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Gemüsemuffel Warum dein Kind mäkelt - und was du dagegen tun kannst

Mädchen dreht den Kopf vom Essen weg
© kwanchaichaiudom / Adobe Stock
Kinder zwischen zwei und sechs Jahren mäkeln aus einem erstaunlichen Grund am Essen herum. Entscheidend ist, wie Eltern darauf reagieren. Tipps für mehr Gelassenheit am Esstisch.

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Dein Kind wirft die Tomatenscheiben vom Brot und spuckt den Brokkoli aus? Es vermeidet alles, was grün ist und will am liebsten den ganzen Tag Nudeln oder Schokolade essen? Keine Sorge, das geht den meisten Familien so. Selbst Kinder, die als Babys noch fröhlich Avocado oder sogar saure Gurken probiert haben, werden plötzlich zu Gemüsemuffeln. Du wirst staunen, dass dieses Verhalten einen sinnvollen Hintergrund hat. Wir erklären dir, woher solche Mäkeleien bei Kindern kommen. Und was du tun kannst, um Abwechslung und Entspannung an den Esstisch zu bekommen.

Die meisten Kinder durchleben eine Mäkelphase. Laut dem Kinderarzt Herbert Renz-Polster lehnt ein Viertel der Vierjährigen Gemüse ganz ab. Sollte dein Kind dazu gehören, mach dir keine Sorgen. In einem bestimmten Alter hat das tatsächlich einen evolutionären Hintergrund. Dass kleine Kinder mäkelig sind, war früher überlebenswichtig.

Mäkeln als Überlebensstrategie

"Dass Kinder Nutella und Pommes frites gegenüber Selleriestängeln und Spinat bevorzugen, hat einen an sich sinnvollen Hintergrund", schreibt Renz-Polster in seinem Blog. "Wer Kalorienbomben bevorzugte, kam besser über die nächste Notzeit. Und der kritische Blick auf das - für die empfindlichen Kinderzungen immer etwas bitter schmeckende - Gemüse hat sich nicht aus Trotz gegen die Eltern entwickelt, sondern als Vorsichtsmaßnahme in einer mit giftigen Pflanzen beladenen Umwelt."

Geschmack und Farbe waren Hinweise darauf, ob ein Nahrungsmittel bekömmlich ist. Alles was grün ist und bitter schmeckt, könnte unreif und giftig sein. Kleinkinder, die schon alt genug waren, um ihre Umgebung selbst zu erkunden, überlebten, indem sie übervorsichtig bei der Nahrungsauswahl wurden. Sozusagen, um bloß nichts Falsches zu essen, wenn die Eltern nicht dabei waren. Man nennt das Neophobie, die Angst vor Neuem.

Bloß keinen Druck machen

Die Lebensmittel-Neophobie tritt meistens in der Autonomiephase auf, wenn die Kinder zwischen zwei bis sechs Jahre alt sind. Dein Kind lehnt dann etwa grüne Lebensmittel ab und probiert auch nichts Neues aus.

Das Wichtigste für Eltern: Ruhig bleiben und keinen Druck machen. Dein Kind befindet sich in einer Phase, in der es immer selbstständiger wird. Vom Schuhe anziehen bis zum Brot schmieren will es mitbestimmen. Wenn du ihm jetzt am Tisch vorgibst, was es essen soll (aus Kindersicht das "giftige" Grünzeug), wird es mit Trotz reagieren. Sätze wie "Jetzt probier‘ wenigstens!" oder "Du musst aber etwas Gesundes essen!", verschlimmern die Ablehnung.

Essen ist etwas sehr Intimes, wir nehmen etwas ganz in unseren Körper auf. Wird das mit Zwang verbunden, speichert dein Kind die negativen Gefühle ab. Schlimmstenfalls bleiben diese Assoziationen noch lange mit dem Lebensmittel verbunden. Eltern brauchen vor allem Geduld, um durch diese Mäkelphase zu kommen.

Andere Gründe für Gemüsevermeidung

Neben der evolutionären Neophobie gibt es noch weitere Gründe, warum Kinder kein Gemüse essen. Wenn dein Kind sehr mäkelig ist, lohnt es sich, genauer hinzuschauen:

