Ein Zwilling kommt selten allein
Es liegt in der Natur des Menschen nach Individualität und Eigenständigkeit zu streben. Daher kann die Vorstellung, eine:n Doppelgänger:in zu haben, etwas beängstigend wirken. Eine Person, die genauso aussieht wie man selbst? Schon verrückt, oder?
Noch dazu kommt, dass durch bestimmte Verhaltensweisen des Umfelds, Zwillingen Teile ihrer Individualität abgesprochen werden. Die Eltern ziehen sie identisch an, Lehrkräfte vertauschen ihre Namen und noch dazu haben sie mit einer Menge Vorurteilen zu kämpfen. Das kann die Persönlichkeitsausbildung erschweren. Trotzdem müssen sich Zwillingseltern keine Sorgen machen, denn es gibt durchaus viele Vorurteile, die sich nicht wissenschaftlich belegen lassen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer Doppelgeburt?
Jedes 250. Kind in Deutschland kommt als Zwilling zur Welt. Damit sind Zwillingsgeburten gar nicht so selten. Unterschieden wird hierbei zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen. Während Erstere aus einer Eizelle entstehen und damit identische Gene besitzen, stimmen bei Letzteren nur in etwa 50 Prozent des Erbguts überein. In diesem Sinne gleichen sie "gewöhnlichen" Geschwistern. Biologisch gesehen ganz einfach. Trotzdem scheint die Faszination um Zwillinge riesig, was zumindest die unzähligen Klischees, die um das Thema kursieren, erklären würde.
6 Zwillingsmythen und was es damit auf sich hat
1. Eineiige Zwillinge gleichen sich eins zu eins
Zwillinge besitzen zwar das gleiche Erbgut, haben aber trotzdem keine identischen Persönlichkeiten. Eine Studie der Universität Bielefeld, die GOSAT (German Observational Study of Adult Twins), belegt, dass Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensmuster zu ungefähr 42 Prozent durch unsere Gene beeinflusst werden. Das ist relativ viel. Dennoch beeinflusst auch das äußere Umfeld die Charakterbildung eines Kindes. Umwelt und Erziehung machen beispielsweise weitere 26 Prozent aus. Es lässt sich schließen, dass Zwillinge sich besonders im Kindesalter (insofern sie im gleichen Umfeld aufwachsen) sehr ähneln. Verhaltensweisen sind aber immer situationsabhängig und individuell verschieden.
2. Zwillinge sind langsamer in der Entwicklung
Jein. Es stimmt, dass Zwillinge im Kindergartenalter meist einen niedrigeren IQ vorweisen. Das liegt an zwei Faktoren: Zum einen wird die individuelle Persönlichkeitsbildung erschwert, da Zwillinge im Spiegel immer den Bruder oder die Schwester sehen und nie sich selbst. Das heißt, sie können sich nicht mit ihrem Spiegelbild identifizieren. Zum anderen ziehen sich Kinder bekanntlich gerne aus der Verantwortung. Bei Zwillingen geht das besonders gut, was an der Nähe zueinander liegt: Sie schicken einfach den Bruder oder die Schwester vor. Ganz nach dem Motto, was du kannst, muss ich ja nicht lernen. Diese Verhaltensmuster lösen sich im Laufe der Kindheit auf.
3. Zwillinge haben eine besondere Verbindung
Oft wird Zwillingen nachgesagt, sie hätten eine telepathische Verbindung oder könnten die Gedanken des jeweils anderen lesen. Einige Zwillingspaare sind davon überzeugt und geben an schon ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben. Zu einem gewissen Grad kann das stimmen: Personen die viel Zeit miteinander verbringen und sich gut kennen, wissen eben wie der jeweils andere tickt. Trotzdem ist es eher unwahrscheinlich, dass Zwillinge auf eine weite Distanz zum Beispiel spüren, was die bessere Hälfte gerade tut oder wie es ihr geht.
4. Jeder Zwilling hat schon vorgegeben, der andere zu sein
Oft werden Zwillinge gefragt, ob sie schon einmal die Identität des anderen angenommen und damit Personen hinters Licht geführt haben. Erich Kästners Roman "Das doppelte Lottchen" bietet die perfekte Vorlage. Aber ist so ein Rollentausch wirklich ohne weiteres möglich? Die Antwort ist nicht ganz eindeutig: Personen, denen wir häufig begegnen, die uns aber weniger nahestehen, wie der Fahrkartenkontrolleur im Bus oder die Kassiererin im Supermarkt, sind leichter zu täuschen. Sie lassen sich stark vom äußeren Erscheinungsbild beeinflussen. Menschen, die uns hingegen näher sind, würde so ein Schwindel sehr schnell auffallen.
5. Der erstgeborene Zwilling ist immer der dominantere
Dieser Mythos hält sich seit etlichen Jahren. Er beruht auf folgendem Glaubenssatz: Wer schon bei der Geburt das Rennen macht uns sich gegen das Geschwisterkind durchsetzt, wird dies auch im Leben tun. Einige Zwillingspaare selbst sind davon überzeugt, entweder den stärkere oder schwächeren Part zu besetzen. Dennoch existiert kein nachweislicher Zusammenhang zwischen der Reihenfolge der Geburten und der Dominanz.
6. Zwillinge haben die gleichen Vorlieben
Das stimmt nur bedingt. Das gleiche Erbgut führt zu ähnlichen Charakterzügen. Trotzdem bestimmen auch andere Faktoren, was wir mögen und was nicht. Zwillingen wird oftmals ihre Eigenständigkeit und Individualität abgesprochen. Dabei mögen sie nicht zwangsweise dieselben Dinge. Haben nicht die gleichen Hobbys oder Interessen. Sie können sogar sehr verschieden sein. Es kommt vor, dass Eltern früh versuchen Unterschiede in der Persönlichkeit herauszufiltern und ihre Sprösslinge in bestimmte Rollen zu stecken. Sie meinen es dabei meistens gut und wollen die Individualität des einzelnen Kindes untermalen, tatsächlich kann dieses Verhalten das Gegensätzliche bewirken und zu Rivalitäten führen.
Quellen: sueddeutsche.de, wdr.de, psychologie-heute.de