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Gesund bleiben Keimschleuder Kita: Was Eltern tun können

Gesund bleiben : Keimschleuder Kita: Was Eltern tun können
© 4X-image / iStock
Ansteckungsschutz in der Kita ist nicht erst seit Corona ein Dauerthema. Was dort gegen Ausbrüche getan wird, wo die Grenzen liegen und wie Eltern helfen können.

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Den Garderobenhaken ihres Kita-Kindes haben viele Eltern lange nicht mehr gesehen. Ein Abschiedskuss vor der Tür, das Kind der Erzieherin übergeben, das war’s – in der Corona-Zeit müssen Mütter und Väter draußen bleiben. Weniger Kontakt mit „Externen“ in den Räumen ist eine von vielen neuen Regeln, mit denen Kindertagesstätten das Ansteckungsrisiko zu mindern versuchen. Offenbar klappt es: Nur etwa eine von 100 Kitas bundesweit musste nach dem Neustart des Regelbetriebs wegen Covid-19-Fällen eine Gruppe oder die gesamte Einrichtung schließen (Stand: Oktober 2020). Die Aufregung hat sich gelegt, auch weil man heute weiß, dass sich Kinder deutlich
seltener mit dem neuartigen Corona-Virus infizieren als Erwachsene.

Nur: Was für diesen Erreger gilt, gilt nicht für ungezählte andere. Auch in diesem Herbst hängen wieder die gefürchteten Infos aus: „Liebe Eltern, in unserer Kita sind folgende Krankheiten aufgetreten …“

Die Kita „Zauberwind“ in Hüffelsheim bei Bad Kreuznach besuchen 95 Kinder zwischen 1 und 6 Jahren. Während des Shutdowns im Frühjahr mussten alle zu Hause bleiben, aber ihre Erzieherinnen und Erzieher konnten sie trotzdem jeden Tag sehen. Drei Monate lang veranstaltete das Team um Kita-Leiter Martin Mucha für jede Gruppe einen digitalen Morgenkreis per Videokonferenz und drehte Dutzende Videos für den Zauberwind- Youtube-Kanal, mit Vorlese- und Bastelstunden, Kinderschminken, virtuellem Versteckspiel – und ohne Ansteckungsrisiko.

Längst ist wieder Alltag im Zauberwind, und es gibt auch wieder Erkrankungen. „Zuletzt hatten wir Kinder mit Ohrenschmerzen, mit Fieber und mit Durchfall“, berichtet der Kita-Leiter.

Von Händewaschen bis Meldepflicht

Laut Infektionsschutzgesetz trägt Martin Mucha in seiner Einrichtung die Verantwortung dafür, „übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern“. Wollen Eltern ihr Kind anmelden, muss er sich davon überzeugen, dass sie eine ärztliche Impfberatung nachweisen können und das Kind gegen Maserngeimpft ist. Während Eltern gesetzlich verpflichtet sind, der Kita sofort mitzuteilen, wenn bei ihrem Kind eine der 50 meldepflichtigen Krankheiten diagnostiziert wurde, muss Martin Mucha das Gesundheitsamt darüber informieren und dafür sorgen, dass die Kranken die Kita nicht betreten. Auch Kinder unter sechs mit potenziell ansteckendem Durchfall dürfen nicht kommen.

Wie alle Leiterinnen und Leiter hat Mucha für seine Kita ein Hygienekonzept erstellt. Darin bestimmt er unter Berücksichtigung von Richtlinien seines Bundeslandes Rheinland-Pfalz, wie er mit dem Kollegium gegen Ansteckungsrisiken vorgeht. Es gibt detaillierte Regeln für die Händedesinfektion
der Mitarbeiter, das Händewaschen der Kinder, Vorgaben für die Raumhygiene, die Reinigung der Sanitärbereiche und Küche, das Waschen von Spielund Schlafdecken, die Trinkwasser- und
Lebensmittelsicherheit, zur Unterweisung des Personals über alle Maßnahmen, die
Eltern-Information und vieles mehr. Der Hygieneplan soll helfen, jeden in der Kita, Kinder wie Erwachsene, vor der Ansteckung durch andere zu schützen.

Seit der Pandemie gelten noch mehr Regeln. Die Kinder bleiben, wann immer
möglich, in geschlossenen „Betreuungssettings“ zusammen, Erzieherinnen und Erzieher müssen dafür sorgen, dass Spielzeug nicht unbemerkt zwischen Gruppen getauscht wird und dass Kinder ihr Essen nicht teilen. Erwachsene tragen Mund-Nasen- Schutz auf dem Flur, wo eine neue CO2-Ampel den Takt für das Lüften vorgibt. Und es wird noch mehr gereinigt und desinfiziert als früher. Dass sämtliche Vorgaben umgesetzt werden, muss ständig dokumentiert, gesammelt und kontrolliert werden – ein Berg an Verwaltungsarbeit.

Kein „AHA“ beim Naseputzen

Trotz des ganzen Aufwands: Den Kampf gegen Keime können Kitas nicht immer gewinnen. In den Krippengruppen verbringen Kleinkinder den Tag, die öfter krank sind als jede andere Altersgruppe, weil ihr Immunsystem erst gerade lernt, so schnell und gezielt auf Viren und Bakterien zu reagieren, dass das Kind sich nicht infiziert. Die Zahl dieser Jüngsten ist rasant gestiegen: Heute besuchen 830 000 Kinder unter drei eine Kita in Deutschland – dreimal so viele wie 2006.

