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Neurodermitis Warum cremen hilft

Neurodermitis: Warum cremen hilft: Babyhände halten Creme
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Nicht jede Creme wirkt bei jedem Kind mit Neurodermitis. Deshalb muss die Behandlung individuell angepasst werden. Dafür braucht es Ärzte, die sich Zeit nehmen, Eltern, die Behandlungspläne einhalten – und viel Geduld.

Samuel hat Neurodermitis, Johannes auch. Bei Max kommt eine Kuhmilchallergie dazu. Seit er auf Milchprodukte verzichtet, geht es ihm besser. Samuel hilft eine Öl-in-Wasser-Emulsion, bei Johannes eine stark fettende Creme. Bis Johannes’ Eltern das wussten, haben sie viel ausprobiert, die eine Creme auf dem einen Arm verteilt, die zweite auf dem anderen, gewartet, geguckt, was besser wirkt, die schlechtere Creme gegen ein anderes Präparat getauscht, wieder gewartet, verglichen. Drei Kinder – alle drei haben Neurodermitis, jedem hilft etwas anderes.

Kein Wunder, dass es Hunderte Tipps zur Behandlung gibt und große Unsicherheit, was tatsächlich hilft. Kokosöl oder Schokodiät? Hanföl oder Moorcreme? Neurodermitis-Experten winken ab. Ihre Therapie basiert auf zwei Bausteinen: der Basispflege mit Hautcremes und Bädern und der Behandlung mit Kortison oder kortisonfreien Entzündungshemmern. Wie oft, wann, wie lange und vor allem, womit gecremt werden muss, das unterscheidet sich aber von Kind zu Kind – und macht die Behandlung so mühsam.

Wichtig für Eltern: Sie tragen keine Schuld

Schon zu den Krankheitsursachen gibt es viel Halbwissen. Neurodermitis ist vor allem eine genetisch bedingte Krankheit. Ob sie tatsächlich ausbricht, hängt aber auch von anderen Faktoren ab. Eine immer bessere Hygiene und fehlender Kontakt mit Schmutz könnten Neurodermitis fördern. Was man weiß: Es spielt keine entscheidende Rolle, wie sich die Mutter während der Schwangerschaft ernährt. Psychische Belastungen können zwar eine Neurodermitis verstärken, sind aber nicht die Ursache. "Eltern sind nie schuld daran, dass ihr Kind Neurodermitis hat", sagt Hagen Ott, Chefarzt für Pädiatrische Dermatologie und Allergologie am Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover.

Bei Neurodermitis kommen zwei Fehlfunktionen zusammen. Einerseits ist die Barriere der Haut gestört. Sie verliert mehr Feuchtigkeit und kann Keime oder allergieauslösende Stoffe schlechter abwehren. Gleichzeitig lockt der Körper scheinbar grundlos Entzündungszellen an. Die Folge: rote, juckende Hautstellen, Ekzeme. Je gereizter die Haut, desto sensibler reagiert sie. Stress in der Schule, eine heftige Erkältung, Schwitzen, ein neues Waschmittel – alles kann die Haut reizen. Etwa jedes dritte Kind hat zudem eine allergische Form der Erkrankung. Hier lösen Allergene wie bestimmte Nahrungsmittel oder Pollen die Entzündungen aus. Da die Krankheit immer schubweise verläuft – nach Akutphasen mit Ekzemen beruhigt sich die Haut –, ist es so schwierig, die Auslöser zu greifen.

Das führt immer wieder zu falschen Schlussfolgerungen wie "Nach der Schokolade wurde Saras Haut rot, demnach ist also der Zucker schuld. Also haben wir die Süßigkeiten gestrichen, und sieh an, die Haut wird besser!" Das aber liegt nicht am Süßigkeitsverbot, sondern am normalen Krankheitsverlauf. "Sie könnten auch Erdbeermarmelade auf die Haut schmieren, und sie würde trotzdem irgendwann besser", sagt Prof. Peter Höger, Chefarzt der Abteilung Pä­diatrische Dermatologie/Allergologie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg.

