Artikelinhalt
- 1. Stimmt es, dass Milch schlecht verträglich ist?
- 2. Leiden immer mehr Deutsche unter einer Laktoseintoleranz?
- 3. Macht Milch dick?
- 4. Erhöht Milch den Cholesterinspiegel und steigert das Risiko für Herzerkrankungen?
- 5. Ist es wahr, dass Milch beim Einschlafen hilft?
- 6. Dürfen Säuglinge Milch trinken?
- 7. Stärkt Milch tatsächlich die Knochen?
- 8. Was spricht für Biomilch?
- 9. Schützt Milch vor Krebs?
- 10. Können Veganer den Verzicht auf Milchprodukte ausgleichen?
- 11. Verursacht Milch Akne?
1. Stimmt es, dass Milch schlecht verträglich ist?
„Ganz klar, nein!“, antwortet der Berliner Kinderarzt Ulrich Fegeler. Milch, so der Pressesprecher des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte, ist eines der ältesten Lebensmittel überhaupt. Es enthält wichtige Eiweiße und Vitamine und weist einen sehr hohen Kalziumgehalt auf. Dass das Milcheiweiß selbst von Kindern oder Erwachsenen gar nicht vertragen wird, sei eher selten, so der Mediziner. Deutlich häufiger komme allerdings eine Laktoseintoleranz vor, bei der der Körper zu wenig Laktase produziere. Das Enzym ist dafür zuständig, im Darm den Milchzucker (Laktose) abzubauen (siehe auch Frage 2!)
Auch gegen ein Glas Milch zum Abendessen hat der Kinderarzt keine Einwände. Solange danach die Zähne geputzt werden.
Frischmilch, Vollmilch, ESL? Milch-Sorten im Überblick
2. Leiden immer mehr Deutsche unter einer Laktoseintoleranz?
Etwa 10 bis 20 Prozent der Erwachsenen leiden in Deutschland unter einer genetisch bedingten Laktoseintoleranz. Die Aktivität der Laktase nimmt bei den Betroffenen im Laufe der Kindheit ab. Das Enzym, das für die Aufspaltung des Milchzuckers zuständig ist, macht seine Arbeit nicht mehr richtig. Symptome wie Bauchkrämpfe und Blähungen treten in der Regel zwischen dem fünften und dem 20. Lebensjahr auf. In den meisten Fällen mit Beginn der Pubertät. Die richtige Diagnose wird allerdings häufig erst im Erwachsenenalter gestellt.
Auch durch Magen-Darm-Infekte oder chronische Darmerkrankungen kann eine Laktoseintoleranz erworben werden. Häufig normalisiert sich die Laktaseaktivität aber nach der Heilung. Der Kinderarzt Ulrich Fegeler glaubt, dass die Zahl der Betroffenen mit einer genetisch verursachten Laktoseintoleranz de facto nicht gestiegen ist. Vielmehr entstehe der Eindruck einer stärkeren Verbreitung dadurch, dass mehr richtige Diagnosen gestellt werden. Dies liege zum einen an einem besseren Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung und zum anderen an modernen Testmethoden wie dem H2-Atemtest.
Verbraucherredakteurin Nicole Merbach von Stiftung Warentest weist auf den ökonomischen Aspekt hin. Das Angebot an laktosefreien Milchprodukten sei heute deutlich größer. Musste man früher nach laktosefreier Milch suchen, drängen sich heute diverse Produkte in den Kühlregalen, die mit dem „Laktosefrei“-Etikett werben. Die Bezeichnung, so Merbach, finde sich aber auch auf Produkten, die von Natur aus gar keinen Milchzucker enthalten. Dazu zählen Hartkäsesorten, die nach dem natürlichen Reifungsprozess nahezu laktosefrei sind. Auch Verbrauchern, die keine getestete Intoleranz haben, so die Ernährungsexpertin, werde damit suggeriert, dass laktosefreie Produkte eigentlich für alle besser seien.
