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Kolumne Dietz & Das Von Ferien zu FAIR-ien – von Deadlines zu DAD-lines

André und Shari Dietz mit ihren vier Kindern 
André und Shari Dietz mit ihren vier Kindern 
© Catja Vedder
Prolog
Es ist Montagmorgen. Alle Kinder sind zu Hause, dieser Text musste vorgestern raus, ich habe keine Ahnung wie das gehen soll, packe mir meinen Laptop und versuche irgendwo in diesem Chaos eine ruhige Stelle zu finden.

Die Sommerferien hinter uns gelassen, bereiten wir uns aktuell schon wieder auf die Herbstferien vor. Verrückte Welt. 6 Wochen. Ich kann mich noch genau erinnern, wie sehr ich mich als Kind auf Ferien gefreut habe. Diese unbeschwerte Zeit, in der man in den Urlaub fährt, Ferienprogramm im Fernseher schaut, ständig bei seinen Freunden schläft und coole Ausflüge und Urlaube macht.

Endlich Ferien. Endlich ausschlafen, endlich entspannen.

Nach den Ferien sind wir urlaubsreif

Was bei Teenies und Kindern große Glücksgefühle auslöst, bereitet uns schon Wochen im Voraus wahnsinnige Kopfschmerzen. Wenn man Kinder hat, bedeuten lange Ferien wenig arbeiten und viel organisieren. Wir haben vier davon. Und ein Kind mit Behinderung, das immer eine 1:1 Betreuung benötigt. Wir sind beide selbstständig. Wenn wir nicht arbeiten, verdienen wir kein Geld. In den Ferien kommen wir an unsere physischen und psychischen Grenzen. Nach den Ferien brauchen wir immer Urlaub! Gibt es dann natürlich nicht.

Kinder brauchen Ferien

Ich habe mal gelesen, dass die langen Ferien früher der Vereinbarkeit dienten: Im Sommer und Herbst musste geerntet werden und dafür benötigten die Familien jede Arbeitskraft. Das ist heute auf jeden Fall anders. Heute sind sie für die Vereinbarkeit eher kontraproduktiv, außer sie hätten Bock im Haushalt zu helfen. Haben sie aber nicht!

Und trotzdem haben die Ferien natürlich ihre Berechtigung. Kinderhirnchen brauchen Ihre Pausen. Sie müssen sich regenerieren. Wissen festigen, und zwar durch Ablenkung. Das Gehirn muss sich quasi rebooten, neu sortieren, justieren. Und bestenfalls wird bereits erlerntes durch Erlebnisse und Erfahrungen intensiviert. Drei Wochen seien dafür zu wenig, habe ich mal gelesen und im internationalen Vergleich kommen wir mit unseren 6 Wochen noch gut weg.

Ohne Teamwork läuft es nicht

Die Kleinste in den Kindergarten zu schicken, während alle anderen zu Hause bleiben dürfen, wäre unmöglich zu rechtfertigen und würde unserem Gerechtigkeitssinn nicht gerecht werden. Ergo haben wir 4 Kinder am Start, eins davon (8 Jahre alt) muss gefüttert, gewickelt und rund um die Uhr beaufsichtigt werden, dazu kommen massive Schlafprobleme. Aber irgendwie rocken wir das Ding, wechseln uns ab und schieben Nachtschichten, um am Tag mehr Zeit für die Kinderlein zu haben.

Am Anfang funktioniert das noch, doch irgendwann merkt unser Körper, noch bevor wir selbst es merken, dass der fehlende Schlaf uns nicht dabei hilft, tagsüber voll für die Kinder da zu sein. Zumal wir keine Absprachen mehr tätigen, geschweige denn einen Satz überhaupt beenden zu können. Wir werden laut und ungerecht, denken aber bereits an den kommenden Urlaub und versuchen achtsam bis dahin unsere Unachtsamkeit, hervorgerufen durch die Unmöglichkeit der eigenen Regeneration, zu kompensieren.

Wenigstens eine Woche mal nicht aufräumen müssen und entspannen! Das wird was!!

Tatsächlich entspannen die Kinder sich auch, aber wie es der Teufel will, spielt uns die Realität böse Streiche. Wasserrohrbruch zu Hause, ein Drehangebot mit der Bitte um schnelle Antwort, ein Text muss jetzt doch nächste Woche raus, Presseanfragen zu unserem Buch. Und der Gendefekt unserer ältesten Tochter lässt es nicht zu, dass wir zumindest eine Nacht (weinender Emoji) nebeneinander Schlafen. Alle Eltern mit kleineren Kindern können ein Lied davon singen, dass ein Urlaub mit Kindern, zwar schön, aber nicht erholsam ist.

Wir hätten ein ganzes Musical parat...

Ach, …und dann ist da noch dieser seltsame neue Druck, meist aufgebaut von anderen Eltern, Übungshefte in den Ferien FERTIG zu machen und am besten noch Zebraheft 27 und Zahlenfuchs 35 zu komplettieren. Ganz ehrlich: so etwas gab es in den 80er, 90ern nicht.

Es war bestimmt nicht alles besser. Aber Ferien waren immerhin Ferien und wir denken jetzt bitte noch einmal an die oben erwähnte Hirnregenerierungsnummer.

Kinder sollten mit neuem Schwung ins neue Schuljahr starten und nicht auch noch in den Ferien dem Druck ausgesetzt sein, schneller als der Jeremy-Pascal Schmitz zu sein. Motivation baut man echt anders auf! Und dann, wenn bei anderen irgendwann der Entspannungsmood eintritt, sind wir am Ende unserer Kräfte. Sehnen uns nach Alltag, sehnen uns nach Entlastung. Gegen die gerade erlebten Sommerferien, waren die Lockdowns ein Spaziergang oder sagen wir: wenigstens vergleichbar.

Es ist nicht wichtig, was andere tun, wichtig ist das Wir. 

Dennoch, wir haben uns Zeit für die Kinder genommen und dabei auch gemerkt, dass sie uns gar nicht immer brauchen oder gar dabeihaben wollen. Der Kopf, nicht die Realität, spielt uns nämlich die größten Streiche.

All die Deadlines, die Mails die dringend rausmüssen, die Rückrufe die dringend gemacht werden müssen, sind nämlich meist für den Arsch. Keiner fällt tot um, wenn die Antwort am nächsten Tag kommt. Wir sind der Sparingspartner für die anderen, den wir uns und denen antrainiert haben. Auch die Berichte von anderen Eltern, was sie mit ihren Kindern alles gemacht haben, sollten keinen Druck aufbauen. Es ist nicht wichtig, was andere tun, wichtig ist das Wir.

Wie so oft sind es die kleinen Dinge, die uns glücklich machen

Am Ende waren es die kleinen Dinge, die auch diese Ferien für unsere Kinder unvergesslich gemacht haben. Mit Papa am Feuer sitzen und die Sterne erklären lassen. Stundenlang Wikingerschach auf der Wiese spielen, auf den Spuren von Mamas Kindheit wandern, um 22 Uhr noch durch den Wildschweinpark rocken, im Bett frühstücken, für eine Stunde Rollentausch mit einem Papa, der wie ein 3-jähriger schreit, weil er keine Apfelschorle mehr bekommt. Wir haben eine Menge gelernt und geloben unseren Kindern Besserung.

Am Ende haben wir aus Deadlines DADlines und aus Ferien FAIRien gemacht.

Epilog
Es ist Montagmorgen. Alle Kinder sind in der Schule, dieser Text musste vorgestern raus, ich schicke ihn jetzt ab, packe mir meine Frau und fahre mit Ihr zum Wellnesstempel.

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