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Angst vorm Zahnarzt Wie beruhige ich mein Kind?

Angst vorm Zahnarzt: Ein Kind sitzt mit Teddybär beim Zahnarzt
© Nebojsa / Adobe Stock
Zahnarzttermine sind nie der Hit, findet unsere Autorin Carina Frey. Aber was tun, wenn das Kind so richtig Angst davor hat?

Zu meinem Zahnarzt-Fiasko kam es irgendwann im Grundschulalter. Der Arzt gehörte zur alten "Stell dich nicht so an"-Schule. Ich hatte ein Loch, er bohrte, es tat höllisch weh, aber er hielt drauf. Das hängt mir bis heute nach. Zahnarzt ist nicht mein Ding, ich schiebe die Besuche gern vor mir her. Bei meinen Kindern wollte ich alles besser machen. Ich suchte eine Kinderzahnärztin, vergrub meine eigene Angst tief im Inneren und ließ schon die ersten Babyzähnchen kontrollieren. Es lief, die Kinder zuckten nicht mit der Wimper. Alles richtig gemacht, dachte ich. Aber dann fiel meine Tochter auf dem Schulweg unglücklich, ein Stück vom Schneidezahn brach ab, sie kam völlig aufgelöst nach Hause. Unsere Kinderzahnärztin hatte frei, ihre Kollegin übernahm – ein großer Fehler.

Die Ärztin gab meiner Siebenjährigen einen Stab in die Hand, quasselte etwas von Zaubern, sagte, dass sie den Zahn jetzt schlafen lege, dafür aber 15 Schlafkügelchen in den Mund müssten. Sie versprach, sofort aufzuhören, wenn es wehtue. Die Ärztin setzte die Spritze an, das Kind rief "Ah", die Ärztin stoppte und sagte: "Toll, zwei Schlafkügelchen sind schon drin, jetzt brauchen wir nur noch 13!" Wir arbeiteten uns langsam voran: Spritze, "Ah", Pause. Es wurden fünf, dann acht, dann zehn Kügelchen. Bei zwölf Kügelchen und der fünften Spritze liefen trotz aller Zauberei die Tränen, und die Ärztin sagte: "So kann ich nicht weitermachen. Für heute ist Schluss." Ich: "Aber jetzt ist es doch fast geschafft, können wir bitte durchziehen!", sie blieb beim "Nein!". Das war’s.

Das Kind fuhr mit betäubtem Mund und verletztem Zahn nach Hause. Beim nächsten Besuch – oh Wunder – weigerte es sich, den Mund zu öffnen. Neuer Termin, gleiches Spiel. Die Zahnärztin erklärte, umschmeichelte und drängte dann zunehmend genervt. Das Kind schüttelte nur den Kopf. Um es kurz zu machen: Wir dokterten ein Jahr mit dem kaputten Zahn herum, wechselten den Zahnarzt, aber erst einer Fachpraxis in der Großstadt gelang unter Lachgas die Füllung. Der Zahn war repariert, das Problem blieb. Meine Tochter hatte fortan Angst vorm Zahnarzt. Was tun?

Viele gute Erfahrungen für eine schlechte

"Die Crux an schlechten Erfahrungen ist: Sie bleiben viel länger im Gedächtnis verhaftet als gute", erklärt die Psychologin Nora Buhrow, die an der Technischen Universität Braunschweig zur Zahnbehandlungsangst forscht. Deshalb ist es so wichtig, alles dafür zu tun, damit Kinder keine schlimmen Erlebnisse beim Zahnarzt haben. "Das Ziel ist die angst- und schmerzfreie Behandlung", sagt Isabell von Gymnich, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde. "Wir wissen: Die meisten Erwachsenen mit Zahnarztangst haben irgendwann im Laufe ihrer Kindheit schlechte Erfahrungen gemacht."