Was hilft wirklich? Um das herauszufinden, braucht es Geduld. Drei Minuten Arztgespräch, Rezept mitnehmen, fertig – das funktioniert bei Neurodermitis nicht. Es macht einen Unterschied, ob ein Baby oder ein Schulkind betroffen ist, die Haut im Sommer oder im Winter behandelt wird, ob Gesicht, Arme oder Rücken jucken und die Haut nur gerötet ist oder Ekzeme quälen. Jedes Mal kommen andere Cremes zum Einsatz. Und hier brauchen Eltern Hilfe.

So häufig ist Neurodermitis

23 Prozent aller Kleinkinder werden in Deutschland wegen Neurodermitis ärztlich be­handelt. Bei vielen verbessert sich die Haut mit der Zeit deutlich. Im Schulalter sind noch acht Prozent der Kinder in Behandlung, als Erwachsene zwei bis vier Prozent.

Die Basispflege – cremen, cremen, cremen

Kernstück der Neurodermitis-Behandlung ist die Basispflege: Mehrmals täglich wird die Haut großzügig eingecremt. Das hält sie feucht und lindert den quälenden Juckreiz. Leider gibt es nicht die eine Wundercreme, die allen Kindern hilft. "Wir erleben es immer wieder, dass Eltern einen Sack voller Cremetuben ausschütten, die sie alle erfolglos ausprobiert haben", sagt Ott.

Er und seine Kollegen bestimmen für jedes Kind individuell, wie wasser- oder fetthaltig die Creme sein muss und ob sie zum Beispiel Harnstoff enthalten soll. Auf dem Behandlungsplan könnte dann stehen: Basiscreme 1 an Armen und Beinen zweimal täglich. Basiscreme 2 am Hals dreimal täglich. Ölbad, zweimal pro Woche. Verbessert sich die Haut mit Creme A nach ein bis zwei Wochen nicht, kommt Creme B zum Einsatz. So tastet man sich langsam an die richtige Behandlung heran.

Neurodermitis: Warum cremen hilft: Herzen aus Salbe
Salben bilden einen dicken Schutzfilm, Cremes enthalten mehr Wasser, Lotionen haben einen kühlenden Effekt.
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Falsche Angst vor dem richtigen Kortison

Bei einem Neurodermitisschub wird zusätzlich mit Kortison behandelt. "Wir arbeiten heute mit Kortisoncremes, die in der Haut abgebaut werden und nicht in den Kreislauf übertreten", sagt Ott. "Das Risiko für Nebenwirkungen ist bei richtiger Anwendung sehr gering." Trotzdem haben viele Eltern riesige Angst vor Kortison, verwenden nicht genügend Creme oder brechen die Behandlung zu früh ab. Zu wenig Creme bringt aber keine Linderung. Und wird nicht lange genug behandelt, kommt der Ausschlag mit hoher Wahrscheinlichkeit zurück, was dazu führen kann, dass erneut gecremt werden muss und am Ende nur mehr Kortison eingesetzt wird.

Früher empfahlen Ärzte Kortison nur bei akuten Schüben: Juckte die Haut, wurde gecremt. Heute wenden sie die Medikamente auch an, um Schüben vorzubeugen. Körperstellen, an denen sich besonders häufig Ekzeme bilden, werden über mehrere Monate hinweg zweimal pro Woche mit Kortison eingecremt. Studien zeigen, dass die Kinder dadurch länger beschwerdefrei sind.

Wirkt das Kortison nicht wie gewünscht, verträgt das Kind die Präparate schlecht oder sind besonders empfindliche Hautstellen wie das Gesicht betroffen, setzen Ärzte alternativ auch den Wirkstoff Pimecrolimus ein. Die Creme hemmt Substanzen im Körper, die bei Entzündungen eine Rolle spielen. Auch sie kann vorbeugend angewendet werden.