Übrigens bedeutet eine Laktoseintoleranz nicht immer den völligen Verzicht auf Milchprodukte, so DEG-Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer. Viele Betroffene vertragen Milch nur nicht in großen Mengen. Wie viel Milch noch guttut, ist dann eine Sache des persönlichen Ausprobierens. Und: Joghurt, Kefir und andere angesäuerte Milchprodukte werden von Betroffenen oft besser vertragen als Milch.
3. Macht Milch dick?
Immer wieder wird berichtet, Milch sei ein klassischer Dickmacher. Natürlich ist in Vollmilch mehr Fett enthalten als in der fettarmen Variante. Doch wirklich dick machen höchstens die Mengen, so Ulrich Fegeler. „Die Dosis macht das Gift“. Der Kinderarzt findet, dass schon der gesunde Menschenverstand reicht, um Milch und Milchprodukte in Mengen zu verzehren, die unschädlich sind. Viel bedenklicher in Sachen Fettsucht bei Kindern seien allemal der Verzehr von großen Mengen Süßigkeiten und Fastfood, so Fegeler. Auch der aktuelle Ernährungsbericht des Max-Rubner-Instituts kommt zu dem Schluss, dass die Datenlage derzeit keinen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Fettleibigkeit bei Kindern zeigt.
Wer sich unsicher ist, wie viel Milch es sein soll, kann sich an die Richtwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) halten. Sie empfiehlt für einen Erwachsenen 200 bis 250 g Milch und Milchprodukte und zusätzlich 2 Scheiben (50 – 60 g) Käse.
Während Kinder laut DEG ohne Bedenken normale Vollmilch konsumieren können, rät sie Erwachsenen vorsorglich zu fettarmer Milch und Milchprodukten.
Für Kinder zwischen vier bis sechs Jahren empfiehlt die DGE 350 g/ml Milch- und Milchprodukte pro Tag, für sieben bis neunjährige Kinder 400 g/ml, für zehn bis zwölf Jahre alte Kinder 420 g/ml. Das entspricht z. B. einem Glas Milch, einer Scheibe Käse und einem Becher Joghurt (150 g).
Professor Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung weist allerdings darauf hin, dass es die richtige Mischung macht. Folgt man den Empfehlungen für eine Lebensmittelgruppe, müssen auch die Mengen der anderen stimmen. Das Dortmunder Institut hat das Konzept der Optimierten Mischkost erarbeitet. Unter dem Label optiMIX bieten die Ernährungsexperten zahlreiche Tipps und leckere Rezepte für eine gesunde Kinderernährung an.
4. Erhöht Milch den Cholesterinspiegel und steigert das Risiko für Herzerkrankungen?
Der Verzehr von gesättigten Fettsäuren erhöht zwar den Cholesterinspiegel und damit das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen. Dennoch kann damit nicht direkt auf einen negativen Effekt von Milch-Konsum geschlossen werden. Nicole Merbach von der Stiftung Warentest verweist auf eine aktuelle Studienauswertung des Max-Rubner-Instituts. Demzufolge ist ein erhöhter Verzehr von Milch und Milchprodukten nicht mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall verbunden. Das Bundesforschungsinstitut stellte fest, dass der tägliche Verzehr von 300 ml Milch sogar einen gesundheitsfördernden Effekt hat. Dies gelte in Hinblick auf Herz- und Kreislauferkrankungen und für die Risiken, an Diabetes oder Krebs zu erkranken (siehe auch Frage 9). Der Verzehr von Milch in den von der DEG empfohlenen Mengen habe außerdem eine blutdrucksenkende Wirkung.
5. Ist es wahr, dass Milch beim Einschlafen hilft?
Milch enthält die Aminosäure Trypthophan, aus der die Schlafhormone Serotonin und Melatonin gebildet werden. Das Melatonin in der Milch kann auf einige Menschen einen beruhigenden Effekt haben, so Nicole Merbach, Redakteurin für Ernährung bei der Stiftung Warentest. Die Dosierung wird allerdings bei normaler Milch kaum erreicht, gibt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu bedenken.
