei ist es mit einer Erdpyramide, wenn dieser feste Deckstein von der Spitze der Pyramide fällt: Dann wird die Säule mit jedem Regen kleiner.
Später, im Dorf Lengmoos, geht’s auf die Hauptstraße, 500 Meter weiter kommen wir auf einem Pfad den Pyramiden noch näher. Die Erdtürme, die Nikolauskirche mit Zwiebelturm und schönste Südtiroler Bergwelt: eine Landschaft wie aus den Puzzles meiner Kindheit. Dem Wagenwandersmann ist das schnuppe, der verpennt die Aussicht unterm Sonnenhütchen. Und ist gerade bestimmt so glücklich wie wir.
Schlafen: Hotel-Tipps
- Parkhotel Holzner in Oberbozen
In diesem Jugendstil-Paradies gehören Minis wie selbstverständlich dazu: Wickeltisch, Babywanne und Gitterbettchen sind auf dem Zimmer, Baby- und Infinitiy-Pool im Wellnessbereich und Fünf-Gänge-Dinner mit glühenden Bergspitzen am Horizont (DZ mit HP ab rund 220 Euro).
www.parkhotel-holzner.com
Schlemmen: Restaurant-Tipps
- Zum Zirn an der Bergbahn Rittner Horn
Das Essen im Berghotel am Fuß der Bergbahn ist preisverdächtig, jedes großmutterinspirierte Gericht ein Gedicht. Am besten mittags kommen oder sich zum Abendessen anmelden. Mit etwas größeren Kindern auch ein prima Übernachtungstipp!
www.zumzirm.com
Wandern mit Kinderwagen: drei Top-Touren
- Im Pustertal führt ein Lernpfad entspannt am flaschengrünen Antholzer See entlang. www.sentres.com
- Von Stern nach Corvara wandern heißt rund acht Kilometer Wald, Wasser, Weiler in der Nähe von Alta Badia. www.altoadigepertutti.it
- Zackig: Vom langgezogenen Durnholzersee in den Sarntaler Alpen 300 Höhenmeter rauf zur Seebalm. www.sentres.com