Ist das Leben mit Kindern in anderen Ländern wirklich einfacher?
Zu wenig Kinderbetreuung, schlechte Schulausbildung und Kinder als Armutsrisiko: was die Situation von Familien anbelangt, hat Deutschland in diesem Jahr schlechte Schlagzeilen gemacht. Ständig abgehetzt zwischen Beruf und Familie, finanziell benachteiligt und von den Kinderlosen auch noch als hausbacken belächelt, so fühlen sich viele Eltern in Deutschland. Die Folge: immer weniger Menschen bekommen Kinder. In dieser Krisensituation werden Zahlen und Statistiken aus dem Ausland zitiert, um zu zeigen, es geht offensichtlich auch anders.
Ist das Leben mit Kindern in anderen Ländern wirklich einfacher? Wir haben deutsche Familien im Ausland gefragt, die traurige Bilanz: in vielen Ländern geht man selbstverständlicher und offener mit Kindern um. Lesen Sie hier, wie deutsche Familien dies beschreiben.
Familie Quednau in Finnland
"Kinder dürfen hier ganz einfach Kinder sein. Kinder machen Krach und auch Dreck. Sie spielen im Matsch und lärmen im Treppenhaus. Meistens wird das Treiben hier nur wohlwollend betrachtet, negative Kommentare zu unserer Kinderschar habe ich hier noch nie gehört - in Deutschland dafür aber umso öfter. Das finnische Schulsystem ist wirklich vorbildlich. Es gibt Mütterberatungsstellen, zu denen wir regelmäßig gehen,bis die Kinder mit 7 Jahren eingeschult werden. Gibt es Schwächen, z. B. bei der Sprachentwicklung, wird sofort eingegriffen. So hat unsere Tochter aufgrund einer Behinderung, die sich als Wahrnehmungsschwäche und in extremen Wutanfällen äussern kann, Anspruch auf einen persönlichen Betreuer. Den hatte sie im Kindergarten und dieser Betreuer kann auch mit in die Schule kommen. Dort sitzt er neben Vanessa und hilft ihr. So wird der „Hauptlehrer“ entlastet. Ziel dieses Systems ist es, die schwachen Kinder zu fördern."
Familie Näger in Frankreich
"Frankreich ist kinderfreundlicher, ein Beispiel sind Mutter-Kind-Parkplätze in den Einkaufszentren, extra Kassen für Schwangere. In Frankreich wird man mit Kindern respektvoller behandelt, sie sind gern gesehen.`Was nur zwei Kinder?` wird man hier gefragt, drei oder vier sind ganz normal."
Familie Westwood in England
"Es kommt uns immer so vor, als ob Deutschland auf dem Papier das kinderfreundlichste Land überhaupt wäre. Der Alltag erscheint uns allerdings in England weitaus kinderfreundlicher. Hier sind Kinder in Restaurants und Geschäften nicht nur geduldete, sondern auch willkommene Gäste, es gibt spezielle Kinderspielecken, Windelräume, Kindermenues etc. Kinder dürfen ihre Eltern (fast) überallhin begleiten, und auf den meisten englischen Schreibtischen stehen Fotos vom Nachwuchs, auf den man so stolz ist. Nur selten sieht man "Betreten Verboten" oder "Ballspiele verboten" Schilder, die wir aus Deutschland noch in Erinnerung haben."
Familie Röpcke in Schweden
"Jetzt nachdem wir in Schweden wohnen, sehe ich Deutschland noch viel eher als kinderunfreundlich. Die soziale Struktur für Kinder ist hier einfach besser geregelt. Das geht schon los beim Kindergartenplatz, der hier ca. 4 Wochen vorher angemeldet wird und dann hat man auch einen, noch dazu in dem Kindergarten, den man sich ausgeguckt hat. Den ganzen Tag ist geöffnet, aber man kann natürlich angeben, wie lange das Kind hin soll. Frühstueck und Mittag ist IMMER im Kindergartenplatz mit drin. Schule ist hier Ganztagsschule, also auch da Mittagessen gibts in der Schule. In jeder noch so kleinen Stadt gibt es Jugendgruppen und Angebote, damit die Kinder etwas zu tun haben, wenn ihnen langweilig werden sollte."
