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Impfungen Was macht eigentlich die STIKO?

Mann mit Stethoskop zeigt auf Wort Stiko aus Buchstabenwürfeln
© HNFOTO / Adobe Stock
Seit Corona kennt sie jeder: die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (RKI.) Aber was macht die eigentlich genau?

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Auf dem Gebiet des Infektionsschutzes herrscht ständige Bewegung. Erreger mutieren, das liegt in ihrer Natur. Die Wissenschaft liefert laufend neue Erkenntnisse über Krankheiten und ihre Übertragungswege, das ist ihr Hauptmerkmal. Daher gilt es, die aktuelle Lage immer gut im Blick zu haben und auf die Entwicklungen angemessen reagieren zu können. Bei uns übernimmt die STIKO, die Ständige Impfkommission, diese Aufgabe.

Wie setzt sich die STIKO zusammen?

Die Ständige Impfkommission ist eine Gruppe von Expertinnen und Experten aus ganz Deutschland, die bundesweite Empfehlungen für Impfungen und Impftermine entwickelt. Zurzeit besteht die STIKO aus 18 Männern und Frauen aus allen möglichen impfrelevanten Bereichen, zum Beispiel der Immunologie, Virologie oder Pädiatrie. Sie kommen aus Wissenschaft und Forschung, aber auch aus öffentlichen Gesundheitsdiensten und aus der Praxis.

Sind die Expertinnen und Experten fest angestellt?

Nein, eigentlich machen sie alle etwas ganz anderes. Sie sind Professorinnen, ärztliche Direktoren oder Institutsleiterinnen (und manchmal auch schon in Rente) – und so verdienen sie auch ihr Geld. Für die STIKO arbeiten sie on top, sie ist nämlich ein Ehrenamt. Das soll sie besonders unabhängig in ihren Bewertungen machen. Klingt allerdings auch ein bisschen nach "unbezahltem Nebenjob".

Warum dauert es häufig so lange, bis die STIKO zu ihren Einschätzungen kommt?

Den Eindruck der Behäbigkeit konnte man in der Pandemie schon mal bekommen. Aber: Die Zurückhaltung hat bei der STIKO Tradition, und das mit gutem Recht. Eine Impfempfehlung zu erarbeiten ist ungeheuer aufwendig. Bis alle relevanten Studien gelesen, die weltweite Fachliteratur gesichtet, mathematische Modelle erstellt und Gutachten geschrieben sind, vergehen viele Monate, manchmal Jahre. Letztlich geht es aber darum, dass eine Empfehlung, die ja für Millionen von Menschen ausgesprochen wird, bis ins letzte Detail durchdacht ist.

Nach welchen Kriterien entscheidet die STIKO, ob sie eine Impfung für sinnvoll hält oder nicht?

Hier muss man klarstellen: Die STIKO entscheidet nicht über die Zulassung einer Impfung, dafür sind andere Stellen zuständig. Die Arbeit der STIKO beginnt erst danach. Sie bewertet einerseits, welchen Nutzen und welches Risiko die Impfung für den einzelnen Menschen hat. Aber auch der gesamtgesellschaftliche Wert einer Impfung ist von Bedeutung. Nur wenn das ganze Land von einer Impfempfehlung profitiert, die Kosten für das Gesundheitssystem in einem guten Verhältnis zum Nutzen stehen, wird sie auch umgesetzt. Die STIKO entscheidet dann darüber, für welche Personen- und Altersgruppen eine Impfung Sinn ergibt, mit wie vielen Impfdosen und in welchen Abständen geimpft werden soll. All das wird im sogenannten Impfkalender zusammengefasst und einmal im Jahr aktualisiert.

Wie glaubwürdig ist die STIKO? 