All das sollte im Behandlungsplan stehen und regelmäßig mit dem Kinderarzt überprüft werden. Bringen die Cremes Linderung oder muss das Schema verändert werden? Hat sich die Haut verbessert und kann auf bestimmte Cremes verzichtet werden? "Wir wollen erreichen, dass Eltern den Hautzustand selbst einzuschätzen lernen und wissen, was in welchem Stadium zu tun ist", sagt Prof. Höger: "Richtig auf das Kind abgestimmt und angewendet, wirkt die Behandlung zu 99 Prozent."

Was hilft sonst noch, was eher nicht?

Warme Bäder (+)

Beim Baden dringt Feuchtigkeit in die Haut, reizende Stoffe lösen sich im Wasser ab. Wichtig: körperwarm statt heiß baden, sonst wird die Haut gereizt. Milde Reinigungsprodukte ohne Duftstoffe verwenden und nach 10 bis 15 Minuten Schluss machen. Danach die Haut vorsichtig abtrocknen und sofort eincremen, damit die Feuchtigkeit gespeichert wird.

Feuchte Verbände (+)

Sie lindern starken Juckreiz. In der Apotheke gibt es spezielle Schlauchverbände zum Überziehen. Bei der selbst gemachten Variante wird erst eine dicke Schicht Creme aufgetragen, dann ein angefeuchteter Verband aufgelegt und anschließend mit einem trockenen Verband abgedeckt.

Angepasste Kleidung (+)

Lockere Kleidung aus feingewebter Baumwolle kaufen und vor dem Tragen immer zweimal waschen, um Chemikalienrückstände zu beseitigen.

Auflagen mit schwarzem Tee (+)

Die Gerbstoffe helfen bei offenen Stellen. Teebeutel in eine Tasse Wasser geben, eine Stunde ziehen lassen, Wattepad eintunken und auf die offene Stelle legen. Mehrmals täglich wiederholen. Das Wattepad darf nicht antrocknen, sonst reißt die Wunde beim Entfernen auf.

Kratzen verbieten (–)

Das funktioniert eh nicht. Besser Alternativen zeigen, zum Beispiel Massagen mit einem Igelball an einer anderen Körperstelle. Und wichtig: Fingernägel kurz schneiden.

Lebensmittel auf eigene Faust weglassen (–)

Nahrungsmittel wie Eier, Milch, Nüsse, Fisch werden mit Neurodermitis in Verbindung gebracht. Ob das Kind an einer allergiebedingten Neurodermitis leidet, muss immer ein Arzt feststellen. Das heißt: nicht eigenständig Lebensmittel streichen. Zu groß ist das Risiko, dass das Kind ohne Not auf Lieblingsspeisen verzichten muss oder nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt wird.

Das machen, was bei der Freundin geholfen hat (–)

Lieber nicht. Denn jedes Kind ist anders und braucht seine eigene Therapie. Bei leichter Neurodermitis kann der Kinderarzt helfen. Für Kinder, die schwerer erkrankt sind, bieten Krankenhäuser Neurodermitis-Sprechstunden an. In Neurodermitisschulungen lernen Eltern in sechs Doppelstunden alles Wichtige über die Krankheit.

Ständig cremen und bei der Kleidung aufpassen – so macht das Kind besser mit:

• Massieren statt schmieren: Gelingt es, die tägliche Cremerei mit Nähe, Kuscheln und Massieren zu verbinden, klappt’s besser.

• Belohnungen einsetzen: Für jedes Mal Cremen gibt es einen Strich, bei zehn Strichen ein Smiley, bei fünf Smileys ein kleines Auto. Funktioniert vor allem bei kleinen Kindern gut.

• Verhandeln: Bei Älteren läuft es über Deals: Du willst das Trikot tragen? Wenn du dich gut eincremst. Die klebrige Creme magst du nicht? Dann nehmen wir die dünnere, dafür cremst du einmal mehr.

Hier gibt‘s noch mehr Informationen

Gut verständliche und wissenschaftlich überprüfte Informationen zu Neurodermitis findet man zum Beispiel hier . Eltern, die noch tiefer einsteigen möchten, können sich die ärztliche Leitlinie anschauen.

09/2018 ELTERN

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