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Wir sind alle anders So stärken wir den Selbstwert unserer Kinder

Wir sind alle anders: Kinder auf dem Spielplatz
Psychologin und Coachin Fee Kalter hat uns erklärt, was Eltern tun können, wenn ihr Kind unzufrieden mit dem eigenen Aussehen ist. 
© Robert Kneschke / Adobe Stock
Zu dünn, zu dick, zu groß, zu klein, andere Haut- oder Haarfarbe – was eine Psychologin rät, wenn Kinder anders sein wollen und unzufrieden mit dem eigenen Körperbild sind und wie Eltern mit diesen Sorgen umgehen können. 

"Wir sind alle anders", war die Antwort der 6-jährigen Tochter einer Freundin, als ich sie fragte, wie die Kinder in ihrer Klasse seien. Sie erzählte von dem Aussehen der anderen und verglich sich. "Ich mag meine roten Haare nicht. Ich möchte auch braune Locken wie Lina haben", sagte sie. Auf meinem Nachhauseweg überlegte ich, ob es üblich sei, dass Kinder sich und andere in dem Alter bewerten und wie Selbstwert gefördert werden kann.

Ich fand eine Studie des Entwicklungspsychologen Ulrich Orth. Sie zeigt auf, dass die Erziehung der Eltern in den ersten sechs Jahren einen starken Einfluss auf den Selbstwert bis ins Erwachsenenalter hat. Ich wollte mehr wissen und kontaktierte die Psychologin und Coachin Fee Kalter in der Hoffnung, sie könne mir erklären, warum Kinder mit ihrer Optik unzufrieden sind und wann man von einer Körperbildstörung spricht.

Liebe Frau Kalter, ab welchem Alter werden Kinder selbstkritisch? 

Bereits im Grundschulalter haben Kinder die Fähigkeit zum selbstkritischen Denken ausgebildet. In etwa diesem Alter erkennen sie ihre Fähigkeiten und Eigenschaften. Somit fangen sie an zu vergleichen und negativ oder positiv zu bewerten.

Was sind die häufigsten Auslöser, dass Kinder sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen?

Als Kinder ahmen wir Verhaltensweisen und Bewertungen unserer Bezugspersonen nach und integrieren sie in uns. Gehe ich als Mutter oder Vater negativ oder positiv mit mir und mit meinem Körper um, und mein Kind wird ständig damit konfrontiert, dann kann es sein, dass diese Verhaltensweisen und Bewertungen übernommen werden.

Die Zufriedenheit mit dem eigenen Aussehen ist für die Entwicklung von Kindern sehr entscheidend. 

Wie stark beeinflussen die Medien im Kindesalter das Selbstwertgefühl? 

Schon im frühen Kindesalter kann es vorkommen, dass Kinder sich (neben dem sozialen Umfeld) auch mit Personen in Filmen, Serien oder Büchern vergleichen. Die Körperbilder und Schönheitsideale, die in Medien vermittelt werden, sind oft unrealistisch und vermitteln falsche Idealvorstellungen. Auch wenn es inzwischen große Gegenbewegungen gibt und Vielfalt und Diversität mehr gelebt werden, fehlt dies weiterhin auch strukturell und flächendeckend.

Was können Eltern oder Bezugspersonen beachten? 

Sie können wahrnehmen, ernst nehmen, den eigenen Umgang, die eigene Sprache, das eigene Wertesystem kritisch hinterfragen und bei sich selbst beginnen. Bewertungen übernehmen Kinder von uns, egal ob sich selbst oder anderen gegenüber. Kinder möchten die Welt verstehen, in all der Vielfalt, die es gibt. Wir dürfen und sollten sie darin unterstützen. Das geht nur, wenn auch wir (Eltern, Lehrer:innen, Erzieher:innen oder sonstige Begleiter:innen) uns reflektieren.

Wann sollten Eltern es ernst nehmen, wenn das eigene Kind mit dem Aussehen unzufrieden ist? 

Es wäre schön, wenn Eltern ihre Kinder immer ernst nehmen würden, besonders dann, wenn es um Unzufriedenheiten geht. Sie könnten (kind- und altersgerecht) nachfragen, was diese Unzufriedenheit bedeutet, wo diese herkommt und sich ein Bild davon machen, wie ihr Kind sich selbst wahrnimmt. Besonders in der Pubertät kann Unzufriedenheit ansteigen, denn zu der Entwicklung einer Identität gehört oft eine (kritische) Auseinandersetzung mit sich selbst, dem Aussehen und dem eigenen Körperbild.

An welchen Anzeichen erkennen Eltern, dass ihr Kind an einer Körperbildstörung leidet? 

