Es ist eine ganz normale Woche. Am Freitag Wochenendeinkauf im Supermarkt: Die Tomaten stecken in einer Plastikbox, Biowurst gibt es nur eingeschweißt, der Schokoriegel ist dreifach verpackt. Zu Hause quillt schon wieder die Wertstofftonne über. Am Montag landet ein Kanten Brot im Müll, hart geworden über das Brötchenfrühstück. Ein Rest geschlagene Sahne vom Nachmittagskuchen, ein bisschen Reis vom Mittagessen, die Pfütze Kokosmilch – weg damit.
In unseren Küchen herrscht das große Wegwerfen
227,5 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf und Jahr landen im Müll, das meiste davon Plastik. Hinzu kommen 85 Kilo Lebensmittel, die jeder von uns zu Hause alljährlich wegwirft. Die Hälfte davon wäre problemlos vermeidbar. Für all diese Lebensmittel wurden Rohstoffe angebaut, was Flächen und Wasser verbraucht, die Nutztiere fraßen Futter und produzierten reichlich CO2. Würden wir unsere Lebensmittelabfälle halbieren, könnten pro Jahr vier Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche und 17 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Das allein hält den Klimawandel nicht auf, ist aber ein weiteres Puzzlestück, um die Emissionen zu drücken. Eines, zu dem jede und jeder von uns ohne viel Aufwand beitragen kann. Man muss keine Superköchin sein, die aus Bananenschalen oder Karottengrün kreative Köstlichkeiten kocht. Viel wichtiger ist, dass wir im Alltag ein neues Bewusstsein für Lebensmittel entwickeln – sie wertschätzen, statt sie wegzuwerfen.
Überlegter einkaufen, Lebensmittel richtig lagern, Vorräte im Blick behalten, Reste verwerten – damit ließe sich schon viel gewinnen. Trotzdem gelingt selbst das den meisten von uns nicht besonders gut. Eine Studie des Marktforschungsinstituts GfK zeigt, dass Familien mit Kindern überproportional viele Lebensmittel wegschmeißen – weil sie unappetitlich wurden oder vergammelt sind, zu viel gekocht wurde oder die Portionen auf dem Teller zu groß waren. Sind wir alle Ignoranten? Sicher nicht.
Aber da alles immer und überall erhältlich ist und Lebensmittel vergleichsweise billig sind, haben wir verlernt, planvoll mit ihnen umzugehen. Wir hüpfen auf dem Weg zur Kita kurz in den Supermarkt und überlegen dort, was wir eben schnell kochen können. Wochen-Speisepläne schreiben, Vorratshaltung, Restekochen – wer kann das schon? Außerdem: Kinder mögen heute dies, morgen das und vieles überhaupt nicht.
Auch wenn wir bewusst einkaufen, stecken wir ständig in einem Entscheidungsdilemma: Kaufe ich die kleine Portion, wird weniger schlecht, dafür fällt mehr Verpackungsmüll an. Eingeschweißte Wurst hält länger als frisch verpackte, dafür landet wieder Extra-Plastik im Müll.
Es richtig machen zu wollen, ist oft nicht leicht – und das führt leider dazu, dass wir einfach so weiterwursteln wie bisher. Weil das aber auch keine Lösung ist, haben wir drei Experten nach ihrer Strategie gefragt:
Zettel schreiben
Frank Waskow ist Ernährungsexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Er war am Forschungsprojekt Reduce Food Waste (ReFoWas) beteiligt und berät die Bundesregierung zum Thema Lebensmittelabfälle:
„Ich finde es nicht richtig, den Verbrauchern die Hauptschuld zuzusprechen. Sie sollen sich gesund und klimafreundlich ernähren, die ganzen Labels im Blick haben, Verpackungen vermeiden und auch noch auf Lebensmittelverschwendung achten. Das überfordert. Beim Thema Lebensmittelabfälle ist mein Tipp: Sucht euch zwei Aspekte raus, die ihr leicht umsetzen könnt, und fangt an. Wir haben zu Hause zum Beispiel erst mal Inventur gemacht und aufgeschrieben, was im Gefrierschrank liegt. Der war voll, aber keiner hatte den Überblick. Jetzt hängt eine Liste mit allen eingefrorenen Speisen an der Tür. Wenn wir etwas rausnehmen, streichen wir es durch, Neues wird dazugeschrieben. Beim Vorrats- und Kühlschrank machen wir es genauso. So entsteht ganz nebenbei eine Einkaufsliste, und wir müssen nur die Vorräte an frischen Sachen kontrollieren. Einmal in der Woche gibt es bei uns Resteessen. Alles kommt auf den Tisch, wie bei einem Buffet. Die Kinder finden das toll, weil immer etwas dabei ist, das sie mögen.“
Den Gefrierschrank nutzen
Claudia Kay leitet die Initiative „Wirf mich nicht weg!“ am Umweltzentrum Hollen. Die Ernährungs- und Haushaltsfachfrau bringt Kindern bei, wie sie Lebensmittelabfälle vermeiden können. Die Initiative stellt auch Rezepte bereit:
„Der erste Schritt ist zu beobachten, was man häufig wegschmeißt, und sich dafür Lösungen zu überlegen. Bleibt immer ein Schluck Sahne in der Packung, kann man diesen Rest im Eiswürfelbehälter einfrieren und hat gleich etwas für die nächste Suppe. Braucht man nur einen halben Lauch, sollte man den Rest mit klein schneiden und einfrieren, bevor er schlecht wird. Das spart beim nächsten Kochen Zeit. Aus altem Brot lassen sich Bratlinge oder Nachtische kochen. Ich selbst hatte häufig eine halbe Zitrone übrig, die im Kühlschrank vergammelt ist. Daraus mache jetzt Zitronenzucker: Zitrone schälen, mit 100 Gramm Zucker vermischen, klein mixen, in ein sauberes Glas geben – super zum Backen oder für Salatdressings.“
Wiegen und eintragen
Simone Abels betreut das Projekt FoodLab-Home an der Leuphana Universität Lüneburg, in dem untersucht wird, was Lebensmittelabfälle mit Klimaschutz zu tun haben. Der vom Projekt entwickelte Food Waste Tracker kann kostenlos genutzt werden:
„Ich weiß, Abfälle sind kein besonders attraktives Thema, trotzdem empfehle ich, sie mal zu wiegen und sich mit unserem Food Waste Tracker ausrechnen zu lassen, wie viel CO2 bei Erzeugung, Verarbeitung, Transport, Lagerung und der Nutzung im Haushalt entsteht. 100 Gramm Brot zum Beispiel entsprechen dem CO2-Ausstoß, der durch den Betrieb einer LED-Lampe für mehr als 24 Stunden entsteht. Man sieht schnell, was die größten Klimasünder sind: Fleisch, Kakao, Kaffee, Tee. Hier lohnt es sich besonders, Abfälle zu vermeiden. Um weniger Lebensmittel wegzuwerfen, helfen Portale wie restegourmet.de. Man gibt ein, welche Zutaten im Haus sind, und bekommt passende Rezepte angezeigt. Bei Biogemüse – zum Beispiel Karotten oder Kartoffeln – kann man problemlos die Schale mitessen. Und wenn man Essensreste im Kühlschrank in durchsichtigen Schüsseln aufbewahrt, bleiben sie im Auge und damit im Sinn.“