War eine Situation schlimm, versuchen wir, sie künftig zu meiden. Deshalb presste meine Tochter beim Zahnarzt die Lippen zusammen. Verständlich, aber leider genau falsch. Denn so bleibt die Erinnerung an den Schmerz im Kopf, das Kind erlebt wieder und wieder, dass es die Behandlung nicht schafft. Um diese schlechten Erfahrungen wieder loszuwerden, brauche es viele andere gute, sagt Buhrow. Das Kind muss also immer und immer wieder zum Zahnarzt gehen und merken, dass es die Situation bewältigen kann. Oder, dass es beim Zahnarzt sogar schön sein kann.

Isabell von Gymnich und ihre Kolleginnen arbeiten dafür mit Quatschgeschichten, Liedern und Zahn-Zaubertricks. Sie untersuchen den Praxis-Stofflöwen, zählen die Zähne der Kinder und tasten sich langsam vor. Bei einem Termin wird nur in den Mund geguckt, beim nächsten vielleicht ein Zahn versiegelt, dann eine kleine Füllung gemacht, bevor die größere Behandlung ansteht. "Wir loben die Kinder ganz viel und sagen: Das war toll", erzählt sie. So machten die Kinder die Erfahrung: "Ich schaffe das." Beim nächsten Mal kämen sie deutlich selbstbewusster zur Behandlung.

"Toll, dass du so gut auf dich aufpasst!"

Aber was tun, wenn das Kind die Hände auf den Mund presst? "Dann durchbrechen wir bewusst gewohnte Muster, damit sich nicht der Ablauf wiederholt, mit dem das Kind schlechte Erfahrungen gemacht hat", sagt von Gymnich. Das Kind weigert sich, den Mund zu öffnen? Nicht schlimm. Dann schauen die Ärztinnen eben erst mal von außen auf das Profil und loben: "Toll, dass du so gut auf dich aufpasst." Das Kind merkt: "Hier ist es anders." Das ist der erste Schritt, um Vertrauen aufzubauen.

Hinter der Zahnarztangst stehen in vielen Fällen zwei Ängste, erklärt Nora Buhrow. "Wir müssen unterscheiden zwischen der Angst vor der Behandlung und der Angst vor dem Schmerz." Wenn sich Menschen vor der Behandlung fürchten, gehe es meistens um Kontrollverlust. Das Kind kann sich ausgeliefert fühlen, wenn es auf dem Behandlungsstuhl liegt. Wird es nicht ausreichend informiert, kann es die Befürchtung haben: "Wenn ich den Mund aufmache, tut es automatisch weh!" Was faktisch nicht der Fall ist. Mit dem Spiegel die Zähne anschauen, sie berühren, Luft dagegen pusten – alles harmlos. Das müssten die Kinder erklärt bekommen und selbst erfahren, sagt die Psychologin. Natürlich gibt es auch Tätigkeiten, die wehtun können. Aber sie sind begrenzt, und für sie gibt es Lösungen.

Das Kind darf mitentscheiden

Wie diese Lösungen aussehen können, sollten die Kinder mitentscheiden, findet Buhrow. Man kann ihnen erklären: Möchtest du eine Betäubung, dann tut es am Anfang kurz weh, danach schläft der Zahn und du merkst nichts mehr. Oder willst du das nicht, aber vielleicht tut es später etwas länger weh? "Wenn das Kind die Wahl hat, kann es sich auf die Situation einstellen, es behält die Kontrolle, das hilft gegen die Angst", erklärt die Psychologin.

Reden, erklären, fragen und zuhören ist enorm wichtig, findet auch Isabell von Gymnich. Ganz praktisch heißt das: Sie und ihre Kolleginnen sprechen die ganze Zeit mit den Kindern, zeigen ihnen die Geräte und spielen am Stofflöwen die Behandlung durch. Damit die Kinder einschätzen können, was im Mund passiert, führen die Ärztinnen die Geräte erst mal am Finger vor: So fühlt es sich an, wenn es rattert, so, wenn es zischt. Mit diesem Gerät kitzeln wir den Zahn, damit die Bakterien runterpurzeln.

