VG-Wort Pixel

Übergewicht bei Kindern Während der Pandemie: Jedes sechste Kind in Deutschland hat zugenommen

Kind mit Popcorn vorm Fernseher
© photophonie / Adobe Stock
Die Lage ist ernst – das zeigten die eindringlichen Worte der Wissenschaftler:innen auf der Pressekonferenz am Dienstag: Jedes sechste Kind hat in der Pandemie an Gewicht zugenommen, so die Ergebnisse einer vorgestellten Studie.

Die Sportstätten waren geschlossen, Sport im Freien eingeschränkt, Spielplätze verriegelt und Unterricht gab es nur in den eigenen vier Wänden. Die Kombination aus zu wenig Bewegung, Langeweile und ungesundem Essen hat bei vielen Kinder während der Pandemie zu einer Gewichtszunahme geführt. Besonders betroffen sind Kinder zwischen 10 und 12 Jahren.

Jedes sechste Kind in Deutschland ist seit Beginn der Pandemie dicker geworden

Jedes sechste Kind in Deutschland ist seit Beginn der Corona-Pandemie dicker geworden, fast die Hälfte bewegt sich weniger als zuvor, etwa ein Viertel isst mehr Süßigkeiten, das geht aus einer repräsentativen Eltern-Forsa-Umfrage hervor, die von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) und dem Else Kröner-Fresenius-Zentrum (EKFZ) für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität in München vorgestellt wurde.

"Eine Gewichtszunahme in dem Ausmaß wie seit Beginn der Pandemie haben wir zuvor noch nie gesehen. Das ist alarmierend, denn Übergewicht kann schon bei Kindern und Jugendlichen zu Bluthochdruck, einer Fettleber oder Diabetes führen", erklärt Dr. Susanne Weihrauch-Blüher, Oberärztin an der Universitätskinderklinik Halle/Saale und Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der DAG. "Schon vor Corona waren 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Übergewicht betroffen, sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht."

Kinder aus einkommensschwachen Familien sind häufiger betroffen

Hinzu komme, dass die Krankheitsbelastung ungleich verteilt ist und Corona dazu noch einmal erheblich beigetragen habe, ergänzt Prof. Hans Hauner, Direktor des EKFZ für Ernährungsmedizin und DAG-Vorstandsmitglied. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so häufig von einer ungesunden Gewichtszunahme betroffen wie Kinder und Jugendliche aus einkommensstarken Familien.

Hier die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:

  • 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind dicker geworden. Bei den 10- bis 12-Jährigen waren es sogar 32 Prozent
  • Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so häufig von einer ungesunden Gewichtszunahme betroffen wie Kinder aus einkommensstarken Familien – 23 zu 12 Prozent
  • 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen bewegen sich weniger als vor der Pandemie, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 57 Prozent
  • Bei 33 Prozent der Kinder und Jugendlichen hat sich die körperlich-sportliche Fitness verschlechtert, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 sind es sogar 48 Prozent
  • Bei 43 Prozent der Kinder und Jugendlichen belastet die Pandemie die seelische Stabilität "mittel" oder "stark"
  • 70 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben ihren Medienkonsum gesteigert
  • 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen greifen häufiger zu Süßwaren also zuvor
  • 34 Prozent der Familien essen häufiger gemeinsam als zuvor

Die Wissenschaftler:innen stellen jetzt konkrete Forderungen in Form eines „Marshall-Plans für Kindergesundheit“, um die Folgen der Pandemie aufzufangen. Als Sofortmaßnahme empfehlen sie eine Besteuerung von Zuckergetränken, Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel und eine Stärkung der Adipositas-Therapie, die in Deutschland chronisch unterfinanziert sei.

Die WHO warnt vor den Folgen einer Adipositas Epidemie

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte erst kürzlich vor den Folgen einer Adipositas-Epidemie gewarnt und auf "nachteilige Veränderungen bei Ernährungs- und Bewegungsmustern" durch die Corona-Pandemie hingewiesen. Auch der Corona-Expertenrat der Bundesregierung hatte im Februar vor einer "Zunahme von Adipositas" gewarnt und Gegenmaßnahmen empfohlen.

Das Problem an sich ist allerdings nicht neu. Expert:innen warnen seit Jahren vor zunehmendem Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen. Corona hat die Lage noch einmal extrem verschärft. Die Sorge wächst und der Handlungsbedarf wird wichtiger denn je. Denn schon im Kindesalter kann Adipositas zu Begleiterkrankungen und Einschränkungen führen. Dazu gehören Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, eine Fettlebererkrankung oder Störungen der Blutzuckerregulation bis hin zu Diabetes. Eine Adipositas-Erkrankung, die im Kindesalter entsteht, bleibt häufig bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen.

Zu achten sind bei einer Adipositas-Erkrankung jedoch nicht nur auf die äußeren Einflüsse, die zu einer Zunahme führen, sondern ebenso auf die Gründe, die hinter einer Erkrankung stecken können. In vielen Fällen ist eine Essstörung der Grund und endet in einer Spirale aus Ab- und Zunehmphasen. Insbesondere die Psyche ist hier ein enormer Faktor, der nicht außer acht gelassen werden darf. Denn findet man die Ursache nicht, können die Folgen nur schwer bekämpft werden.

Verwendete Quellen: adipoditas-gesellschaft.de, zeit.de

slr ELTERN

Mehr zum Thema