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Renovieren Unser Heim soll schöner werden

Das Kinderzimmer braucht einen neuen Anstrich und beim Babybettchen ist der Lack ab? So vermeiden Sie Schadstoffe in Farben, Böden und Tapeten - und peppen das eigene Heim gekonnt auf!

Synthetische oder natürliche Zusätze - eine Glaubensfrage!

Renovieren: Unser Heim soll schöner werden
© Xenia1972 - Fotolia.com

Die gute Nachricht: Die klassischen Umweltgifte sind auf dem Rückzug. "Die Belastung mit herkömmlichen Lösemitteln und dem krebserregen-den Formaldehyd ist zurückgegangen", sagt Bernhard Schwald, Umwelttechniker beim TÜV-Süd in München. Die Industrie setzt inzwischen auf natürliche Mittel. Für das Raumklima hat das leider trotzdem nicht nur positive Folgen. "Man dachte, mit biologischen Mitteln würde alles besser. Aber auch da gibt es Nebenwirkungen", erklärt Allergologe und Umweltmediziner Dr. Peter Ohnsorge aus Würzburg.
Die Krux: Ganz ohne Ausdünstungen zu renovieren ist nicht möglich. Farben, Lacke, Kleber brauchen Binde- und Lösungsmittel, damit sie sich verstreichen lassen und haften bleiben. Es gibt deshalb nur zwei Möglichkeiten: Entweder man greift zu Produkten mit synthetischen und chemischen Zusätzen - die dünsten rasch und heftig aus, was bedeutet: eine Woche abwechselnd kräftig lüften und heizen. Oder aber man wählt etwa Naturfarben, die als Bindemittel Rizinus- oder Leinöl verwenden. "Sie verdampfen nur langsam und hängen Monate in der Luft", sagt Schwald. Er und seine Kollegen messen heute höhere Konzentrationen von Glykolverbindungen (die in solchen natürlichen Bindemitteln enthalten sind) in Innenräumen. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind noch unzureichend erforscht. Für Allergiker sind sie aber reizend und können die Schleimhäute angreifen.
Eine Studie des Umweltbundesamts hat ergeben, dass sich bei Kindern aus wohlhabenden Familien mehr allergiebegünstigende Terpene nachweisen lassen. Die Annahme: Ihre Eltern greifen öfter zu natürlichen Werkstoffen, in denen Terpene als Weichmacher oder Lösemittel vorkommen. Terpene verflüchtigen sich nur sehr langsam und können Allergikern so über lange Zeiträume zu schaffen machen.
Letztendlich ist es eine Glaubensfrage: Man muss sich entscheiden zwischen den synthetischen, "bösen" Zusätzen, die dafür aber schnell ausdünsten und die Raumluft nicht lange verschmutzen. Und natürlichen Zusätzen, die länger in der Luft bleiben und deren gesundheitliche Auswirkungen, vor allem für Allergiker nicht geklärt sind. Kinder und Erwachsen ohne erhöhtes Allergierisiko vertragen natürliche Stoffe aber in jedem Fall besser als Emissionen aus syn-thetischen Quellen. Ein Wegweiser für das Kinderzimmer: Xenia1972 - Fotolia.com

Die Wände: Der richtige Anstrich

Die meisten Schadstoffe gelangen während des Streichens in die Luft

Die erste Maßnahme vor dem Renovieren: Packen Sie einen Picknickkorb und schicken Sie die Kinder auf einen Ausflug mit ihrer Oma. Denn die meisten Schadstoffe gelangen während des Streichens in die Luft. Arbeiten Sie deshalb möglichst bei geöffnetem Fenster und lüften Sie danach gründlich.
Der Klassiker für den Wandanstrich ist Dispersionsfarbe. Am besten wählt man hier Naturdispersionsfarben, die weitgehend auf künstliche und mineralölhaltige Zutaten verzichten. Stattdessen enthalten sie Leinöl oder Rizinusöl - und somit Terpene.
Die umwelt- und raumluftfreundliche Variante: Leim- und Kaseinfarben. Bei Ihnen ist Leim beziehungsweise Milcheiweiß das Bindemittel. Deshalb sind sie quasi frei von Emissionen und geben keine Gerüche ab. Ihr Nachteil: Sie sind teurer und nur im Fachhandel erhältlich. Leimfarbe lässt sich zudem nur wieder mit Leimfarbe überstreichen. Als Mieter müssen sie deshalb beim Auszug die Wände abwaschen. Kasein- wie Leimfarbe sind unkompliziert in der Verarbeitung und vielfältig - zum Beispiel auch für Wischtechniken - einsetzbar.

