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Erste Hilfe bei Kindern 7 Fehler, die Eltern im Notfall häufig passieren

Notarzt-Wagen mit Blaulicht
© Comofoto / Adobe Stock
Mal ehrlich: Wüsstet ihr genau, wie ihr erste Hilfe leistet, wenn ein Kind in einen Notfall gerät? Oder würdet ihr doch zögern, um nur ja nichts falsch zu machen? Dann geht es euch wie vielen Müttern und Vätern! Wir haben ein Notarzt-Elternpaar gefragt, welche Fehler Eltern im Notfall häufig unterlaufen – und was sie ganz einfach besser machen können.

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Der Albtraum aller Eltern: Das eigene Kind verbrennt sich, stürzt auf den Kopf oder erleidet einen anderen schweren Unfall. Zugleich sind sich viele Eltern unsicher, wie sie bei einem Kind, womöglich beim Baby, Erste Hilfe leisten können. Am größten ist die Angst, dabei Fehler zu machen.
Wir haben deshalb Dr. med. Annalena Dehé und Dr. med. Lukas Dehé, erfahrene Kindernotärzt:innen, Gründer des Notfall-Kurses 12minutes.de und Eltern von Zwillingen gefragt, welches die häufigsten Fehler von Eltern und anderen Laien bei Kindernotfällen sind – und wie es besser geht. Hier ihre Antwort:

"Unfälle passieren! Als Notärzte und als Eltern sehen und erleben wir das leider täglich. Meist reicht bereits ein Bruchteil einer Sekunde aus und schon ist es passiert. Ein Notfall beim eigenen Kind ist so ziemlich das Schrecklichste, was Eltern passieren kann. Viele Eltern, mit denen wir gesprochen haben, fühlen sich in Notfallsituationen oft hilflos und sind selbst so geschockt von der Situation, dass sie sich erstmal sammeln müssen. Aber gleichzeitig wollen sie das verletzte Kind versorgen, es beruhigen und bestmöglich als Eltern beistehen. Erste Hilfe ist so wichtig und auch gar nicht so schwer, wenn man ein paar Dinge beachtet."

1) Was tun, wenn das Kind sich verbrannt oder verbrüht hat?

"Das bitte nicht: Nach Verbrennungen werden Kinder meist über eine zu lange Zeit (bis zum
Eintreffen des Rettungsdienstes und das können auf dem Land durchaus mal 25 Minuten Anfahrtszeit bedeuten) in eiskaltem Wasser gekühlt, oft auch ohne die Kleidung vorher entfernt zu haben. Dies kann schwere Unterkühlungen zur Folge haben, die zum Beispiel mit Kreislaufeinschränkungen und sogar langfristigen Schäden einhergehen können. Ein Nicht-Entfernen der Kleidung bindet die Hitze zusätzlich länger im Gewebe (auf dem Weg vom Unfallort zur Badewanne) und kann zu schweren Gewebeschäden führen.

Wie ihr es besser macht: Nach Verbrennungen oder Verbrühungen das Kind sofort entkleiden (an den verbrannten / verbrühten Stellen) und so schnell wie möglich mit ca. 20 Grad (lau)kaltem Wasser für 10-15 Minuten kühlen. In die Haut eingebrannte Stoffe sollten nicht entfernt werden. Verbrennungswunden nicht mit Cremes oder Ölen zu Hause vorbehandeln, sondern nur mit trockenen Wundauflagen (oder zum Beispiel sauberen Baumwolltüchern) bedecken."

2) Was tun, wenn das Kind einen Gegenstand eingeatmet hat?

"Das bitte nicht: Viele Eltern übertragen ihr Erste-Hilfe-Wissen zum Beispiel aus einem Erste-Hilfe-Kurs während der Führerscheinausbildung auf (ihre) Kinder. Kinder sind jedoch keine kleinen Erwachsenen, sodass man Notfall-Erwachsenen-Wissen nicht auf Kinder übertragen kann. Einige Manöver sind somit einfach nicht durchführbar, wie etwa das Heimlich-Manöver. Dieses kann insbesondere bei Kindern unter einem Jahr zu schweren Organschäden und inneren Blutungen führen.

Wie ihr es besser macht: Bei Kindern unter einem Jahr stützt man das Köpfchen auf Höhe des Unterkiefers mit einer Hand und übt fünf kontrollierte Schläge mittig auf den Rücken des vornüber gebeugten Kindes aus."
Ziel ist es aber, den Fremdkörper mit so wenig Schlägen wie möglich zu entfernen.
Falls die Schläge auf den Rücken den Fremdkörper nicht beseitigen, müsst ihr bei Kindern unter einem Jahr in Kopf-Tieflage bis zu fünf mal auf den Brustkorb drücken, ähnlich wie bei einer Reanimation, nur ruckartiger. Bei Kindern über einem Jahr solltet ihr nach den fünf Schlägen auf den Rücken bis zu fünf mal das Heimlich Manöver durchführen. Sowas muss man unbedingt regelmäßig üben."

3) Was tun, wenn das Kind eine Kopfverletzung erlitten hat?

"Das bitte nicht: Kinder stoßen sich, fallen, stürzen und in den allermeisten Fällen geht alles gut. Es gibt jedoch seltene Ausnahmen, wo das Sicherheitsnetz des kindlichen Körperbaus leider nicht greift und eben doch etwas passiert. Viele Eltern wiegen sich in (falscher) Sicherheit, wenn das Kind nach einem Sturz exakt so “ist wie immer” und schätzen eventuelle Symptome später falsch ein oder stellen keinen Zusammenhang zu dem Sturzereignis her.

