
Zitat von
marielaurin
So einen "Fall" hatten wir in unserem engeren Freundeskreis. Junge, konnte mit 8 Monaten laufen und hat nur Mist gebaut, mit 15 Monten waren sie bei der Erziehungsberatung, weil er nichts in einem Stück lies, die Sachen flogen durch die Gegend, er biss, er schrie, er war so schnell ...
Bei der Erziehungsberatung nach mehreren Videoanalysen kam dann raus, dass die Eltern eigentlich nicht wirklich was "falsch" machen, also gab es Hausbesuche. Dann fing er an, auf andere Kinder loszugehen, unsere beiden waren da oft leider an erster Stelle. Das Ganze zog sich durch den Kindergarten, er wurde nachts festgebunden, weil er durch das Haus flog und alles zerstörte was ihm in die Quere kam.
Er schlug und biss die Tagesmutter. Dann wollte die Ergotherapeutin einen Geburtsbericht haben. Ende vom Lied war, dass der Mutter unter der Geburt ein wehenförderndes Mittel gegeben wurde, das ein paar Monate nach seiner Geburt vom Markt genommen wurde weil es nachweislich in vielen Fällen zu Empfindungsstörungen beim Kind führte. Als gab es ab da Bürstenmassagen, um dieses Kind "spüren" zu lassen.
Mit 5 dann die Diagnose ADHS, Eltern wollten kein Ritalin geben, das Problem wurde immer größer. Psychologen, Jugendamt, alle waren eingeschaltet, es wurde immer schlimmer. Ansonsten sei er gesund. Dann gab es doch Ritalin. Er ging nicht mehr zur Schule, er wurde depressiv, er weinter nur noch. dann Abbruch, wieder dieselben Probleme. Dann zwei Schulwechsel, ständig Probleme. Von der Grundschule auf die Realschule, dann Hauptschule. Er wurde aus der Schule "entfernt" weil er einen Stuhl aus dem Fenster geworfen hatte und diverse Scheiben an anderen Tagen zu Bruch gingen, Mädchen an den Haaren zog, Mitschüler Beinchen stellte. Er war respektlos, frech, aufmüpfig, gewaltbereit, gewalttätig, eine Gefahr für seine Mitschüler und alle um ihn rum. Mit 12, da war Ritalin wieder längere Zeit eingesetzt, weil sie sich nicht zu helfen wussten, dann stand seine Mutter beim Jugendamt und verlangte, das Kind sofort aus der Familie zu holen, sonst würde sie sich das Leben nehmen, sie könnte nicht mehr. Ich hab sowas noch nie erlebt, wie ein Kind eine Familie so zerstören kann, unglaublich.
Das Jugendamt kam zwei Stunden später mit dem Psychologen und nahm ihn mit. Er war 5 Monate in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie. Bei der ersten (!) Blutuntersuchung dort kam raus, dass seine Schilddrüsenwerte überhaupt nicht in Ordnung waren und die forderten die alten Untersuchungsergebnisse an. Auch da seien die Werte sehr auffällig gewesen so weit wie sie zurückverfolgen könnten, laut Endokrinologin aber für nichts verantwortlich. Sie schlichen Ritalin aus und zusätzliche SD-Hormone ein. Er ging nach ein paar Wochen auf ein Tagesinternat, so dass die Schulthemen komplett aus der Familie genommen wurden. Die hatten auch immer für Stress gesorgt. Am Wochenende war er zu Hause. Unseren ersten Besuch nach 4 Monaten bei ihnen werde ich nie vergessen. Dieses Kind war so anders, so "normal" ... ein ganz normaler 13jähriger. Ich saß mit meiner Freundin da und wir haben geweint, weil das so schön war. Sowas gab es in 13 Jahren nicht.
Er ging weiterhin auf das Tagesinternat, als er aus der Klinik entlassen wurde, besuchte er es von zu Hause aus. Abends kam er nach Hause.
Er fing an, sowas wie eine Geschwisterbeziehung zu seiner Schwester aufzubauen und ein aus meiner Sicht völlig normales Verhältnis zu seinen Eltern.
Aus dem Tagesinternat wurde er in die Realschule integriert und im letzten Jahr wechselte er aufs Gymnasium. Er ist manchmal noch aufbrausend, aber eigentlich nicht mehr als ein anderer Jugendlicher mit 17 wäre. Völlig normaler Jugendlicher.
Warum haben sie nun 13 Jahre verloren? Wegen "falscher" ADHS Diagnosen, wegen der Unfähigkeit zu spüren, wegen des Ritalins, wegen der Schilddrüse? Man weiß es nicht. Wichtig ist, es geht ihm gut, es geht der Familie gut als Familie. Aber es war ein sehr sehr langer furchtbarer Weg.