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Das Baby schreit in seinen ersten Lebensmonaten stundenlang, ohne ersichtlichen Grund – hat es etwa die Dreimonatskoliken? Diese Vermutung stellen viele junge Eltern an, wenn sich ihr Kleines nicht beruhigen lässt und mutmaßlich unter Bauchkrämpfen leidet. Abhilfe versprechen hier homöopathische Kümmelzäpfchen für Babys: Die entblähende und entkrampfende Wirkung von Kümmel soll Babys Bäuchlein mit der Kraft der Natur beruhigen – und so auch den Eltern wieder mehr Ruhe schenken. Aber stimmt das überhaupt? Wir haben bei der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin nachgefragt, ob der Kümmel-Wirkstoff der Zäpfchen hält, was er verspricht.
Was sind Kümmelzäpfchen?
Echter Kümmel (lat. carum carvi) und das aus seinen reifen Früchten gewonnene Kümmelöl (lat. carvi aethereum) gelten als traditionelle Heilmittel bei Magen-Darm-Beschwerden. Zudem soll Kümmel als Gewürz schwere Speisen verdaulicher machen. In Form von Tee oder als Massageöl wird das Hausmittel bei Verdauungsproblemen, Völlegefühl oder Blähungen eingesetzt.
Kümmelzäpfchen setzen ebenfalls auf die traditionelle Heilpflanze und sollen Babys, die unter Bauchschmerzen leiden, sanft und natürlich Linderung verschaffen. Kümmelzäpfchen für Säuglinge und Kleinkinder sind homöopathische Arzneimittel – das bedeutet, der pflanzliche Wirkstoff ist in den Zäpfchen gemäß der homöopathischen Lehre nur in sehr stark verdünnter Konzentration vorhanden. Neben Auszügen aus Kümmel enthalten die Zäpfchen – je nach Hersteller – zudem noch Hartfett und andere potenzierte Extrakte von Tollkirsche, Kamille und Tabak. Homöopathische Arzneimittel sollen nach dem Grundsatz "Gleiches wird durch Gleiches geheilt" wirken und die Selbstheilungskräfte des Körpers aktivieren.
Kümmelzäpfchen für Babys und Kinder sind frei verkäuflich – also ohne Rezept – in Apotheken und für Preise zwischen 5 und 8 Euro erhältlich. Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten für homöopathische Arzneimittel. Für eine Erstattung müsst ihr ein grünes Rezept für die Zäpfchen von eurem Kinderarzt oder eurer -ärztin sowie den Kassenbeleg aus der Apotheke bei eurer Krankenkasse einreichen. In der Apotheke könnt ihr euch zudem über Anwendung, Dosierung und etwaige Nebenwirkungen der Zäpfchen aufklären lassen.
Wie kommen Kümmelzäpfchen zum Einsatz?
Die Zäpfchen werden bei Bedarf direkt in den Enddarm – also den Po – eures Babys oder Kindes eingeführt. Durch den direkten Kontakt mit der Darmschleimhaut sollen die Zäpfchen so möglichst schnell ihre entkrampfende Wirkung entfalten. Je nach Hersteller können die Zäpfchen bereits ab Geburt verwendet werden:
- Ab Geburt: Carum carvi Baby-Kümmelzäpfchen von Pädia
- Ab drei Monaten: Carum carvi comp. von WALA
- Ab einem Jahr: Carum carvi Kinderzäpfchen von WALA
Wie oft ihr eurem Säugling oder Kind ein Kümmelzäpfchen geben könnt, ist ebenfalls vom Hersteller abhängig. Pädia empfiehlt zur Dosierung ein bis zwei; WALA ein bis drei Kümmelzäpfchen pro Tag. Zur maximalen Behandlungsdauer gibt es keine konkreten Angaben. Vonseiten der Hersteller wird allerdings empfohlen, nach zwei bis fünf Tagen ohne Verbesserung der Beschwerden einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Dies gilt ebenfalls, wenn ihr das Gefühl habt, der Zustand eures Kindes verschlechtert sich.
Nebenwirkungenoder Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind laut Herstellern nicht bekannt. Bei einer Allergie gegen einen der Bestandteile wird vom Einsatz der Kümmelzäpfchen allerdings abgeraten.
Zum Einsatz kommen die Zäpfchen insbesondere bei Schreibabys, die viel und langanhaltend weinen. Denn häufig vermuten Eltern hinter diesem Verhalten Bauchschmerzen oder Blähungen – die sogenannten Dreimonatskoliken.
Schreibaby und Dreimonatskoliken: Gibt es das überhaupt?