Die geringe Melatonin-Konzentration ist für einige Anbieter offenbar der Grund, spezielle Nachtmilch auf den Markt zu bringen. Unter der Bezeichnung „Nachtmilchkristall“ wird ein Pulver angeboten, das aus der Milch von Kühen gewonnen wird, die extra in der Nacht gemolken wurden, da deren Melatoninspiegel in dieser Zeit höher ist. Kritiker sehen den tatsächlichen Effekt des Nahrungsergänzungsmittels sehr kritisch.
Kinderarzt Ulrich Fegeler vermutet, dass schlicht das Ritual eine Rolle spielt. Wurde aus dem Gute-Nacht-Fläschchen für das Baby eine Tasse warme Milch beim Kleinkind, wirke schon die Regelmäßigkeit auf das Kind beruhigend und damit schlaffördernd.
6. Dürfen Säuglinge Milch trinken?
Säuglinge werden in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten idealerweise ausschließlich mit Muttermilch ernährt. Reine Kuhmilch, so Ulrich Fegeler, sei in dieser Zeit noch nicht empfehlenswert. Ist das Stillen nicht möglich, so der Kinderarzt, rät er zu Babymilchprodukten. Diese sind natürlich im Ursprung auch aus Kuhmilch. Nur wurde die Milch durch diverse Verfahren so behandelt, dass sie vom Säugling besser verdaut wird. Ab dem sechsten Lebensmonat kann bei der Herstellung des Milch-Getreide-Breis durchaus normale Vollmilch verwendet werden, so Nicole Merbach von Stiftung Warentest. Ab dem ersten Lebensjahr spreche nichts mehr gegen größere Mengen Kuhmilch, Quark, Joghurt und Co.
Dieser Meinung ist auch Mathilde Kersting. „In die Milchflasche für den Säugling gehört keine Kuhmilch!“, findet die Ernährungswissenschaftlerin. In dem vom Forschungsinstitut für Kinderernährung Dortmund (FKE) entwickelten Ernährungsplan für das 1. Lebenjahr ist vorgesehen, dass Kinder dann Milch aus Glas oder Becher trinken können, wenn sie gegen Ende des 1. Lebensjahrs nach und nach am Familientisch mitessen.
7. Stärkt Milch tatsächlich die Knochen?
„Ja, und zwar durch seine Rolle als der beste Kalziumlieferant“, so Kinderarzt Ulrich Fegeler. Der Mineralstoff ist wichtig für die Erhöhung der Knochenmasse und -dichte. In der Wachstumsphase haben Menschen einen stark erhöhten Kalziumbedarf. „Bei Kindern und Jugendlichen geht ein erhöhter Verzehr von Milchprodukten mit einer erhöhten Knochenmasse und Knochendichte einher“, bestätigt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Außerdem benötigt der Körper für den Knochenaufbau zusätzlich Vitamin D.
Für Kinder zwischen ein und vier Jahren empfiehlt die DGE 600 mg Kalzium pro Tag. Ein 200-ml-Glas Milch enthält bereits 250 mg des Mineralstoffs. Stiftung Warentest fand heraus, dass der Kalziumgehalt sich auch bei der Produktion von H- oder längerhaltbarer Milch nicht verändert.
Familien, die sich vegan ernähren, müssen darauf achten, regelmäßig und in ausreichender Menge kalziumreiche Gemüsesorten zu essen. Nicole Merbach von der Stiftung Warentest empfiehlt beispielweise Brokkoli (siehe Frage 10).
Zuviel Kalzium erhöht bei Männern das Prostata-Krebs-Risiko (siehe Frage 9).