Für Räume mit hoher Luftfeuchtigkeit empfehlen Innenraumanalytiker Kalk- und Silikatfarben. Sie enthalten nur wenig organisches Material und beugen Schimmel vor.
Der neueste Hit: Lehmputz anstelle von Wandfarbe. Er soll sich positiv auf das Raumklima auswirken, weil er die Luftfeuchtigkeit reguliert, das Zimmer im Sommer kühlt und im Winter wärmt. In der Regel wird er nicht überstrichen

Die Tapete: Papier schlägt Stoff

Machen Sie einen Bogen um Kunststofftapeten!

Sie kleben sich altes Zeitungspapier, Werbepost oder Lottoscheine an die Wand? Gut so. Wer eine mit dem "Blauen Engel" gekennzeichnete Raufasertapete auswählt, tut genau das. Sie bestehen zum Großteil aus Altpapier, sind auf Schadstoffe wie Schwermetalle geprüft und zudem umweltgerecht hergestellt.
Insgesamt sind Raufaser- und Papiertapeten eine gute Wahl: Sie dünsten schnell ab, tragen zum Feuchtigkeitsaustausch bei und vermeiden somit, dass sich Schimmel bildet. Sobald Sie jedoch mit Dispersionsfarbe darüberstreichen, ist dieser Effekt dahin. Der Feuchtigkeitsaustausch kann dann nicht mehr stattfinden.
Einen Bogen machen Sie besser um Kunststofftapeten. Bereits in der Herstellung setzen sie eine erhebliche Menge Schadstoffe frei. Und mancher Vorteil - etwa dass sie abwaschbar sind - kommt oft nur durch eine Beschichtung mit PVC zustande. Das Gefährliche daran: PVC enthält Weichmacher, die in den Hormonhaushalt vor allem bei Kindern eingreifen. Ähnlich attraktive Effekte wie mit Kunststofftapeten lassen sich mit Stofftapeten erzielen. Allerdings tun sie Allergikern nicht gut, weil sie Staub binden und so im Zimmer halten.
Ein Wort zum Kleber: Bei Tapeten-kleister rät TÜV-Experte Schwald zu Naturleim. Seine Ausdünstungen sind unproblematisch. Um alte Tapeten zu entfernen, benötigt man übrigens kei-ne Lösungsmittel. Die Wasserpistole der Kinder (oder ein Schwamm) reicht: Einfach die Wände nass machen und die Tapete lässt sich großflächig und in einem Stück abziehen.

Die Möbel: Wenn der Lack abmuss

Bevor Holzmöbel, Türen und Fenster einen neuen Anstrich bekommen, muss man sie von Farbresten befreien. Vorsicht: Alkalische oder lösende Abbeizmittel können Nebenwirkungen bis hin zu Atemnot oder Blasen auf der Haut verursachen. Man sollte sie deshalb nur im Notfall (zum Beispiel zum Abbeizen von hartnäckigen Kunstharzfarben) verwenden. Gehen Sie mit dem Möbelstück ins Freie. So gelangen Rückstände gar nicht erst in die Wohnung.
Umweltverträglicher ist es, Möbel und Fenster mechanisch abzuschleifen. Vorsicht aber auch hier: In alter Farbe sind Schadstoffe gebunden. Deshalb: Ebenfalls ab in den Garten oder die Garage. Wer eine Tischplatte oder einen Bettrahmen abbeizen will, verwendet am besten einen Abzieher aus dem Baumarkt. Das Gerät eignet sich für große, ebene Flächen und ist ökologisch unbedenklich.