Zugleich sind sie es, denen Erzieherinnen und Erzieher körperlich besonders nahe ist. Sie wickeln sie, begleiten sie zur Toilette, trösten und tragen, legen sie schlafen. Abstand halten? Kaum möglich. „Natürlich nehmen wir ein weinendes Kind auf den Arm oder hocken uns vor es hin, bevor wir ihm die Nase putzen“, sagt Martin Mucha. Beim Wickeln tragen die Mitarbeiter Einmalhandschuhe, aber keinen Mund-Nasen- Schutz: „Das ist eine sehr intime pädagogische Interaktion. Gerade die ganz Kleinen brauchen dabei die Mimik des Erwachsenen.“ Auch im eigenen Gruppenraum tragen Erzieherinnen und Erzieher keine Maske. Die Schwere der Corona-Zeit, findet der Kita-Leiter, solle sich nicht auf die Kinder übertragen: „Wir wollen ihnen einen fröhlichen, möglichst unbeschwerten Start ins Leben geben. Das ist doch unsere Aufgabe.“

Die Kehrseite der Medaille: Nicht nur die anderen Kinder, auch die Pädagogen laufen ständig Gefahr, angehustet oder angeniest zu werden. Auch wenn viele im Kita-Keimsturm vermutlich robuste Abwehrkräfte entwickelt haben: Manchmal steckt sich auch eine oder einer von ihnen an. „Bis zu einem gewissen Grad sind wir dem Infektionsgeschehen einfach ausgesetzt“, resümiert Martin Mucha. Eine schwangere Mitarbeiterin wird deshalb bei einem Ausbruch auf Antikörper gegen den Erreger getestet. Hat sie keine, kann ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen werden, oder sie wird ins Homeoffice geschickt.

Geht noch mehr?

Gesund bleiben : Keimschleuder Kita: Was Eltern tun können
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Wie sich Erkrankungswellen so wirksam wie möglich eindämmen lassen, treibt Leitungsteams und Trägerverbände überall um. Für Dr. Astrid Schubert vom Gesundheitsamt Berlin-Neukölln ist dabei einer der Knackpunkte, dass alle in der Kita wissen und beachten, wie ein grassierender Erreger übertragen wird: über Tröpfchen, Aerosole oder Schmierinfektion, zu der auch der fäkal-orale Übertragungsweg gehört. Bei einer Tröpfcheninfektion – wie etwa bei den Erregern vieler Erkältungsinfekte, Influenza und Scharlach – kommt es laut Astrid Schubert besonders auf die Handhygiene sowie auf das Verhalten bei Husten und Niesen an: in die Ellenbeuge oder in ein Taschentuch, während man sich von anderen abwendet. Das Taschentuch entsorgt man im Anschluss. „Schon kleine Kinder sollten dazu angeleitet werden“, so die Kinder- und Jugendärztin.

Ein großes Thema seien zudem Erreger wie hochansteckende Rota- oder Noroviren, die Brechdurchfälle verursachen und gerade bei Säuglingen und Kleinkindern zu einem Flüssigkeitsverlust führen können, der so schwer sein kann, dass er im Krankenhaus intravenös ausgeglichen werden muss. Die Viren werden vor allem fäkal-oral übertragen, also indem sie über Partikel aus den Stuhl auf die Hände und dann in den Mund gelangen. Bei der Reduktion dieser Erreger spiele das Hygieneregime in der Kita eine wichtige Rolle, erklärt Astrid Schubert: „Hierbei ist auch die Aufklärung der Eltern und des Krippenpersonals von besonderer Bedeutung, um die Weiterverbreitung zu verhindern.“

Viele Ausbrüche ließen sich zudem mit Früherkennungsmaßnahmen eindämmen: indem eine Kita konsequent dafür sorge, dass Mitarbeiter und Kinder nicht mit Fieber, Durchfall und Schmerzen in die Einrichtung kommen, so Dr. Astrid Schubert.

ATTEST FÜR DIE KITA?

Eine schriftliche Gesundschreibung für ihr Kind brauchen Eltern nach einigen schweren meldepflichtigen Infektionskrankheiten wie etwa Diphtherie. Bei anderen reicht eine informelle „ärztliche Beurteilung“. Für Covid-19 gelten bundesweit verschiedene Regeln, meist darf das Kind aber nach der häuslichen Isolierung ohne Attest zurück in die Tagesstätte – sobald es 48 Stunden symptomfrei war.

Was Eltern beitragen können

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© VioletaStoimenova / iStock

Dass ein Kind krank gebracht werden, auch „gedopt“ mit etwas Fiebersaft, ist keine Ausnahme. Auch nicht, dass Mitarbeiter sich dann schwer tun, Eltern und Kind gleich wieder nach Hause zu schicken. Waltraud Weegmann, Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbands, in dem sich unabhängige Träger zusammengeschlossen haben, weiß, wie sehr Familien die Betreuung brauchen, gibt aber zu bedenken: „Wir haben Kinder unter einem Jahr in den Kitas. Für die kann es lebensbedrohlich sein, sich mit einer Durchfallerkrankung anzustecken. Ein krankes Kind gefährdet die Gesundheit der anderen. Und wenn es das pädagogische Personal ansteckt, betrifft das alle.“

Als Martin Mucha im „Zauberwind“ einmal zehn fiebrige Kinder zugleich hatte, setzte er sich mit dem Elternausschuss zusammen, der ein Rundschreiben verfasste. Das brachte den Umschwung: „Offenheit hilft. Dann ziehen die meisten auch mit.“

Seit der Pandemie habe sich etwas verändert, beobachten beide, der Kita-Leiter und die Verbandsvorsitzende: Eltern seien sensibler für Symptome geworden und ließen ihr Kind schneller zu Hause. „Und Mitarbeiter sind jetzt konsequenter dabei, Eltern mit einem kranken Kind auch mal abzuweisen“, meint Waltraud Weegmann. „Wenn das bei Corona rauskommt, dann hat das alles immerhin etwas Gutes.“

Erschienen in ELTERN Ausgabe 01/21

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