  • Manchmal besteht eine Lebensmittelallergie oder -unverträglichkeit. Kinder mit Unverträglichkeiten meiden bestimmte Lebensmittel intuitiv. Du kannst das mit dem:der Kinderärzt:in besprechen und abklären lassen.
  • Wählerischem Essverhalten liegt manchmal ein negatives Erlebnis in der frühen Kindheit zugrunde. Das kann bei Frühchen der Fall sein, die zwangsernährt wurden. Oder es gab eine heftige Magen-Darm-Erkrankung oder viel Streit am Esstisch.
  • Es gibt Kinder, die einen extrem sensiblen Mundbereich haben. Sie reagieren empfindlich auf Konsistenzen und Temperaturen. Ähnlich geht es den Supertastern. Das sind hochsensible Menschen, die schon als Kind viel mehr wahrnehmen als andere. Sie haben auch mehr Geschmacksknospen und reagieren stark auf Gerüche und Gewürze.
  • Zu viele Snacks vor und nach den Hauptmahlzeiten, zu viel Süßes oder "leere" Kalorien, führen ebenfalls zu mäkeligem Verhalten am Esstisch.
  • In seltenen Fällen ist eine restriktive Essstörung, ARFID genannt, der Grund für das extrem eingeschränkte Essverhalten. Betroffene haben echte Ängste vor dem Essen. Symptome sind Gewichtsverlust oder starker Nährstoffmangel. In diesem Fall solltest du ärztliche Hilfe und womöglich psychologische Betreuung suchen.

So unterstützt du in der wählerischen Phase

Normalerweise werden Kinder ab dem Schulalter wieder probierfreudiger. Aber wahrscheinlich möchtest du nicht so lange abwarten und gar nichts tun. Deshalb haben wir ein paar Tipps für dich aus dem Buch "Mama, ich will Brokkoli!" von Moana Werschler, wie du dein Kind in der wählerischen Phase unterstützen kannst:

  • Es gibt eine hilfreiche Grundregel: Teile die Verantwortung zwischen dir und deinem Kind beim Essen auf.Ihr als Eltern bestimmt, was es zu essen gibt, wann und wo. Dein Kind bestimmt, wie viel es isst, was es isst, ob es isst, wie es isst – ob mit der Hand oder mit Besteck.
  • Gib deinem Kind eine Auswahl von zwei bis drei Lebensmitteln: Lass es entscheiden, ob es Kartoffeln und Erbsen möchte oder lieber Kartoffeln und Karotten.
  • Achte darauf, dass immer etwas auf dem Tisch steht, was dein Kind mag oder schon mal gegessen hat. Kinder wollen oft dasselbe essen, weil es für sie als sicher gilt. Stelle deinem Kind also seine sicheren Lebensmittel zur Auswahl, kombiniere sie aber mit neuen Dingen. Stelle zum Beispiel Apfelschnitze und etwas Brot auf den Tisch, damit dein Kind etwas Gewohntes sieht.
  • Lass dein Kind mit den Händen essen oder die Lebensmittel zumindest erkunden, bevor es sie in den Mund nimmt. Die Sinne sind beim Essen wesentlich. Wenn du deinem Kind das Spielen mit dem Essen verbietest, nimmst du ihm die Möglichkeit, ein Nahrungsmittel kennenzulernen. Gib deinem Kind die Möglichkeit zu testen, wie etwas schmeckt, riecht, sich anfühlt.
  • Gemüsepfannkuchen und - muffins? Verstecke Gemüse nicht nur, sondern biete es auch als Ganzes an.
  • Sehr wählerische Kinder mögen es nicht, wenn sich zwei Lebensmittel im Teller berühren. Achte auf Trennkost. Helfen können Kinderteller mit Abtrennungen. Liegt etwas einzeln und unvermischt vor dem Kind, steigt die Chance, dass es davon probiert.
  • Fördere die Neugier, nimm dein Kind mit zum Einkaufen, in den Garten, zum Bauern. Lass es beim Kochen und Tisch decken mithelfen. Wenn dein Kind das Gefühl bekommt, es darf mitbestimmen, wird es auf jeden Fall zufriedener am Tisch sitzen. Und womöglich steigt die Bereitschaft, etwas Neues auszuprobieren.
  • Supertaster und sehr sensible Kinder nehmen den Geschmack von Karotte, von Brokkoli, von Gewürzen wie Pfeffer, Basilikum aber auch Zucker viel intensiver wahr. Vor allem Bitterstoffe werden als unangenehm empfunden und abgelehnt. Es empfiehlt sich, weniger zu würzen und zu salzen, weniger Knoblauch zu verwenden.
  • Sei Vorbild. Erkläre deinem Kind, dass du nicht jeden Tag Nudeln mit Tomatensoße kochen kannst, sondern Risotto mit Erbsen machst, weil DU das magst, oder DU mal etwas Neues ausprobieren möchtest. 

Du kannst dein Kind an Neues gewöhnen, indem du ihm Lebensmittel immer wieder anbietest. Studien bestätigen, dass Kinder Nahrungsmittel häufig probieren müssen, bevor sie diese mögen. Einige Studien gehen von acht bis zehn Mal aus, andere sogar von bis zu 20 Mal. Also: Gelassen bleiben und durchhalten.

Verwendete Quellen: kinder-verstehen.de, Moana Werschler: "Mama, ich will Brokkoli! Mehr Gemüse und Spaß: Gesunde Familienküche leicht gemacht." Humboldt Verlag

ELTERN

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