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Bettnässen "Mama, mein Bett ist nass!"

Bettnässen: Rückenansicht eines kleinen Mädchens mit Kuscheltier, das nach unten schaut
© Foto: photocase.com, Natascha Tillmann / Thinkstock
Euer Kind macht nachts hin und wieder ins Bett? Kein Grund zur Sorge, denn diese Entwicklungsstörung ist meist harmlos. So könnt ihr euren Kleinen helfen!

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Unter den Viereinhalbjährigen macht etwa eins von fünf Kindern ins Bett, bei den Neunjährigen ist es gelegentlich noch eins von zwölf. Bettnässen kann eine große Belastung für Kinder und Eltern sein, die aus Scham oft verheimlicht wird. Doch Blasenentleerungsstörungen meist harmlos und fast allen Kindern kann schnell geholfen werden.

Meistens gibt sich das Bettnässen von selbst

"Etwa sieben Prozent aller Siebenjährigen nässen nachts noch regelmäßig ein", erklärt Prof. Dr. Paul Eggert, Kinderarzt am Universitätsklinikum Kiel. Andere Schätzungen gehen sogar davon aus, dass jedes zehnte Kind in dem Alter betroffen ist. Doch nur in seltenen Fällen ist dieses Symptom ein Anzeichen für eine Krankheit. Bei der Enuresis nocturna, so der medizinische Fachausdruck, handelt es sich meistens um eine Reifungsverzögerung, die sich in der Regel von selber ergibt.

Viele Eltern setzen sich selbst und ihr Kind unter Druck

Bettnässen ist nur selten krankhaft. Meistens ist es eine Reifungsverzögerung.

Trotzdem halten sich hartnäckige Gerüchte, wonach psychische Probleme oder Erziehungsfehler die Ursachen für Bettnässen seien. Doch oft ist es erst die Scham der Eltern über ihr vermeintliches Versagen, die bei den Kindern Stress auslöst. "Einem Fünfjährigen ist es meistens ganz egal, ob er noch ins Bett macht oder nicht. Es sind vor allem die Eltern, die ein Problem damit haben", sagt Prof. Dr. Eggert. Viele Eltern würden glauben, ihr Kind müsse mit drei Jahren schon trocken werden und setzten sich selbst und ihre Kinder daher unter Druck.

Es gibt keine verbindlichen Vorgaben, ab wann ein Kind nachts sauber sein sollte. Während zum Beispiel in Frankreich die Meinung vorherrscht, mit vier Jahren dürfe nicht mehr ins Bett gemacht werden, lassen die Dänen den Kindern Zeit, bis sie sechs Jahre alt sind.

Diese zwei Arten des Bettnässens gibt es

Mediziner:innen unterscheiden zwischen der primären und der sekundären Enuresis: Bei der primären Enuresis war das Kind seit seiner Geburt nie über einen längeren Zeitraum trocken. Als Ursache werden Verzögerungen in der Entwicklung angenommen. Bei der wesentlich selteneren sekundären Enuresis nässt das Kind plötzlich wieder nachts ein, obwohl es bereits mindestens ein halbes Jahr trocken war. Hier können sowohl organische als auch psychische Ursachen eine Rolle spielen, etwa als Reaktion auf ein neues Geschwisterkind, die Trennung der Eltern oder einen Umzug.

Prof. Eggert weist jedoch darauf hin, dass sich nicht alle Fälle eindeutig zuordnen lassen. Viele Kinder sind wochenlang nachts trocken und wachen dann plötzlich wieder in einem nassen Bett auf, ohne dass es sich dabei um eine sekundäre Enuresis handeln muss. Die Entwicklung eines Kindes verläuft zu individuell, als dass man sie an vorgegebenen Zeiträumen messen könnte. Es fangen auch nicht alle Kinder gleichzeitig mit dem Laufen oder Sprechen an.

