Mittwoch, 4. Juli 2012
(Sächsische Zeitung)
Ehekredit mit „abkindern“ wie in der DDR
Die CDU in Sachsen-Anhalt will in ihrem Bundesland mit einem zinslosen Darlehen für junge Eheleute für mehr Nachwuchs sorgen – mit jedem Kind verringert sich die Rückzahlung.
Von Peter Heimann
Das Plattenbau-Museum Berlin-Hellersdorf zeigt die typische Ausstattung einer Neubauwohnung – oft finanziert mit dem Ehekredit. Foto: dpa
Die Idee ähnelt verblüffend einer, an die sich vor allem Ältere im Osten noch erinnern: 1972, als auch in der DDR immer weniger Kinder auf die Welt kamen, wurde der zinslose Ehekredit eingeführt. Die Geburtenrate war ziemlich im Keller – wegen der Pille, der Möglichkeiten von Schwangerschaftsabbrüchen, weil mehr junge Leute dem Land Richtung Westen den Rücken kehrten und auch, weil die Mehrheit der Familien auf das dritte und weitere Kinder verzichteten.
Und weil zudem Möbel, Fußbodenbelag oder damals auch begehrte halbautomatische Waschmaschinen im Verhältnis zu den oft mickrigen Löhnen ziemlich teuer waren, wurde das staatliche Darlehen gern in Anspruch genommen. Zunächst gab es 5000, später 7000 Ost-Mark für junge Eheleute unter 26 Jahren. Die Laufzeit betrug acht Jahre, die Monatsrate etwa 50 Mark. Sie war deswegen so niedrig, weil der DDR-Kredit zinslos war.
Wer wegzieht, zahlt zurück
Und, das war völlig neu: Er konnte auch auf besondere Art getilgt werde – mittels Kindern. Für jedes in der Ehe geborene Baby erließ der Staat Geld, beim ersten 1000 Mark, beim dritten wurde der Restbetrag erlassen. Man war schuldenfrei. „Abkindern“ nannte das der Volksmund. Insgesamt kamen so über neun Milliarden DDR-Mark an Kreditsumme für junge Leute zusammen – ein Viertel davon brauchte wegen des Nachwuchses nicht getilgt werden. Das Prozedere war für sozialistische Verhältnisse schnell und völlig unbürokratisch.
So ähnlich will das jetzt auch die CDU in Sachsen-Anhalt wieder machen. Dort heißt es zwar: „Wir sind nicht auf dem Nostalgie-Trip.“ Aber was da unter dem Punkt „Familienstandsdarlehen“ in einem Positionspapier der CDU-Landtagsfraktion unter der Überschrift „Mehr Lust auf Familie“ steht, ist nichts anderes als die leicht modifizierte Wiederauflage des DDR-Ehekredits.
Unabhängig vom Einkommen
So sehen die neuen Pläne im Detail aus: Das sogenannte Familienstandsdarlehen sollte einkommensunabhängig gewährt werden. Die Altersgrenze würde bei beiden Ehepartnern jeweils bei 35 Jahren liegen, da mit zunehmendem Alter der Ehepartner der Finanzbedarf abnimmt. Das Darlehen sollte zinslos gewährt werden, die Darlehensverwaltung durch die Investitionsbank erfolgen. Als Laufzeit des Darlehens werden zehn Jahre vorgeschlagen.
Allerdings: Im Falle der Ehescheidung oder des Wegzugs aus Sachsen-Anhalt wird die Rückzahlung des Darlehens sofort fällig. Dabei haften die beiden Ehepartner für die Rückzahlung gesamtschuldnerisch. Neben der Rückzahlung des Darlehens kann die Darlehenstilgung – eben wie früher – auch durch die Geburt von Kindern erfolgen. Die Darlehensschuld verringert sich dabei pro Kind um ein Drittel mit der Folge, dass Familien mit drei Kindern das Darlehen getilgt haben und keine Rückzahlung leisten müssen. Gefördert wird nur die Erstehe. Dies gilt für beide Ehepartner gleichermaßen.
In den letzten Jahren wurden durchschnittlich 10000 Ehen pro Jahr in Sachsen-Anhalt geschlossen. Daraus würde sich ein Darlehensvolumen von 50 Millionen Euro pro Jahr errechnen. Bei einem Zinssatz von angenommen fünf Prozent errechnete sich daraus eine Zinsbelastung für den Landeshaushalt von 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Allerdings müssten auch die Geburten berücksichtigt werden, die dann den Landeshaushalt zusätzlich belasten würden. Entlastend würden sich jedoch die durchschnittlich rund 5000 Ehescheidungen pro Jahr auswirken.
Sachsen reagiert skeptisch
Eduard Jantos, der familienpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, hat schon einige positive Reaktionen jüngerer Wähler bekommen, sagte er der SZ: „Unsere jungen Leute müssen wieder früher und mehr Kinder bekommen, sonst können wir auch bald alle anderen sozialen Leistungen vergessen.“ Das Darlehen sei allerdings nur ein Punkt für mehr Familien- und Kinderfreundlichkeit. Wie im ganzen Osten hat sich das Land vom Geburtenzahlen-Einbruch nach 1990 nicht erholt. Gab es damals noch 31800 Geburten, waren es 2010 nur noch 17300. In Sachsen gingen die Geburten in diesem Zeitraum von knapp 50000 auf etwa 35000 zurück.
Schon im Jahr 2014, meint Jantos, könnte die alte, neue Kredit-Idee Wirklichkeit werden. Doch der Koalitionspartner SPD winkt ab. Finanzminister Jens Bullerjahn reagierte zwar amüsiert über den Rückgriff auf frühere DDR-Methoden, hält aber wenig von dem Vorschlag. Im CDU-geführten sächsischen Familienministerium ist man skeptisch gegenüber der Einführung einer neuen sozialpolitischen Leistung: „Wir wissen aus dem Bereich Kinderwunschbehandlung, dass Sachsen-Anhalt einen sehr knappen Sozialhaushalt haben wird, der für zusätzliche Dinge wenig Raum lässt.“
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