Familie Giese in den USA
"Das Leben mit Kindern ist viel praktischer hier. Man braucht zwar ein Auto, aber dann ist es kinderleicht. Es gibt viele Parkplätze und ich kann meinen Geschwisterwagen problemlos überall mitnehmen. Die Menschen schauen neugierig und freundlich in den Kinderwagen, sagen auch mal was, und oft halten sie einem sogar die Tuer auf. Was ich auch sehr liebe, sind die Öffnungszeiten! So kann ich meine Einkäufe jederzeit erledigen, auch mal abends ohne Kinder, oder am Wochenende -ohne Zeitdruck oder Gedränge."
Familie Janhsen in New York
"In den USA ist man Kindern gegenüber schon aufgeschlossener und freundlicher - wie die Amerikaner ja allgemein zwar ein wenig oberflächlicher, aber eben auch viel unkomplizierter sind. Obwohl NY natürlich nicht gerade die Stadt der Hölichkeit ist, bin ich während meiner Schwangerschaft sehr häufig auf der Straße angesprochen worden "God bless you and your baby", "Good luck" etc. Das Leben mit Kindern in den USA ist sehr einfach, sofern man über genügend finanziellen Background verfügt, denn bereits für den Kindergarten gibt es “harte” Auswahlverfahren via Interviews und der Monatsbeitrag ist hoch."
Familie Kloevekorn-Fischer in Thailand
"Die Thais sind sehr kinderlieb, fassen allerdings auch jedes Kind im Gesicht an und verstehen überhaupt nicht, wenn man das nicht mag. Geht man in ein Restaurant beispielsweise, dann muss man sich um die Betreuung des Kindes keine Sorgen machen. Es wird bis in die letzte Küche herumgereicht und gefüttert bis es "platzt". Und man kann sich drauf verlassen, dass ihm NICHTS passiert, auch wenn man es aus dem Auge verliert. Allerdings darf man auch nicht "rumzicken", dass das Kind irgendetwas nicht essen sollte. Denn da wird man nicht gefragt. Und wenn man dann einen gemütlichen Abend hatte, bekommt man das Kind wieder und geht nach Hause. Das Menschen gegen Kinder stänkern, gibt es in Bangkok überhaupt nicht."
Familie Friege früher USA, heute Großbritannien
"Grundsätzlich fanden wir die USA kinderfreundlicher als Deutschland, weil Kinder dort im täglichen Leben wahrgenommen werden. In Deutschland ignoriert die Erwachsenenwelt Kinder oft oder schließt sie sogar aus. Einen Unterschied zwischen Deutschland und Großbritannien nehme ich kaum wahr. Schön finde ich allerdings, dass wir weder in den USA noch in GB als besonders angesehen werden, weil wir drei Kinder haben - weder im positiven noch im negativen Sinne. Wir sind einfach eine ganz normale Familie in einer Gesellschaft, in der man zwei, drei vier oder fuenf Kinder haben darf, ohne aufzufallen. In Deutschland ist die Betreuung zwar nicht durchgehend gewährleistet, doch die vorhandenen Einrichtungen sind sehr sehr günstig. Schade, dass das von den Eltern nicht anerkannt oder geschätzt wird. In Deutschland wird nach wie vor viel geklagt...."
Familie Molocher auf Teneriffa
"Das Erste, was uns auffiel: Die Kinderzimmer sind hier noch kleiner als in Deutschland! Im Gegensatz zu unserem Heimatort in Deutschland spielen hier die Kinder auch kaum draußen, Parks und Spielpläze gibt es kaum. Vereine sind - wenn es sie überhaupt gibt - relativ weit entfernt, dass innerstaedtische Bussystem sehr schlecht. Ich empfinde das Leben mit Kind hier nicht als einfacher!"
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