Mögliche Ursachen für das Bettnässen

Der häufigste Grund für die primäre Enuresis ist eine nicht ausgereifte Blasenkontrolle. Während die Kinder ihren Entleerungsreflex tagsüber schon gut im Griff haben, ist die Verschaltung zwischen Blase und Gehirn während des nächtlichen Schlafens noch nicht vollständig ausgebildet. Woran das genau liegt, gibt den Mediziner:innen immer noch Rätsel auf. Prof. Eggert geht davon aus, dass es auch mit einer bestimmten Phase des Schlafs zu tun haben könnte, in der sich das Kind zwischen Wach- und Schlafzustand befindet. Für diese These spricht, dass die Kinder aktiv urinieren und nicht einfach nur "überlaufen".

Eine weitere Theorie besagt, dass Bettnässen auch mit einem Hormonmangel zusammenhängen könnte. Demnach wird normalerweise nachts vermehrt das Antidiuretische Hormon (ADH) ausgeschüttet, das die Urinbildung drosselt. Erhöht sich der ADH-Spiegel nicht, ist die Blase schnell voll. Ob das die alleinige Ursache einer Enuresis sein kann, ist jedoch umstritten. Schließlich liegt die Veranlagung zum Bettnässen häufig in der Familie und trifft doppelt so oft Jungs. Ein Grund zur Sorge ist das erst einmal nicht. "Irgendwann hört das Bettnässen meistens von alleine auf", so Prof. Eggert. "Allerdings kann das in seltenen Fällen bis ins Jugendalter dauern."

Anders verhält es sich, wenn ältere Kinder auch tagsüber noch in die Hose machen und den Toilettengang herauszögern. In diesem Fall rät Prof. Eggert, einen Arzt oder Ärztin aufzusuchen. Möglicherweise liegt eine angeborene Fehlbildung der Harnwege, eine Harninkontinenz oder eine Störung der Blasenmuskelfunktion vor. Es kann sich auch um eine Harnwegsinfektion oder einen nervösen Blasenschließmuskel handeln. Fast immer können Medikamente Abhilfe schaffen.

Auch bei der sekundären Enuresis gilt zunächst organische Ursachen wie eine Harnwegsinfektion auszuschließen. Liegt keine organische Erkrankung vor, ist häufig psychischer Stress schuld an dem erneuten Bettnässen. Neben einschneidenden Ereignissen in der Familie kann das beispielsweise ein größerer Entwicklungsschritt sein, eine schwere Krankheit oder der Eintritt in den Kindergarten oder die Schule. "Die Kinder stehen in solchen Phasen tagsüber unter großem Druck. Wenn sie dann nachts im Schlaf entspannen, fließt der Druck buchstäblich ab", erklärt der Münchener Psychologe und Kinder- und Jugendtherapeut Jürgen Wolf.

Prof. Eggert bestätigt, dass unter dauerhafter Anspannung eine vorhandene Schwachstelle, in diesem Fall die Neigung zum Bettnässen, aufbrechen kann. Die Veranlagung dazu müsse aber bereits da sein, betont Eggert und warnt davor, zu schnell psychologische Gründe anzuführen und überzubewerten. Klischees, wonach eine Enuresis – egal, ob primär oder sekundär – ein Hilferuf vernachlässigter, misshandelter oder deprimierter Kinder sei, seien völlig überholt. "Das stammt noch aus der psychologisierenden Ära der Kindermedizin. Heute gehen wir davon aus, dass in den wenigsten Fällen psychologische Probleme die alleinige Ursache sind."

Kein Tabu aus dem Thema machen

Wenn der fünfjährige Sohn ins Bett macht, sprechen selbst aufgeklärte Eltern nur ungern darüber. Sie schämen sich und glauben, in der Erziehung versagt zu haben. Nicht umsonst ist Bettnässen immer noch ein Tabuthema. Damit beginnt ein Teufelskreis, denn – so hat Prof. Eggert festgestellt – häufig entstehen beim Kind psychische Probleme erst durch die Reaktion der Eltern auf das Bettnässen und nicht umgekehrt.