Kalzium-Tagesbedarf (Schätzwerte) nach der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE)
Alter | Kalzium, mg/Tag |
Säuglingea | |
0 bis unter 4 Monate | 220 |
4 bis unter 12 Monate | 330 |
Kinder | |
1 bis unter 4 Jahre | 600 |
4 bis unter 7 Jahre | 750 |
7 bis unter 10 Jahre | 900 |
10 bis unter 13 Jahre | 1100 |
13 bis unter 15 Jahre | 1200 |
Jugendliche und Erwachsene | |
15 bis unter 19 Jahre | 1200 |
19 bis unter 25 Jahre | 1000 |
25 bis unter 51 Jahre | 1000 |
51 bis unter 65 Jahre | 1000 |
65 Jahre und älter | 1000 |
Schwangere | 1000 |
Stillende | 1000 |
8. Was spricht für Biomilch?
Neben den bekannten moralisch-ethischen Aspekten, wie dem Verzicht auf Massentierhaltung und dem Wunsch, als Verbraucher eine Landwirtschaft zu fördern, die Tier und Mensch respektvoll behandelt, sprechen auch einige Inhaltstoffe für die Milch aus nachhaltiger Produktion. Biomilch, so die Stiftung-Warentest-Redakteurin Nicole Merbach, weise in höheren Mengen gesunde Fettsäuren auf. Dazu zähle insbesondere die Alpha-Linolensäure. Sie kommt nur in Milch von Kühen vor, die große Mengen frisches Grünfutter bekommen und überwiegend draußen gehalten werden.
9. Schützt Milch vor Krebs?
Ja und nein. Das Max-Rubner-Institut kommt zu dem Schluss, dass gerade Frauen sich durch den Konsum von Milchprodukten (Milch, Joghurt, Käse, Quark etc. - Milchtrinken alleine habe diesen Effekt nicht) vor Krebs schützen können. Sie erkranken seltener an Dickdarm- und Brustkrebs. Anders sieht es bei Männern aus. Zu große Mengen Milch erhöhen das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken. Ausschlaggebend ist dabei die Kalziummenge. Um sich zu schützen, sollten Männer nicht mehr als 1,5 g täglich zu sich nehmen (siehe auch die Tabelle bei Frage 7). Das entspreche 1,25 Liter Milch und 140 g Hartkäse.
10. Können Veganer den Verzicht auf Milchprodukte ausgleichen?
Beim Verzicht auf Milchprodukte und alle anderen tierischen Lebensmittel ist die größte Gefahr ein Mangel an Vitamin B12. Es gibt kaum Möglichkeiten, das Vitamin natürlich zu ersetzen. Veganer sollten es gezielt über Hefepräparate, Nahrungsergänzungsmittel oder angereicherte Lebensmittel aufnehmen, so Nicole Merbach von der Stiftung Warentest. Auch bei der Zufuhr von ausreichend Vitamin D, Jod, Calcium, Eisen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren kann es zu Problemen kommen, so Ernährungswissenschaftlerin Mathilde Kersting. Die Gabe von Ergänzungsmitteln sollte unbedingt mit dem Kinderarzt abgesprochen werden.
Als Kalziumlieferanten eignen sich dunkelgrünes Gemüse wie Brokkoli und Grünkohl, Wildpflanzen, Nüsse, Samen wie Sesam und diverse Mineralwasser-Sorten (mindestens 150 mg Calcium/Liter).
Silke Restemeyer von der DGE empfiehlt zusätzlich mit Kalzium angereicherte Pflanzendrinks wie Soja-, Reis- oder Hafermilch. Kinderarzt Fegeler warnt vor einer veganen Ernährung von Kindern. Sie sei nur unbedenklich, wenn sich die Eltern extrem gut mit dem Thema Ernährung auskennen. Dieser Auffassung sind auch Restemeyer und Kersting. Die Ernährungswissenschaftlerin des Forschungsinstituts für Kinderernährung weist außerdem darauf hin, dass es derzeit noch keine wissenschaftlichen Studien zum Effekt veganer Kinderernährung gibt.
11. Verursacht Milch Akne?
Aktuelle Studien aus Großbritannien und den USA geben erste Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen einem hohem Milchkonsum und Akne, unter der 80 Prozent der europäischen Jugendlichen leiden. Letztlich fehlt noch der wissenschaftliche Beweis für einen eindeutigen Zusammenhang. Als auslösende Stoffe werden in der Milch enthaltene Hormone und insulinähnliche Wachstumsfaktoren vermutet.