Farbtupfer ohne Gewissensbisse

Vorneweg: Lasuren oder Lacke für Möbel immer sparsam verwenden. Zum Glück reichen schon wenige Farbtupfer (ein roter Tisch, ein blauer Schrank oder bunte Stühlchen) aus, um das Kinderzimmer optisch aufzumöbeln. Weil bereits während des Anstrichs Lösungsmittel frei werden, sollten Sie auch diese Arbeiten draußen oder in einer Garage erledigen.
Naturlacke sind nur eingeschränkt geeignet: Lacke sind hoch komplizierte Gemische aus einer Vielzahl von Substanzen. Auf den hohen Anteil von Lösungsmitteln reagieren Kinder, insbesondere Allergiker, empfindlich. Stattdessen kann man Dispersionslacke (Acryllacke) ver-wenden. Sie sind mit bis zu zehn Prozent Lösungsmittel relativ emissionsarm. Und, anders als die Zimmerwand, kann man den Kleiderschrank draußen auslüften lassen. Die schneller ausdünstenden Dispersionsfarben sind da von Vorteil, auch wenn sie nicht aus natürlichen Rohstoffen bestehen. "Warten Sie aber unbedingt, bis das Möbelstück gut ausgegast ist, bevor Sie es wieder ins Kinderzimmer stellen", so Dr. Peter Ohnsorge.

Die Böden: Wohlgefühl auf Holz, Linoleum oder Kork

Auf Korkböden lässt es sich prima spielen

Parkettböden sind strapazierfähig und halten ein Leben lang. Beim Toben und Rennen können sie allerdings laut werden. Wenn Sie sich trotzdem dafür entscheiden, bedenken Sie: Günstiges Fertigparkett ist ein Verbundstoff und enthält meist Formaldehyd (von der WHO als krebserregend eingestuft). Vermeiden können Sie das, wenn Sie zum teureren Vollholz- oder Stäbchen-Parkett greifen, das nur mit etwas Erfahrung zum Selber-Verlegen geeignet ist.
Wer die Arbeit nicht scheut, versieht das Zimmer vor dem Verlegen mit einem Trockenest-rich. "Darauf lässt sich das Parkett dann ganz ohne Kleber nageln oder verschrauben", empfiehlt Innenraumanalytiker Dr. Gerhard Führer vom Peridomus Institut. Das natürliche Wohngefühl des Holzbodens erhält am besten eine gewachste oder geölte Oberfläche. Zudem lassen Kratzer sich hier leichter ausbessern als bei einem mit Lack versiegelten Parkett.
Die günstige Variante ist Laminat. "Das hat allerdings ein hohes Emissionspotenzial", so Führer. Auch Mediziner Ohnsorge gibt zu Bedenken: "Laminat besteht wie Fertigparkett aus Verbundstoffen, daraus dünstet zu viel Formaldeyd aus."
Besser sind deshalb Bodenbeläge aus Linoleum. Sie bestehen aus natürlichen, nachwachsenden Rohstoffen. Eine Mischung aus Leinöl, Baumharzen, Kork- und Holzmehl sowie Kalksteinpulver ergibt die strapazierfähigen Böden in allen Farben. "Wenn sie oberflächenversiegelt sind, sollte man aber fragen, ob der Boden gewachst, geölt oder lackiert ist", rät Experte Führer. Synthetische Wachse und Öle sind unbedenklich. Lackiertes Linoleum sollten Sie dagegen meiden. Ein Linoleumboden kann bis zu 30 Jahre in der Wohnung bleiben. Unmittelbar nach dem Verlegen riecht er zwar stark, allerdings han-delt es sich nicht um gefährliche Stof-fe. Weichmacher sind in Linoleum nicht enthalten.
Richtig gut: Korkböden. Sie sind gemütlich warm, dämpfen den Schall, schonen die Gelenke und tun dem Raumklima gut - und es lässt sich darauf prima spielen. Zwar kann auch Kork Formaldehyd und Phenol an die Raumluft abgeben. Mit einem Boden, der das "Kork-Logo" vom deutschen Kork-Verband (www.kwg-kork.de) trägt, ist man aber gegen Schadstoffe abgesichert.

Teppichböden: Flor mit bedenklicher Fauna

Besser: Klettbänder verwenden anstelle von Kleber

Kuschelig spielt und krabbelt es sich auf einem klassischen Teppichboden. Schafwollteppiche haben zudem eine positive Wirkung auf das Raumklima und können sogar Formaldehyd ab-bauen. Allerdings ist ein Teppich auch immer ein Tummelplatz für Hausstaubmilben. Allergiker reagieren oft mit Schnupfen, tränenden Augen oder Asthma. Achtung auch vor Insektiziden: Fast alle Wollteppiche sind zum Schutz gegen Motten und Ungeziefer damit belastet. Achten Sie beim Kauf auf das TÜV-Umweltsiegel.
Beim Verlegen gilt: Kleber sparen. Großflächiges Verkleben ist out. Stattdessen: gezielte Kleber-Linien an den Rändern und Ecken, um den Teppich zu befestigen. "Wenn ein Teppich nicht sehr stark beansprucht wird, reicht das", so TÜV-Experte Schwald. Emissionsarme Klebstoffe erkennt man zum Beispiel am "Blauen Engel". Noch besser ist, ganz auf Kleber zu verzichten - indem man Klettbänder verwendet.

