
Zitat von
die blaue Frau
Ich verstehe das auch. Ich bin selbst auch irritiert/genervt/abwehrend/nichtbereichert (such dir was aus) wenn ich hier in der biederen Münchner Vorstadt zum Einkaufscenter fahre. Davor ist ein großer Platz, eine Anlage mit Spielplätzen, Bänken, Wiesen etc. Da stehen bei schönem Wetter eine Menge Leute, und gefühlte (oder reale?) 80 Prozent sprechen meine Sprache nicht, sondern eine, die ich nicht verstehe. Das Minderheitengefühl gefällt mir nicht, und ich will mich daran auch nicht gewöhnen. Ist so.
Trotzdem ist es nicht das Kopftuch, das die Gesellschaft spaltet. Es ist mehr als ein Stück Stoff, ja, darüber haben wir hier im Thread ja schon ausgiebig geredet. Wir schreiben dem Kopftuch unterschiedliche Symboliken zu, die in der Summe alle ihre Berechtigung und ihren Wahrheitskern haben. Wir sind also mittendrin im Aushandeln.
Zum Stichwort Herausforderung bewältigen/zweierlei Maß: Damit meine ich genau, was du schreibst - nämlich auf der einen Seite diesen dümmlichen vorauseilenden Gehorsam, der im übrigen auch rassistische Züge trägt (dort wo ich Menschen pauschal aufgrund ihrer ethnischen oder sonstigen Gruppenzugehörigkeit nicht zutraue, für sich allein entscheiden und die Folgen auch tragen zu können, diskriminiere ich sie auch, nur unter anderem Vorzeichen) und auf der anderen Seite die pauschale Ablehnung wie im Ausgangspost, die sich schlimmstenfalls in Gewalt äußert. Das Blöde ist, dass sich beide Haltungen gegenseitig bedingen und befördern (können). Und beide zusammen genommen können verstärken, dass sich der muslimische Gesellschaftsteil weiter in sich verschließt und schlimmstenfalls ebenfalls Gewalt produziert.
Deswegen finde ich es so wichtig, die Balance zu halten und zu vergessen, dass man nie mit Gruppen, sondern immer nur mit einzelnen Menschen zu tun hat. Eine Bäckereiverkäuferin mit Kopftuch verkauft mir meine Semmeln ebenso wie eine mit einem Kreuz um den Hals. Bei einer Lehrerin habe ich sicherzustellen, dass sie die FDGO als Wert über ihre Konfessionszugehörigkeit stellt, sonst kann sie selbstverständlich nicht in den Staatsdienst. Und Situationen wie den verweigerten Händedruck: Dafür werden wir Reaktionsoptionen entwickeln, indem wir drüber sprechen. Keine Ahnung, was ich als Mann täte. Beim ersten Mal vielleicht bloß blöd schauen. Spätestens bim dritten Mal würde ich entnervt nachfragen, ob sie mir allen Ernstes den Händedruck verweigert, weil ich ein Mann bin, und dass sie sich möglicherweise in der Gesellschaftsform geirrt hat. Und dann dürfte sie gern beleidigt sein. Ich finde, solche Konfrontationen dürfen stattfinden. Davor muss man niemanden schützen. Und selbstverständlich würde ich die anderen Frauen im Raum begrüßen, wie ich das sonst auch tue.