Es ist zu beachten, dass einzelne Merkmale, die zutreffen, noch keine Körperbildstörung diagnostizieren. Folgende Punkte können aber darauf hindeuten:

  • Das Kind beschäftigt sich stark und exzessiv mit dem eigenen Körper, weil es ihn als hässlich oder falsch empfindet.
  • Häufig sind bestimmte Körperregionen betroffen, wie beispielsweise die Haut, Nase oder die Körperform.
  • Hoher Leidensdruck und Beeinträchtigungen in vielen Lebensbereichen: Es kann sein, dass sich Kinder oder Jugendliche sozial isolieren, die betroffenen Körperregionen verstecken möchten, sich häufig rückversichern, übermäßig viel Zeit vor dem Spiegel verbringen oder diesen ganz meiden und den Wunsch nach Veränderung immer mehr verstärken.
  • Zusätzlich können Essstörungen in diesem Zusammenhang auftreten.  
  • In jeden Fall kann es hilfreich sein, sich professionelle Unterstützung durch Beratungsstellen oder eine:n Psychotherapeut:in zu holen.

Welche Fragen können Eltern ihren Kindern stellen, um herauszufinden, ob ihr Kind eine Körperbildstörung hat und unter Leidensdruck steht? 

Erst mal wäre es gut, wenn Eltern ihren Kindern den Raum bieten könnten, sodass diese über ihre Ängste und Sorgen sprechen können. Das passiert meistens nicht dann, wenn Eltern sich den Zeitraum wünschen (wie beim Abendessen), sondern zu anderen Zeiten. Wichtig hier:

  • Keinen Druck ausüben und die Aussagen des Kindes nicht abtun.
  • Von Sätzen wie: "Ach Quatsch, so schlimm ist das nicht", rate ich ab.
  • Fragen wie: "Kannst du mir genauer erklären, was das für dich so schlimm macht?", oder "Kannst du mir beschreiben, warum dir das nicht gefällt?", könnten unterstützen.
  • Häufig erfahren wir dabei schon ganz viel über die verschiedenen Aspekte und können dann schauen, was helfen kann, den Druck etwas zu mildern. 
  • Zudem könnte es helfen, den Fokus der Frage zu verändern: "Welche Funktion hat dieser Körperbereich eigentlich?" Die Antwort darauf könnte sein: "Mein Bauch schützt meine Organe" oder "Meine Füße tragen mich durch die Welt".

Wie können Eltern ihren Kindern ein gesundes Selbstwertgefühl vorleben?

Zu einem gesunden Selbstwertgefühl gehören unter anderem Selbstvertrauen und Selbstakzeptanz. Wenn Eltern ihre Kinder unterstützen und positive Rückmeldungen geben, ihnen aber genügend Raum lassen, sich weiter zu entwickeln und eigene Erfahrungen zu machen, könnte sich eine gute Balance bilden, in der das Selbstvertrauen des Kindes wachsen kann.

Um die Selbstakzeptanz zu fördern, ist es wichtig, dass das Kind sich in den Augen der engsten Bezugspersonen wertvoll fühlt. Indem Eltern sich selbst annehmen und wertschätzen, wie sie sind, entsteht ein Umfeld, in dem das Kind lernt, dass es nicht durch Fehler weniger Wert ist und die Liebe der Eltern uneingeschränkt erhält.

Wenn ich einen guten, wohlwollenden, liebevollen Umgang mit mir habe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mein Kind diesen ebenfalls für sich entwickelt.

Und wie ist es, wenn sich Kinder eine andere Hautfarbe, Haarfarbe oder -struktur wünschen?

Auch hier empfehle ich, das Problem ernst zu nehmen, dem Kind einen Raum zu bieten und in den Austausch zu gehen. Gezielte Fragen können weg vom Körper führen und stattdessen hin zu Eigenschaften und Fähigkeiten, die das Kind auszeichnen. So kann ein Bewusstsein dafür entstehen, dass jeder Körper anders ist und sein darf. Und dass es daran nicht Schlechtes gibt. Zudem könnte der Austausch mit anderen auch weiterhelfen. 

Wie können Eltern oder Bezugspersonen Kinder mental stärken? 

  • Eltern könnten ihr eigenes (Be)Wertesystem hinterfragen und reflektieren. 
  • Der Kontakt mit Gleichaltrigen, die Teilnahme an Kursen in Schule, Kitas oder auch einfach Spiele-Verabredungen können die sozialen Kompetenzen und das eigene Selbstbewusstsein stärken. 
  • Sie könnten den eigenen Körper und sich selbst mal mit Neugierde und Dankbarkeit betrachten: "Was mag ich besonders gerne?", "Wie toll, meine Ohren heute die Musik wahrnehmen", "Toll, dass ich heute mit xy Verstecken spielen konnte". 
  • Den Blick auf das Ganzheitliche richten: Wir sind nicht nur unser Körper, sondern so viel mehr. Und unsere Freunde haben uns nicht gerne, weil wir so toll aussehen, sondern weil wir ganz besondere, liebenswerte Eigenschaften haben. Und die dürfen wir wahrnehmen und stärken.
  • Zusätzlich können Eltern mit ihren Kindern Mut-Sätze oder Stärkungssätze entwickeln und als kleines gemeinsames Ritual zum Beispiel morgens oder abends aufsagen. Das kann so etwas sein wie: "Ich bin ein wertvoller und toller Mensch!" oder "Ich bin ein Geschenk für diese Welt".
  • Eltern dürfen sich jederzeit Unterstützung von Familienberatungsstellen oder Familientherapeut:innen holen. 

Verwendete Quellen: psycnet.apa.org

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