In einer Zeit, die stark von Werte- und Glaubwürdigkeitsverlusten geprägt ist, steht die STIKO besonders unter Druck. Wer sagt denn, dass ihre Einschätzungen nicht „gekauft“ sind? Dass die STIKO nicht nur der verlängerte Arm der – ebenso infrage gestellten – Politik ist? Richtig ist tatsächlich: Das Robert Koch- Institut, dem die STIKO zugeordnet ist, ist eine zentrale Einrichtung der Bundesregierung. Dennoch versichert die STIKO, politisch unabhängig und allein auf Grundlage der evidenzbasierten Medizin zu entscheiden. Wer sich auf der Website der Kommission umschaut, stellt schnell fest: Mehr wissenschaftliche Transparenz geht kaum. Man findet hier auch die Selbstauskünfte aller Mitglieder, die offenlegen, ob sie Kontakte zu impfstoffherstellenden bzw. vertreibenden Unternehmen gibt. So sollen Interessenkonflikte vermieden werden.

Wie mächtig ist die STIKO?

Die Empfehlungen der STIKO haben durchaus Gewicht. Sie sind die Grundlage für die sogenannte Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Impfungen, die in die Richtlinie aufgenommen werden, werden zu Pflichtleistungen der Gesetzlichen Krankenversicherungen. Trotzdem bleiben die Empfehlungen der STIKO eben genau das: reine Empfehlungen.

Darf mich mein Kinderarzt unabhängig beraten, oder muss er die Linie der STIKO vertreten?

Die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland sind zur Impfberatung verpflichtet, sie ist Teil der Vorsorge-Untersuchungen und muss von den Eltern auch nachgewiesen werden, wenn sie ihre Kinder in einer Kita anmelden. In dieser Impfberatung geht es um alle von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen, welche Vorteile sie haben, aber natürlich auch um mögliche Nebenwirkungen und Komplikationen. Die Beratung soll neutral sein, also nicht die persönliche Meinung des Arztes widerspiegeln, sondern sich an den evidenzbasierten Fakten orientieren. Die Entscheidung über alle Impfungen treffen allerdings immer die Eltern. 

Nicht alle Impfempfehlungen wirken auf Anhieb nachvollziehbar. Ist die Kritik berechtigt?

Hier zielen Kritiker:innen vor allem auf die Hepatitis-B-Impfung im Säuglingshalter ab. Hepatitis B wird vorwiegend durch Geschlechtsverkehr übertragen – ist also für Babys eigentlich noch kein Thema. Dennoch empfiehlt die STIKO diesen Schutz im Rahmen der Sechsfach-Impfung bereits ab acht Wochen. Denn Hepatitis B wird nicht ausschließlich durch Sex übertragen, kann in seltenen Fällen also auch Babys erwischen. Dann verläuft die Erkrankung fast immer schwer, in 90 Prozent der Fälle wird sie chronisch. Hinzu kommen pragmatische Überlegungen: Viele Jugendliche erreicht man für Impfung nicht mehr. Weil die Hepatitis-B-Impfung ein Leben lang wirkt, kann man auch schon im Babyalter impfen. 

Andererseits gibt es auch Impfungen, die von der STIKO nicht, noch nicht oder mit Einschränkungen empfohlen werden. Dazu gehören die Impfungen gegen Grippe (Influenza), FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis) oder Meningokokken B. Nach individueller Betrachtung können diese Impfungen aber natürlich trotzdem sehr sinnvoll sein.

Was spricht denn dagegen, die Impfungen etwa ins zweite Lebensjahr zu verschieben?

Davon rät der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte ganz besonders ab. Verbandssprecher Jakob Maske: „Bei manchen Krankheiten ist ja gerade der Schutz in den ersten Lebensmonaten so wichtig, zum Beispiel löst Keuchhusten nur im ersten Lebensjahr Atemstillstände aus. Oder das Bakterium Hämophilus influenzae B: Es macht vor allem in den ersten zwei Lebensjahren schwere Erkrankungen wie Meningitis und Sepsis. Daher sollte so früh wie möglich für einen guten Impfschutz gesorgt werden.“

Auch das häufige Argument von Eltern, das Immunsystem der Kinder sei noch nicht stark genug für die vielen Impfungen, wäre also eher ein Grund für die Impfung, so Maske. „Selbst das Argument des Nestschutzes zählt leider nur begrenzt, da es für die meisten dieser Erkrankungen keinen Nestschutz gibt.“ 

Fachliche Beratung: Jakob Maske, Kinder- und Jugendarzt in Berlin und Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland

Weitere Quelle: Ständige Impfkommission, www.rki.de/stiko

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