Das oberste Gebot im Umgang mit Kindern, die einnässen, ist daher Gelassenheit. "Eltern sollten das Thema nicht tabuisieren oder ignorieren, sondern offen damit umgehen", rät der Psychologe Jürgen Wolf. Durch seine Arbeit in einem evangelischen Beratungszentrum weiß Wolf, wie schwer es vielen entnervten und verzweifelten Eltern fällt, Ruhe zu bewahren. Doch auch wenn es viel Kraft und ein hohes Maß an Geduld erfordert – ein Kind sollte niemals wegen seines nassen Bettes geschimpft oder gar bestraft werden. Auch das Kind durstig zu Bett schicken oder nachts wecken und auf die Toilette bringen, nützt gar nichts, so Prof. Eggert. Deshalb kann das Kind seine Blase auch nicht besser kontrollieren und beim nächsten Malheur ist es nur umso frustrierter.

Wann zum Arzt oder zur Ärztin?

Eine verzögerte Blasenkontrolle, ein besonderes Schlafverhalten – diese Phänomene sind bei Kindern normal und brauchen in der Regel nicht behandelt werden. Trotzdem sind viele Eltern unsicher, ob ihr Kind nicht vielleicht doch krank ist. Bei folgenden Anzeichen rät das Deutsche Grüne Kreuz zum Arzt zu gehen. Wenn das Kind...

  • nachts häufig aufwacht, weil die Blase drückt oder das Bett nass ist. Es könnte sich um einen Harnwegsinfekt handeln.
  • manchmal auch tagsüber in die Hose macht oder öfter als zehn Mal zur Toilette muss. Dann könnten ein Harnwegsinfekt oder eine Störung der Blasenmuskelfunktion dahinter stecken.
  • Probleme beim Wasserlassen oder einen stotternden Harnstrahl hat. Dies spricht für ein Hindernis in der Harnröhre.
  • bereits länger als sechs Monate trocken war.
  • unter eine Vorhautverengung leidet.

Prof. Eggert empfiehlt, auch dann ärztliches Fachpersonal aufzusuchen, wenn das Kind selber unglücklich über sein Bettnässen ist. Das ist fast immer der Fall, wenn der:die kleine Patient:in schulreif wird und damit in eine neue Phase der Sozialisation eintritt. Spätestens beim ersten Ferienlager wird das Bettnässen dann zu einem echten Problem. Langfristig kann das zu Minderwertigkeitsgefühlen und Abkapselung führen.

Behandlungsmöglichkeiten für die Reifungsverzögerung

Häufig reicht es, das Kind für das Problem zu sensibilisieren.

Durch eine Harn- und eventuell eine Ultraschalluntersuchung der Nieren stellt der Arzt oder die Ärztin zunächst fest, ob es für das Einnässen eine organische Ursache gibt. Mit einer einfachen neurologischen Untersuchung wird zudem getestet, ob die Reizübertragung im Körper möglicherweise gestört ist. Können Fehlbildungen der Harnblase, Infektionen oder ähnliche Befunde ausgeschlossen werden, stehen für Kinder, die nachts noch nie dauerhaft trocken waren, drei Therapiemöglichkeiten zur Auswahl.

Bei der sogenannten Klingelhose löst ein Sensor einen Weckton aus, sobald eine geringe Urinmenge austritt. Da viele Kinder wegen ihres festen Schlafs den Alarm nicht hören, müssen häufig die Eltern aufstehen, um sie zu wecken. Mithilfe der Klingelhose sollen die Kinder lernen, durch den Harndrang aufzuwachen – eine wirksame Therapie, wie Prof. Eggert feststellen konnte: "Sie kann innerhalb von acht Wochen bis zu drei Monaten dauerhaften Erfolg bringen." Neben der Hosenform gibt es ein Klingelgerät wie etwa die Klingelmatte, auf denen betroffene Kinder schlafen können.

