Wie erziehen wir widerstandsfähige Kinder? Diese Frage bekam Neuropsychologin Taryn Marie Stejskal auf ihren Vorträgen oft zu hören. Seit Jahrzehnten forscht sie zum Thema Resilienz. Ihre Erkenntnisse als Wissenschaftlerin und Mutter beschreibt sie im amerikanischen Newsportal "CNBC": "Ich habe herausgefunden, dass es vor allem eine Fähigkeit gibt, die das Selbstvertrauen und die Widerstandskraft meiner Kinder stärkt: sich auf gute Weise Sorgen machen."
Die Rolle der Eltern bestehe nicht darin, alle Sorgen aus dem Leben der Kinder fernzuhalten, sondern ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, um Ängste bewältigen zu können. Hier sind Tipps, wie das gelingen kann.
Zeit und Raum für Sorgen lassen
Eltern wollen, dass es ihren Kindern gut geht. Um zu beruhigen und ihnen Sicherheit zu geben, rutschen schnell Sätze über die Lippen wie "Mach dir keine Sorgen" oder "Du brauchst keine Angst zu haben". Was du stattdessen probieren kannst: Bitte dein Kind, sich Zeit für tägliche "Sorgensitzungen" zu nehmen.
Für eine Sorgensitzung stellst du einen Timer auf fünf Minuten. In dieser Zeit darf und soll dein Kind an alle Aspekte seines Anliegens denken, die ihm Sorgen bereiten – oder darüber sprechen dürfen. Oder es schreibt alle Ängste auf, die bei dem Thema, um das es geht, aufkommen. Ist die Zeit um, bitte dein Kind, seine Sorgen jetzt loszulassen und nicht weiter darüber nachzudenken. Fängt es später wieder an zu grübeln, weise es darauf hin, dass diese Gedanken bei der nächsten "Sorgensitzung" Raum bekommen.
Dieses Verfahren wendet übrigens auch der Bochumer Psychologe Tobias Teismann an, der Erwachsenen in einer kognitiven Verhaltenstherapie beibringt, wie sie aus ihrem eigenen Kopfkarussell aussteigen und die Grübelspirale stoppen. Neben den festen Grübelzeiten empfiehlt er auch einen festen Grübelort. Zum Beispiel einen Sessel oder eine bestimmte Raumecke. Indem man Aufstehe und den Ort verlasse, könne man auch die negative Denkweise besser hinter sich lassen. Kleiner Tipp: Die Grübelecke sollte weit entfernt vom Schlafplatz deines Kindes sein.
Gestaltet eine Sorgenbox
Lass dein Kind eine besondere Kiste oder ein schönes Glas gestalten. Alle Sorgen und Ängste, die im Alltag aufkommen, schreibt ihr auf kleine Zettel – und werft sie hinein. Manchen Kindern hilft die Ansage, dass sie nun, da die Sorge in der Box ist, nicht mehr darüber nachgrübeln brauchen.
Eine Alternative sind die Kuscheltier-Sorgenfresser, in deren Reißverschluss-Mund die Zettel gesteckt werden können. Auch die kleinen südamerikanischen Sorgenpüppchen aus Draht und Stoff sind eine Möglichkeit, dass dein Kind seine Ängste und Befürchtungen abgibt, anstatt sie mit sich herumzuschleppen.
Malt euch das Worst-Case-Szenario aus
Frag dein Kind "Was kann im schlimmsten Fall passieren?" Ja, wirklich: Bitte dein Kind, sich sein Worst-Case-Szenario lebhaft auszumalen. Macht gerne ein Spiel daraus und versucht, euch im Ausmalen der schlimmsten Möglichkeiten zu übertreffen.
Und dann überlegt, wie ihr damit umgehen würdet. Hat dein Kind Angst, eine Prüfung nicht zu bestehen? Erzähle, wie ihr eine:n Nachhilfelehrer:in engagieren würdet, sollte dieser Fall eintreten. Die Worst-Case-Übung hilft deinem Kind, eine andere Perspektive einzunehmen. Es erkennt, dass es auch mit vermeintlich schlimmen Situationen klarkommen wird und lernt, dass es immer Wege gibt, um Probleme zu bewältigen. Außerdem kannst du deinem Kind bei dieser Übung vermitteln: Egal, was eintritt, du bist wichtig und wirst geliebt.
Pflegt die Gedanken an Gutes
Kinder tendieren – wie wir Erwachsenen – dazu, sich nur Gedanken um schlimme Ergebnisse zu machen. Ermutige dein Kind auch dazu, sich das Beste vorzustellen, das passieren kann. Stejskal beschreibt eine Urlaubsanekdote mit ihrem Sohn, der ein eher ängstliches Kind sei. Vor einer Fahrt mit dem Heißluftballon habe er eine Million Fragen gehabt, "darüber, was passieren würde, wenn der Ballon platze oder ihm die Luft ausginge. Ich sagte ihm, er solle sich vorstellen, mit dem Wind im Haar über der Erde zu schweben". Dieser Perspektivwechsel habe ihn mehr in Balance gebracht.
Betone positive Ergebnisse
Die Ballonfahrt, von der Stejskal schreibt, habe wunderbar funktioniert. Bis sie landen wollten – und absolut kein Lüftchen mehr geweht habe. Sie hätten in der Luft gehangen und der Treibstoff sei langsam zur Neige gegangen. Als der Pilot seinen alternativen Landeplan besprach, habe ihr Sohn gefragt, ob es Zeit sei in Panik zu geraten. Stejskal antwortete: "Nein, aber wenn es wirklich Grund zur Panik gibt, wirst du es als erster erfahren."
Nachdem sie wieder auf dem Boden waren, bekräftigte Stejskal für ihnen Sohn, was gut gelaufen war: "Wir sind sicher gelandet und konnten eine atemberaubende Aussicht genießen. Ich sagte ihm, obwohl er Angst gehabt habe, sei es am Ende eine großartige Erfahrung gewesen." Daran könne er sich in Zukunft immer erinnern, um sich selbstsicher und belastbar zu fühlen.