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"Papa, kannst du mal eben...?"

Spontan sein ist schön. Aber nicht, wenn die eigenen Kinder das ständig von ihren Eltern fordern. EF-Autor Stephan Brünjes zeigt, wie Sie sich aus der "Jetzt-auf-gleich"-Falle befreien, statt zum Rundum-sorglos-Dienstleister Ihrer Kinder zu werden.

Würden Sie sich auf diese Stelle bewerben?

"Family Facility Manager: Sie sind verantwortlich für den reibungslosen Ablauf aller Arbeitsprozesse, die Terminsachbearbeitung, das zentrale Beschaffungswesen und sämtliche Instandhaltungsmaßnahmen. Ferner fungieren Sie als 'Just-in-time-carrier' bei jeder Art von Last-Minute-Aufträgen. Sie sind überdurchschnittlich belastbar, verfügen über ein Höchstmaß an Organisationstalent, hohes Engagement und die ausgeprägte Fähigkeit zu vernetztem Denken sowie Multitasking. Sie gehen mit Überraschungen freudig-kreativ um, behalten in stressigen Situationen den Überblick, haben eine positive Grundaffinität zu Überstunden, beherrschen MS-Office ebenso perfekt wie binomische Formeln."

Nein, Sie würden sich nicht bewerben? Müssen Sie auch nicht, denn diesen Job haben Sie längst - als Mutter oder Vater. Beweise? Kein Problem: "Papa, ich muss morgen ein Referat über den Aralsee halten - als Powerpoint-Präsentation. Kannst du mir helfen?"
Während Kerstin, 14, kurz vor der "Tagesschau" meine MS-Office-Kenntnisse auszuloten versucht, beichtet ihr Bruder Timm, 12, mit betretenem Blick, dass er sein Sportzeug im Tennisverein vergessen hat, es morgen in der Schule braucht - aber der Tennisverein in zehn Minuten dicht macht.
Powerpoint muss warten, der "Just-in-time-carrier" startet. Unterwegs gelingt es Timm, in einem "Ach-übrigens-Nebensatz" gleich zwei überaus relevante Information unterzubringen - nämlich, dass er erstens für Bennys Geburtstag morgen noch kein Geschenk hat und zweitens sein Rücklicht am Fahrrad kaputt ist.
Kaum sind auch diese Aufgaben aus den Businessbereichen Beschaffungswesen und Instandhaltung erfolgreich abgearbeitet, überrascht Kerstin mit der Frage, wer eigentlich heute Abend zum Mittelstufentreffen in die Schule geht - schließlich soll da über den Schüleraustausch informiert werden. Der Family Facility Manager schaut ratlos seine Co-Managerin an: Keiner weiß davon - schlimme Panne bei der Terminsachbearbeitung!

Mitarbeiter? Gibt's nicht

Sie kennen diesen Job, stimmt's? Diese krisensichere Festanstellung mit etwa 25 Jahren Laufzeit ohne Streikrecht oder Ausstiegs-Möglichkeit. Wenn Sie kein Fan von Rente mit 57 sind, haben Sie nur eine Chance auf Arbeitserleichterung: Planwirtschaft! Nicht im sozialistischen Sinne, sondern im familiär-ergonomischen: Statt sich mit Multitasking zu überfordern, muss der Family Facility Manager zügig mit Jobsharing beginnen und die Arbeit anders verteilen.

Mitarbeiter? Haben Sie leider nicht. Nur Azubis - Ihre Kinder. Und die brauchen klare Vorgaben, was sie künftig selbst zu erledigen haben und wie rechtzeitig sie mit Arbeitsaufträgen auf der Matte stehen müssen. Denn sonst machen die Azubis ihr selbst geschriebenes Gewohnheitsrecht ruck, zuck zur Hausordnung: "Zimmer aufräumen? Hab ich noch nie gemacht ..."

So haben wir es bei Freunden erlebt. Und deshalb unsere Kinder von klein auf daran gewöhnt, dass sie mithelfen müssen. Was in den ersten Jahren nicht schwer ist. "Und wo jetzt noch, Mama?" rief Timm, während er den brummenden Staubsauger durch die Wohnung zog. Ein Fingerzeig hinters Sofa, schon düste der fünfjährige Meister Proper mit dem Saugrohr hin. Milch und Brötchen - stolz alleine vom Kaufmann besorgt - , die Spülmaschine auspacken, das und mehr konnten unsere Mini-Azubis nach dem ersten Haushalts-Lehrjahr (was Kinder wann können, lesen Sie weiter unten). Was davon heute noch klappt? Nicht viel. Die frühkindliche "Jugend forscht"-Phase ist längst abgelöst von der pubertären Null-Bock-Phase: Zunächst gab's Bummelstreiks ("Mach ich später"), dann Warnstreiks ("Ich fahr nicht mehr einkaufen!"), kürzlich den Generalstreik ("Das ist voll uncool, lasst mich mit dem ganzen Kram in Ruhe!").