Eine andere Möglichkeit ist es, in Form von Tabletten, Saft oder als Nasenspray das Hormon ADH mit dem Wirkstoff Desmopressin auszugleichen. Damit wird unter anderem die Ausscheidung von Harn reduziert. Das Medikament zeige laut Prof. Eggert eine sofortige und meist auch dauerhafte Wirkung. Unerwünschte Begleiterscheinungen seien durch das Hormon nicht zu befürchten, so Eggert, solange die Kinder nachts nicht viel trinken würden. Das könnte nämlich zu einer Überladung des Körpers mit Wasser führen.

Auch die Münchner Homöopathin und Kinderärztin Dr. Ursel Lindlbauer-Eisenach bezeichnet die Hormonbehandlung als unbedenklich: "Es ist das Mittel erster Wahl, denn der Erfolg führt zu einer schnellen Entspannung der ganzen Familiensituation. Nur mit homöopathischen Mitteln sind die Erfolgsaussichten hingegen sehr bescheiden. Ebenfalls oft wirksam, aber fast nur noch im angelsächsischen Raum eingesetzt sind Antidepressiva. Sie setzen die Weckschwelle herab, sodass der Patient bei voller Blase schneller aufwacht. Wegen der vielen Nebenwirkungen sind diese Medikamente jedoch umstritten.

Die Erfahrung zeigt allerdings, dass häufig gar keine der genannten Therapien nötig ist. "Oft reicht es, wenn die Kinder für ihr Problem sensibilisiert werden, zum Beispiel indem die Eltern mit ihnen ein Tagebuch führen", so Prof. Eggert. Darin wird jeder Gang zur Toilette aufgeschrieben und jede trockene Nacht zur Erfolgsmeldung. So wird den Kindern ihre Situation bewusst und oft machen sie schon nach kurzer Zeit nicht mehr ins Bett. Bei Kindern, die bereits längere Zeit nachts sauber waren und dann wieder regelmäßig einnässen, sollte ebenfalls ärztlicher Rat aufgesucht werden. Liegen keine organischen Befunde vor, rät der Psychologe Jürgen Wolf nach den Ursachen im alltäglichen Umfeld zu suchen: "Es hat meistens einen Sinn, dass ein Kind so reagiert. Die Eltern sollten sich also in ihrer Ursachenforschung nicht so sehr auf ihren Sprössling stürzen, sondern nach äußeren Faktoren suchen, die diesen psychischen Druck erst aufgebaut haben. Hilfreich ist auch, dem Kind Möglichkeiten der Entspannung zu bieten, damit Druck bereits tagsüber abgebaut werden kann und nicht erst nachts im Schlaf."

Wenn die Eltern alleine nicht weiter kommen, sollten sie nicht zu lange zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Anderenfalls könnte es zu einer Chronifizierung des Bettnässens kommen, erklärt Wolf. Das heißt, das Kind würde auch dann noch ins Bett machen, wenn der ursprüngliche Grund dafür schon gar nicht mehr vorhanden ist. Das Bettnässen verselbstständigt sich sozusagen. In Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern wird gemeinsam besprochen, ob und wenn ja, welche Therapie für das Kind angebracht ist. Die Angst vieler Eltern durch den Besuch einer:eines Therapeut:in das Bettnässen erst zu einem Problem für das Kind "aufzubauschen" ist nach Ansicht von Jürgen Wolf völlig unbegründet. Im Gegenteil: "Es wirkt sich eher günstig aus, weil für das Kind so ein Gespräch sehr erleichternd sein kann."

Informationen & Quellen

  • Informationen für Eltern und Kinder bietet die Seite www.bettnaessen.ch
  • Adressen und Telefonnummern der nächstgelegenen Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern geben die zuständigen Jugendämter oder Kinderärzte.
  • Verwendete Quellen: Ärzteblatt, Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V., kinderarzt.at, gesundheitsinformation.de, Deutsches Grünes Kreuz e.V., Kinder und Jugendärzte e.V., Deutsche Apotheker Zeitung, Neurologen und Psychiater im Netz, Apothekenumschau, bettnaessen.ch
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