Ja, es gibt Schreibabys. Aber heute spricht man in diesem Zusammenhang nicht mehr von den Dreimonatskoliken, sondern von einer Regulationsstörung.
Die Annahme, dass sich häufiges und langanhaltendes Schreien in den ersten drei Lebensmonaten (und darüber hinaus) durch einen unreifen Verdauungstrakt und damit einhergehende Bauchschmerzen erklären ließe, gilt heute als nicht mehr zutreffend. Vielmehr sind Blähungen und Bauchweh Folgen des Schreiens, aber nicht seine Ursache: Schluckt das Baby beim Schreien sehr viel Luft, kann das Bäuchlein sich aufgebläht anfühlen.
Was genau die Ursache für das häufige Weinen ist, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Angenommen wird aber, dass eine noch fehlende Fähigkeit zurSelbstberuhigung der Hauptgrund für exzessives Schreien ist: Die betroffenen Säuglinge reagieren empfindlicher auf äußere Reize und können sich schlecht dagegen abschirmen. Häufig kommt noch eine Einschlafproblematik hinzu, sodass die Kleinen übermüdet und dadurch noch angespannter sind. Weitere Faktoren, die eine Regulationsstörung begünstigen können, sind Probleme in der Eltern-Kind-Kommunikation und Überforderung seitens der Eltern.
Wichtiger Hinweis: Auch wenn das ständige Schreien furchtbar belastend ist, dürft ihr euer Baby niemals schütteln! Dies kann schwerwiegende und sogar tödliche Verletzungen zur Folge haben. Sucht euch Hilfe und Rat – ihr müsst diese Situation nicht allein aushalten. Hier findet ihr Anlauf- und Beratungsstellen in eurer Nähe.
Helfen Kümmelzäpfchen für Babys bei Bauchweh und Blähungen?
Viele Eltern schwören auf homöopathische Kümmelzäpfchen für Babys und Kleinkinder, aber wie sieht es mit einem Nachweis der Wirksamkeit aus? Wir haben PD Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der DGKJ und Kinder-Gastroenterologe, gefragt, ob die in Kümmelzäpfchen enthaltenen Wirkstoffe nachweislich bei Blähungen, Bauchkrämpfen und Bauchweh helfen können. Und dieser schätzt die Sache ganz klar wie folgt ein:
Dr. Rodeck zufolge gibt es demnach keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit von homöopathischen Kümmelzäpfchen bei Säuglingen und Kleinkindern und daher könne "auch keine Empfehlung für den Einsatz dieser Zäpfchen gegeben werden."
Unser Fazit zu Kümmelzäpfchen
Auch wenn Kümmel bei Verdauungsbeschwerden als Hausmittel beliebt ist und viele Eltern von positiven Erfahrungen mit Kümmelzäpfchen berichten: Ein wissenschaftlicher Nachweis, dass er Babys und Kindern in homöopathischer Zäpfchen-Form bei Bauchweh hilft und entkrampfend wirkt, steht noch aus.
Letztlich bleibt es euch als Eltern natürlich selbst überlassen, ob ihr die Zäpfchen ausprobieren möchtet. Beratet euch vor der Anwendung aber mit eurem Kinderarzt oder eurer Kinderärztin. Auch, um möglichen Ursachen für die Beschwerden eures Kindes auf den Grund zu gehen.
Wenn ihr vermutet, dass ihr ein Schreibaby habt, sucht ebenfalls rasch professionelle Hilfe auf und lasst euch beraten. Eine Therapie ausschließlich mit Kümmelzäpfchen ist hier nicht zielführend, da diese – wenn überhaupt – nur Begleitsymptome, aber nicht die Ursache für das Schreien bekämpfen.
Quellen:
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin: Expertenrat von PD Dr. Burkhard Rodeck, Generalsekretär der DGKJ und Kinder-Gastroenterologe.
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Dreimonatskoliken, zuletzt aufgerufen am 31.01.2023.
- Nationales Zentrum Frühe Hilfen: Zahlen und Fakten zum Schütteltrauma, zuletzt aufgerufen am 31.01.2023.
- Nationales Zentrum Frühe Hilfen: Hilfe bei „Schreibabys“, zuletzt aufgerufen am 31.01.2023.
- Pädia: Packungsbeilage Carum Carvi Baby-Kümmelzäpfchen, zuletzt aufgerufen am 31.01.2023.
- WALA: Packungsbeilage Carum carvi comp. Säuglingszäpfchen, zuletzt aufgerufen am 31.01.2023.
- WALA: Packungsbeilage Carum carvi Kinderzäpfchen, zuletzt aufgerufen am 31.01.2023.