Wie ein orientalischer Basar

Wir spielen beherzt Streikbrecher. Nein, nicht indem wir jetzt alles selbst machen. Sondern indem wir den Arbeitsverweigerern etwas klar machen - nämlich, dass Aufgaben in einer Familie nun einmal gerecht verteilt werden müssen.
Zum Beipiel mit dem "Arbeitskuchen-Spiel": Kerstin und Timm schreiben auf Papier-Kuchenstücke, was sie regelmäßig übernehmen können und wie viel Zeit sie dafür brauchen. "Die Kuchen können eine interessante Gesprächsgrundlage für die Arbeitsverteilung in Ihrer Familie bilden", meint Julia Rogge in ihrem Buch "Den Alltag in den Griff bekommen" (dtv, 10 Euro). Stimmt, das hat was von Quartettspiel und orientalischem Basar: "Tausche täglichen Spülmaschinen-Auspackdienst gegen wöchentliches Schuheputzen", schlägt Timm vor, doch Kerstin lehnt ab.

Sind die "Azubi-Jobs" verteilt, sollten sie in einem Plan festgehalten werden, der für alle sichtbar aushängt. Und wenn die Jobs nicht erledigt werden? Ein-, zweimal dürfen sich Azubis das erlauben, schließlich lernen sie ja noch. Doch als Timm zum vierten Mal die Mülltonne nicht rechtzeitig an die Straße rollt, ist plötzlich wie von Geisterhand die Stromversorgung für seinen Computer gekappt. Seitdem klappt es mit dem Mülltonnen-Dienst. Seitdem Timm und Kerstin spüren, wie schwierig es ist, sich mehrere Pflichten parallel zu merken, haben sie mehr Verständnis für unser nächstes Anliegen: die Ausrottung des "Last-Minute-Virus". Denn wer selbst etwas zu erledigen hat, reagiert allergisch auf "Kannst-du-mal-eben"-Überfälle jeglicher Art. Und begeht solche selbst erheblich seltener.
Das klappt inzwischen bei Timm und Kerstin ganz gut - allerdings nur, weil wir ihnen Dauer-Nachhilfe in Zeitmanagement geben: Ranzen abends packen, nicht morgens mit der Stulle im Mund. Hausaufgaben gleich erledigen und nicht aufschieben. Termine beim Zahnarzt sofort in den Familienkalender schreiben, schmutzige Wäsche nicht hinters Bett verklappen, sondern in die dafür vorgesehenen Bottiche. Und wenn die Flickenjeans dort nicht pünktlich landet, ist sie eben zur Tanzschulparty nicht sauber.
Und wer gerade dabei ist, als Hobby-Unternehmensberater seiner Familien-GmbH den Effizienz-TÜV zu verpassen, sollte checken, ob nicht auch der Eltern-Alltag entrümpelt werden kann. Müssen wir dauernd Wochenend-Asyl gewähren für Kolja? Ist der Gang zum "Elternstammtisch" wirklich nötig? Weniger Termingedränge schafft bessere Laune. Und die ist ideal, um mit den Kindern zu besprechen, wo sie dauerhaft mit Hilfe, Unterstützung und Chauffeurdiensten rechnen können. Bei den Hausaufgaben zum Beispiel.
Wurden die Kinder früher regelmäßig zum Tennis kutschiert, müssen sie heute radeln. Aber wenn es Bindfäden regnet, springt selbstverständlich der Just-in- time-carrier ein.
Und wie steht's mit Rückfällen? Klar, gibt's auch - gerade eben zum Beispiel. Die Kinder harken Laub im Garten. Es klingelt an der Tür. "Papa, kannst du mir ein Glas Wasser bringen, ich hab Schluckauf. Und wo du gerade gehst - bring mir doch bitte auch meinen MP3-Player raus ..."

Das kann Ihr Kind schon

5 - 6 Jahre
Ab und zu Blumen gießen, Spielzeugkiste aufräumen, beim Staubsaugen helfen, Zeitung holen, Tisch decken und abräumen. Solche kleinen Aufgaben sind gut, um Eigenständigkeit und Selbstverantwortung zu fördern. Kinder merken erstmals, dass es gewisse Regeln gibt, die auch einzuhalten sind, wenn sie keine Lust dazu haben.
7 - 9 Jahre
In diesem Alter sollten Kinder lernen, Schulhefte ordentlich zu führen und ca. 30 Minuten konzentriert zu arbeiten. Außerdem: Zimmer alleine aufräumen, morgens das Bett selbst machen, Bad und Toilette putzen, einfache Gerichte wie Rührei kochen.
10 - 12 Jahre
Jetzt sind einfache Reparaturarbeiten dran: Knopf annähen, einen Reifen aufpumpen, ein Rad wechseln, zerbrochene Teile wieder zusammenkleben. Kinder sollten ferner Verabredungen einhalten, Hilfs- und Unterstützungswünsche an die Eltern rechtzeitig äußern und in der Lage sein, Informationen aus dem Telefonbuch, dem Lexikon oder dem Internet selbst zu beschaffen.
Ab 13 Jahre
Einkaufsliste erstellen, anhand dieser Liste größere Einkäufe in mehreren Geschäften erledigen. Mit Geldbeträgen bis 50 Euro umgehen können, Familien-Mahlzeit kochen, Wasch- und Spülmaschine bedienen, T-Shirts bügeln. Umfangreichere Informationen telefonisch recherchieren (z. B. im Krankenhaus anrufen, wenn man dort ein Berufspraktikum machen möchte), das eigene Zimmer selbst gestalten und anstreichen.


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