Vor allem aber fragen die Ärztinnen: Was willst du? "Manche Kinder sagen, sie wollen unbedingt eine Betäubungsspritze, andere wollen zusehen, was wir machen, und wieder andere, dass es gar nicht wehtut", sagt von Gymnich. Es gebe viele Wege, die Behandlung so zu gestalten, dass sie für das Kind akzeptabel ist, auch jenseits einer Narkose.

Ablenkung, Lachgas, Hypnose

Durch geschickte Ablenkung könne man Kinder behandeln, ohne dass sie viel davon mitbekommen. Das eine Kind ist durch einen Film auf dem Bildschirm über der Behandlungsliege so gebannt, dass es kaum etwas spürt. Beim anderen hilft ein Spiegel, mit dem es alles genau mitverfolgen kann. Nora Buhrow arbeitet bei ihren Verhaltenstrainings mit Atemübungen. "Wenn sich das Kind auf seine Atmung konzentriert, kann es sich ablenken und viel besser mit Schmerzen umgehen."

Isabell von Gymnich ist überzeugt von Lachgas: "Wir wenden es bei 20 von 30 Behandlungen an." Den Kindern falle es damit viel leichter, den Mund offen zu halten, es sei ihnen egal, wenn Wasser im Mund spritzt oder etwas rattert. "Und sie nehmen Schmerzen weniger wahr", sagt die Kinderzahnärztin. Kinder-Hypnose und psychologische Verfahren wie die Verhaltensführung sind andere Möglichkeiten, dem Kind die Behandlung zu erleichtern.

Und wenn es trotzdem unangenehm wird oder wehtut? "Dann helfen wir dem Kind, das durchzustehen", sagt von Gymnich. Hätte unsere Zahnärztin damals also einfach die blöden Schlafkügelchen in den Mund spritzen sollen? Ja, findet sie. "Man zieht nicht einfach zurück." Kinder sagten oft schon "Aua", wenn es nur drückt, um sich zu schützen. Dann brauche es eine Führungsperson, die klar vorgibt, was gemacht werden muss. "Wir feuern die Kinder an, wenn es holprig ist, und loben hinterher: Boah, war das toll!" An dieser Erfahrung – es war zwischendurch mal doof, aber ich habe es trotzdem geschafft – wachsen Kinder, ist sie überzeugt.

Auch meine Tochter überwand ihre Zahnarztangst – aber ganz anders, als ich es erwartet hätte. Bei einer Routineuntersuchung brachte sie dem Arzt stolz ein selbst geknetetes Gebiss mit. Er begutachtete es von allen Seiten, lobte sie sehr und versprach, es im Büro aufzustellen. Beim nächsten Kontrolltermin ein halbes Jahr später hakte sie nach. Ich zuckte zusammen und wappnete mich für die große Enttäuschung. Aber weit gefehlt. Der Arzt legte seine Behandlungsgeräte zur Seite, führte sie in sein Zimmer, wo das Knetkunstwerk tatsächlich auf dem Regal stand. Das Kind strahlte und geht seitdem wieder leidlich gern zum Zahnarzt.

Was hilft Erwachsenen mit Zahnarztangst?

Die Universität Jena hat 29 Studien zu dieser Frage ausgewertet. Das Ergebnis: Musik hören, Entspannungsübungen, Ablenkung und ausführliche Informationen lindern die Angst. Besonders effektiv war Hypnose.

Kinderzahnärzte sind besonders geschult darin, Kinder zu behandeln. Auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (dgkiz.de) könnt ihr nach zertifizierten Kinderzahnärzten suchen.

"Du brauchst keine Angst haben, es tut bestimmt nicht weh!" Solche Sätze sind ein No-Go. Das Unterbewusstsein kenne keine Verneinungen und blende "kein" und "nicht" aus, sagt die Kinderzahnärztin Isabell von Gymnich. Beim Kind bleibe also hängen: "Gleich tut es bestimmt weh."

ELTERN

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