Wie ihr es besser macht: Grundsätzlich sollte man sein Kind oder seine Kinder nach einem Sturzereignis immer engmaschig beobachten und auf sogenannte „neurologische“ Symptome achten. Hiermit sind zum Beispiel eine verwaschene Sprache gemeint oder auch schrilles Schreien und Verhaltensänderungen bei Babys bis zu einem Jahr, die noch nicht sprechen können. Ein weiteres Symptom ist das Erbrechen innerhalb von 24 Stunden nach Sturz oder Kopfanprall.
Außerdem gibt es einen besonderen Unterschied zwischen „es passiert am Morgen“ zu „es passiert am Abend“. Abends sollte man das Kind immer sicherheitshalber einmal in einer Notaufnahme vorstellen. Neurologische Veränderungen können zu Hause im Schlaf von Eltern meist nicht mehr beurteilt werden, da viele Kinder nach dem Einschlafen einfach nicht wach zu bekommen sind."

4) Was tun, wenn das Kind einen Krampfanfall hat?

"Das bitte nicht: Nach einem Krampfanfall (unabhängig von der Ursache für den Krampfanfall, also einem Fieberkrampf oder auch bei einem epileptischen Krampfanfall) wird das Kind oft in Rückenlage liegen gelassen.

Wie ihr es besser macht: Kinder über einem Jahr sollten in die stabile Seitenlage mit leicht überstrecktem Kopf und Kinder unter einem Jahr in die stabile Bauchlage mit zur Seite gedrehtem und nur minimal angewinkeltem Kopf gelegt werden. So sind die Atemwege frei/offen und bei fehlenden Schutzreflexen könnte eventuell Erbrochenes einfach aus dem Mund abfließen, ohne dass sich das Kind daran verschluckt. Der Lagerungsunterschied (Bauchlage vs. Seitenlage) kommt aufgrund der anatomischen Unterschiede zustande. Die “stabile” Seitenlage beim Säugling ist nicht möglich, daher wird hier die Bauchlage als Alternative empfohlen."

5) Was tun, wenn das Kind stark blutet?

"Das bitte nicht: Starke Blutungen sollten immer gestoppt werden. Manchmal kommt es im Rahmen einer stressigen Notfallsituation dazu, dass Eltern ungünstig priorisieren, das heißt, sie versuchen erst das Kind zu beruhigen und dabei geht kostbare Zeit verloren, in der es weiter blutet. Insbesondere bei kleinen Kindern kann durch die viel geringere Menge an gesamten Blutvolumen schnell ein kritischer Mangel an Blut entstehen, was auch die Herz-Kreislauffunktion einschränken kann, bis hin zum Herz-Kreislaufstillstand.

Wie ihr es besser macht: Wichtig ist bei allen Verletzungen mit Blutungen immer die sofortige Ersteinschätzung der Wunde und im Anschluss daran die erste Wundversorgung. Dafür ist es immer sehr hilfreich ein Notfallkit (mit Mullbinden, Desinfektionsmittel, Pflastermaterial usw.) zu Hause griffbereit zu haben."

6) Was tun, wenn das Kind eine Knopfbatterie verschluckt hat?

"Das bitte nicht: Ups, es fehlt eine Knopfbatterie, na und? Viele Eltern sind sich der Gefahr bei verschluckten Knopfbatterien nicht bewusst. Hierbei spielt auch die Größe keine übergeordnete Rolle wie bei vielen anderen Kleinteilen, die in der Regel im Verlauf ohne  größere Probleme wieder ausgeschieden werden. Das Problem ist der Stromflussmechanismus, der mit schwersten Schleimhautverätzungen einhergehen kann.
Wie ihr es besser macht: Bei auch nur dem leisesten Verdacht einer verschluckten Knopfbatterie sollte man sofort den Notruf absetzen und im Anschluss dem Kind einen Teelöffel Honig verabreichen. Auf der Fahrt zum Krankenhaus sollte, sofern vom Kind toleriert, alle zehn Minuten die Honiggabe (immer ein Teelöffel) fortgeführt werden."

7) Ist es im Zweifelsfall besser, gar nichts zu tun, als etwas falsch zu machen?

"Das bitte nicht: Es klingt verrückt, aber tatsächlich geraten wir als Notärzte oft in die Situation, in denen Eltern überhaupt keine Erste Hilfe leisten. Grund dafür ist eigentlich immer die Sorge, etwas falsch zu machen.

Wie ihr es besser macht: In Deutschland haben wir ein sehr gutes Rettungsdienst-System und in der Leitstelle – also am anderen Ende des Hörers – sitzt medizinisch geschultes Personal, das über das Telefon im Notfall auch mündlich anleiten kann. Diese Hilfe kann jeder in Anspruch nehmen und sollte es auch. Wichtig also: Notruf absetzen und nicht direkt wieder auflegen, sondern in der Leitung bleiben.

Es ist wichtig, dass Eltern sich mit dem Thema Erste Hilfe auseinandersetzen und dieses Wissen auch immer wieder auffrischen und wiederholen. Grundsätzlich kann Wissen nur dann in Stresssituationen aus dem Gedächtnis abgerufen werden, wenn wir dies viele Male geübt und verinnerlicht haben. Als Notärzte und Eltern empfehlen wir deshalb allen (werdenden) Eltern, sich für einen Erste-Hilfe-Kurs mit praktischen Übungen anzumelden."

ELTERN

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