Ich versuche, eine lange Geschichte kurz zu fassen:
Meine beste Freundin seit Kindertagen (lebt 2 Autostunden von mir entfernt) hat seit dem frühen Erwachsenenalter ein recht schwieriges Verhältnis zu ihren Eltern, insb. zu ihrer Mutter. Ihre Eltern sind eher "schlicht" gestrickt, aber sehr herzlich und gastfreundlich, so habe ich sie als Jugendliche immer erlebt. Sie lebten nie üppig, hatten es aber dem äußeren Anschein nach zu etwas Wohlstand gebracht und ihrer Tochter sehr, sehr viel ermöglicht. Mit knapp 20 lernte meine Freundin ihren heutigen Mann und Vater ihrer Kinder kennen, ich nenne ihn mal Rolf. Rolfs Eltern sind typische 68er, extrem liberal, dem äußeren Anschein nach unglaublich tolerant und intellektuell, offenbar keine finanziellen Sorgen; Rolf besuchte erst einen Kinderladen, dann eine Waldorfschule. Mit der Beziehung zu Rolf wurde das Verhältnis zwischen meiner Freundin und ihren Eltern sehr gespannt. Zehn Jahre später heiratete sie Rolf, es folgten Kind 1, Kind 2 und mit etwas Abstand Kind 3. Von Kind 2 und 3 erfuhren die Eltern meiner Freundin nur gerüchteweise, der Kontakt war zu der Zeit abgebrochen. Als das mittlere Kind etwa 7 oder 8 war, hinterfragte es die Herkunft seiner Mutter und bat um Kontakt zu den Großeltern. Seitdem (das ist nun ca. 8 Jahre her) bestand seltener Kontakt zwischen meiner Freundin, ihren Kindern und den Eltern, Rolf verweigerte jeden Kontakt. Soviel zur Vorgeschichte.
Anfang des Jahres starb der Vater meiner Freundin sehr plötzlich. Meine Freundin kümmerte sich zusammen mit ihrer Mutter um alles. Die Trauer um ihren Vater traf sie in den ersten Tagen und Wochen hart, auch der Gedanke, keinen intensiveren Kontakt mehr gehabt zu haben. Wir telefonierten mehrmals in der Zeit, mit Rolf konnte sie darüber nicht sprechen. Im Zuge aller Regelungen, die nach dem Tod getroffen werden mussten, half sie ihrer Mutter aber weiter. Es stellte sich dann heraus, dass ihre Eltern jahrzehntelang über ihre Verhältnisse gelebt hatten und einen hohen, fünfstelligen Schuldenberg angehäuft hatten. Ein Testament gab es nicht, sie und ihre Mutter bilden also eine Erbengemeinschaft, meine Freundin und ihre Kinder haben das Erbe ausgeschlagen. Meine Freundin hat dann versucht, mit ihrer Mutter einen Weg zu finden, sie zu unterstützen. Das Häuschen, in dem die Eltern gewohnt haben, steht nun zum Verkauf, eine Wohnung für die Mutter ist gefunden. Es zeichnen sich gerade Lösungen ab.
Nun rief sie mich gestern wieder an. Rolf hat ihr untersagt, die Mutter weiter zu unterstützen. Ihre Eltern hätten ihr armseliges Leben nie auf die Reihe bekommen, jetzt solle die Mutter sehen, wie sie zurechtkommt. So dumm seien sie halt immer gewesen, kein klar denkender Mensch würde in so etwas hineingeraten (Rolf plapperte im Hintergrund immer in unser Gespräch hinein...).
Mir lässt das keine Ruhe. Ich hatte den Eindruck, meiner Freundin geht es nicht gut mit dieser Situation, sie stellt es aber so dar. Ich habe nur zugehört. Am Ende des Gesprächs sagte sie, sie wolle sich im Laufe der Woche noch einmal bei mir melden. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie sich von Rolf kontrolliert fühlte.
Hier ist erst einmal der Keks für alle, die es bis hierher geschafft haben. Nun die Frage: Wie würdet ihr euch der Freundin gegenüber verhalten, wenn sie wieder anruft? - Bisher habe ich immer betont (und das ist meine unumstößliche Haltung), dass man das Leben der Eltern nicht beurteilen darf. Man kann sich anders verhalten, sich abgrenzen, aber aburteilen und vom eigenen Urteil über das Leben der Eltern jetzt abhängig machen, ob man die Mutter weiter unterstützt... nicht mein Ding. Ich will sie aber nicht einen noch größeren Konflikt bringen.
Versteht ihr, was ich meine?