Steinböden: von den Nachbarn lernen

Man kennt sie aus südlichen Ländern, wo sie dafür sorgen, dass Wohnungen und Häuser auch bei hochsommerlichen Temperaturen angenehm kühl bleiben: Böden aus Stein oder Flie-sen. Für Umwelttechniker Schwald, der in Wohnungen die Schadstoffbelastung ermittelt, haben sie einen großen Vorteil: "Bei Steinböden erzielen wir regelmäßig die besten Messergebnisse."
Kein Wunder: Stein ist ein reines Naturprodukt, Fliesen bestehen aus Ton, Quarz und mineralischen Zusätzen. Aber wird es auf solchen Böden nicht etwas kalt? "Dagegen hilft eine Fußbodenheizung", so Schwald. Und wer das im Kinder-zimmer immer noch zu ungemütlich findet, legt einen losen Teppich darüber - schadstoffarm, versteht sich.

Das Einmaleins der Farben

Mal heiter, mal niedergeschlagen, zerstreut oder ganz konzentriert? Die Farben in unserer Umgebung beeinflussen, wie wir uns fühlen. Bevor Sie zum Pinsel greifen und den Wänden einen neuen Anstrich verpassen, können Sie hier unseren kleinen Test zur Farbenlehre machen: Wissen Sie, mit welchem Farbton Sie eine bestimmte Wirkung erzielen?

Lüften: Auf Durchzug schalten

Nicht nur während der heißen Renovierungsphase: Für richties Lüften gilt die Losung "Alles oder nichts." Nur wenn die Fenster weit offen sind, ist es möglich, dass verbrauchte, sauerstoffarme Luft und Frischluft ausgetauscht werden. Wenn dabei leichter Zug entsteht - umso besser. Nach etwa fünf Minuten die Fenster wieder schließen. Die beste Wirkung erzielt man, wenn man das Stoßlüften mehrmals wiederholt. Experten empfehlen fünf Mal täglich. So bleibt die Luftfeuchtigkeit niedrig. Schimmel trocknet aus, bevor er entsteht.
Uneffizient ist dagegen Dauerlüften mit gekipptem Fenster: Der Luftaustausch bleibt gering. Stattdessen steigen die Heizkosten.
Extra-Tipp: In Badezimmer und Küche entsteht der meiste Wasserdampf. Geschlossene Türen verhindern, dass sich Feuchtigkeit in der Wohnung ausbreitet. Lassen Sie die alte Luft unbedingt nach außen abziehen.

Nach dem Renovieren: Heizen!

Mit einem einfachen Trick, dünsten Schadstoffe aus Farben, Bodenbelägen oder Klebstoffen nach dem Renoviere schneller ab: Wechseln Sie kräftiges Heizen und kräftiges Lüften ab - auch wenn es Sommer ist und draußen die Sonne scheint. Bernhard Schwald vom TÜV-Süd erklärt, wie es geht: "Drehen Sie die Heizung ganz auf und warten Sie bis sie heiß ist. Anschließend lüften Sie etwa eine Viertel Stunde mit weit geöffnetem Fenster." Hohe Temperaturen sorgen dafür, dass gesundheitsgefährdende Stoffe schneller austreten, Lüften transportiert sie nach draußen. Diesen Vorgang mehrmals täglich etwa eine Woche lang wiederholen - dann kann man beruhigt wieder in das renovierte Zimmer ziehen.

Weitere Infos

Viele weitere nützliche Tipps, um Ihrer Familie ein gesundes Umfeld zu schaffen, finden Sie auch unter www.nestbau.info. Die Site wird betreut von WECF – Women in Europe for a Common Future, einem internationalen Netzwerk aus Organisationen, die sich für Gesundheit, Umweltschutz und die Information über Chemikalien im Alltag einsetzen.

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